Mit Blick auf die deutsche Energiesicherheit kommt Kanzler Scholz mit minimalem Erfolg von seinen Reisen nach Saudi-Arabien, Katar, Mexiko und den Vereinigten Arabischen Emiraten zurück – sofern man weitere LNG-Lieferungen als Erfolg bezeichnen möchte. RWE schloss mit der Abu Dhabi National Oil Company einen Vertrag über eine erste Lieferung von 137.000 Kubikmetern LNG ab. Was augenscheinlich nach viel klingt ist weniger als die Menge, die noch im Februar 2022 an einem Tag über Nord Stream 1 bewegt worden ist.
Ähnlich substanzlos sind die Ergebnisse der vereinbarten Energielieferungen aus den anderen Ländern, die Scholz in den letzten Tagen und Wochen bereist hat. Der Grund für die magere Ausbeute ist schnell erkannt: Im Rest der Welt lassen sich kaum die Energiemengen an fossilen Energiemengen erschließen, die die russischen Energielieferungen nach Europa ersetzen könnten.
Die Preise für Erdgas, Kohle, Erdöl und Uran sind schließlich nicht erst seit Ausbruch des Ukraine Kriegs im Februar 2022 massiv gestiegen, sondern schon seit Mitte 2021. Da zog die Weltwirtschaft nach der Corona Krise wieder an, der fossile Energieverbrauch ist deshalb gestiegen, und die Förderung konnte die Nachfragesteigerung nicht stillen, was zwangsläufig in höheren Preisen mündete.
Diese weltweite Verknappung fossiler und atomarer Energierohstoffe wird vielfach übersehen. Kanzler Scholz fährt zwar unentwegt in der Welt herum und sucht nach Diversifizierung von fossilen Energielieferanten, aber nennenswerte Lieferverträge kann er nicht anstoßen.
Natürlich hat die EU seit Februar 2022 mehr LNG, Pipelinegas, Erdöl und Kohle aus anderen Ländern als Ersatz für russische Energielieferungen importiert und damit die globalen Rohstoffpreise massiv nach oben getrieben. Was dies insbesondere für viele Entwicklungs- und Schwellenländer bedeutet hat die Finanzmarktwelt schon im Juli 2022 genauer analysiert.
Insbesondere in Pakistan gehen die Lichter aus, weil das für Pakistan vorgesehene LNG nun in das zahlungskräftigere Europa umgelenkt wird. Auch in Bangladesch, Myanmar und anderen Ländern gibt es erhebliche Verwerfungen.
Dabei wird gerade Pakistan heimgesucht von der größten Klimakatastrophe: nach bis zu 50 Grad Celsius Mittagshitze mit vielen Hitzetoten von März bis Juni hat dann ein nie dagewesener Monsunregen ein Drittel der Landesfläche Pakistans überschwemmt mit zig Millionen Obdachlosen, die ihr Haus verloren und tausenden von Toten. Dass dort nun durch den Kauf von LNG durch Europa auch eine Energienot herrscht, verschlimmert die Not zusätzlich.
Wer nun glaubt, dass die globale Energieknappheit nur ein vorübergehendes Phänomen sei und durch Neuerschließung neuer Erdgas-, Erdölfelder und Kohlegruben die globale Energiesicherheit bald wieder aus der Verknappung herauskommt, übersieht vor allem, dass jede Neuerschließung von fossilen Energierohstoffen eine jahrzehntelange Nutzung nach sich zieht, was gleichbedeutend ist mit einem Anstieg der CO2– und Methanemissionen. Das völkerrechtliche Pariser Klimaschutzabkommen wird dadurch Makulatur und kann nicht mehr eingehalten werden. Die Erde wird damit auf einen schnellen Weg zur Überschreitung von zwei Grad Celsius Erderwärmung gebracht, womit die furchtbaren Konsequenzen wie in Pakistan in immer mehr Ländern Einzug halten werden, auch bei uns in Europa.
Kanzler Scholz scheint sich seiner diesbezüglichen Verantwortung nicht bewusst zu sein. Ich kann mich noch gut erinnern, als er sich bei dem Gespräch im letzten Oktober mit den Protagonistinnen der Letzten Generation schlicht weigerte, das Klimaproblem als existenzielle Bedrohung der gesamten Menschheit anzuerkennen.
Damit wird erneut klar, dass die Diversifizierung von fossilen und atomaren Energielieferländern zur Ablösung von russischen Energielieferungen ein fundamentaler Irrweg ist. Er verschärft die geopolitischen Spannungen, die Nord-Süd Ungerechtigkeit und die Klimakatastrophe massiv.
Aus dem rechten und linken Rand in Deutschland wird mit zunehmenden Protesten unisono (die Rechtsradikalen und Linksradikalen waren sich selten so einig) gefordert, die Sanktionen gegen Russland aufzuheben, damit in Deutschland die Energienot wieder abnehmen würde.
Ganz abgesehen davon, dass es ja Putin selbst ist, der die Gaspipelines fast völlig geschlossen hat, würde dies neben der weiteren Erdaufheizung nur dazu führen, dass die russische Aggression weiter auch aus dem Westen finanziert würde. Die Teilmobilmachung Russlands, mit der Konsequenz, noch mehr junge Russen in den sicheren Tod in die Ukraineaggression zu schicken, würde damit sogar noch aus dem Westen politisch und finanziell unterstützt, genauso wie die weitere massive Aufrüstung Russlands, die weiter mit westlichem Energiegeld finanziert würde. Die mit den europäischen Energieeinnahmen erfolgte massive Aufrüstung Russlands über die letzten Jahrzehnte führt ja nicht nur zum Stärken der Aggression in der Ukraine. Nach den USA ist Russland der zweitgrößte Waffenexporteuer der Welt, womit auch weitere Kriege in der Welt finanziert würden.
All dies führt erneut zur klaren Analyse, dass Energiesicherheit, Frieden in der Welt und Klimaschutz nur mit einer globalen Umstellung auf Erneuerbare Energien gelingen kann. Um Sonnenstrahlen und Wind kann man schlicht keine Kriege führen, und deren Nutzung führt auch nicht zu Gewinnmaximierungen von Energielieferländern, die damit Waffen produzieren und exportieren können. Es sei denn, man setzt statt auf vollständige Eigenversorgung mit 100 Prozent Erneuerbare Energien auf eine internationale Wasserstoffstrategie, die neue Energieabhängigkeiten schaffen würde. Doch genau dies hat Kanzler Scholz überall in den Ländern angeboten: Wasserstoff aus Saudi-Arabien, Katar, USA, Mexiko oder anderen Ländern zu importieren. Das würde diesen allen neben den LNG- und Erdöleinnahmen wieder weitere große Einnahmen verschaffen, um die Kriege zum Beispiel im Jemen oder den Islamistischen Terror weiter zu finanzieren und Waffen einzukaufen.
Es bleibt dabei, dass nur die schnelle Umstellung auf 100 Prozent heimische Erneuerbare Energien die Lösung all dieser globalen und nationalen Krisen ist. Doch wie sieht es hier in Deutschland aus? Zwar spricht auch Kanzler Scholz viel davon den Ausbau der Erneuerbaren Energien in Deutschland massiv zu beschleunigen. Aber die bisherige Gesetzgebung spricht eine deutlich andere Sprache.
Neue LNG-Terminals in Deutschland sind von der Idee im März 2022 heute baureif geworden, sodass das LNG der Abu Dhabi National Oil Company wohl schon im Dezember angeliefert werden kann. Neue Windräder in Deutschland zu bauen braucht aber weiterhin Genehmigungsverfahren von drei bis sieben Jahren. Auch das Hinauszögern der Flächenausweisung für zwei Prozent Windkraftflächen der Länderfläche für die Bundesländern ist sogar bis nach 2030 im neuen Windenergie an Land Gesetz erlaubt, so Thorsten Müller, Leiter der Stiftung Umweltenergierecht, auf dem kürzlich stattgefundenen Umweltenergierechtskongress in Würzburg.
Kanzler Scholz könnte schnell viel mehr Energiequellen im eigenen Land neu schaffen, als über seine LNG-Auslandstouren, wenn er endlich den Länderministerpräsidenten von Söder über Kretschmer und Kretschmann die Leviten lesen würde, ihre Genehmigungsblockaden gegen den Ausbau der Windkraft, Wasserkraft, Freiflächen Photovoltaik oder Bioenergie endlich aufzubrechen.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
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Es wirkt alles etwas chaotisch… oder rigide. Beides deutet auf eine Posttraumatische Belastungsstörung der Politiker*innen hin. Klimawandel, Corona, Ukrainekrieg sind zu viel um noch kreativ zu denken und zu handeln.
Es wäre doch sinnvoll, wenn Bund und Länder und Kommunen einen Masterplan zum Aufbau der Infrastruktur für die erneuerbare Energieversorgung aus eigenen Quellen erarbeiten würden.
Was nutzt ein Masterplan, wenn sich der Wutbürger gegen Windräder demonstriert und keine PV Freiflächenanlagen in der Nachbarschaft duldet?
Sehr geehrter Herr Fell,
ich stimme Ihnen grundsätzlich in all Ihren Punkten zu. Nur vergessen Sie bitte eines nicht, unsere Industrieanlagen sind derzeit in weiten Teilen noch auf Gas ausgelegt, selbst wenn wir Söder und Konsorten endlich in den Senkel stellen und sie endlich ihre Blockade gegen den Ausbau aufgeben, hilft das nicht direkt. Es muss parallel auch die Industrie umgebaut werden. Mit Ihren berechtigten Forderungen artikulieren Sie sich wie die Skeptiker der e-mobilität, die aus erwarten das alles mit einem Schalter umgelegt wird. Das wird so nicht passieren und somit sind wir auf einen Pfad des Umbaus angewiesen in dem es übergangsweise noch den Bedarf an fossilen Brennstoffen geben wird. Aus meiner Sicht müssen die richtigen Anreize gesetzt werden, damit der Markt seine regulierenden Kräfte freisetzen kann. Eine Maßnahme wäre hier z.B. unser Strommarktdesign zu überdenken und einen Markt für echte erneuerbare Energie zu schaffen. Wenn nach draußen transparent wird das Wasser, Wind und Sonnenenergie deutlich günstiger ist als Kohle & Co. dann würde so viel Druck auf den Ausbau kommen, das auch ein Herr Söder nicht „nein“ sagen kann.
Hallo Andreas Dempewolf,
Um die Industrie würde ich mir sehr wenig Sorgen machen, diese ist sehr wohl in der Lage mehrheitlich auf eine geänderte Versorgungssituation zu reagieren. Es ist das tägliche Brot für Firmen, Kosten zu analysieren und Projekte zu starten, mit dem Ziel, sich besser zu positionieren.
Planungssicherheit wäre allerdings tatsächlich ein entscheidender Faktor. Derzeit lässt sich nur planen, dass massive kurzfristige Investments in fossile Brennstoffe mit einer mittelfristigen Exitstrategie mit dem Kurs der Bundesregierung vereinbar sind. Genau das Gegenteil der benötigten Strategie, aber bequem und ohne langfristige Commitments.
Die Entscheidungen von Firmen, die Energiequelle zu wechseln, hat historisch noch nie an Problemen gekrankt. Einige waren schneller und erfolgreicher, aber das ist Teil des Geschäftsrisikos. Einige haben sich in eine Position gebracht, in der sie nicht mehr manövrieren können, da ist es egal, ob dann eine Energiewende der Stein des Anstoßes ist, oder irgend ein anderes Problem.
Hallo Herr Fell,
folge inhaltlich Ihrem eloquenten Artikel, jedoch nur bis zum Fazit. Frage: Unter der Annahme, dass 100 % der deutschen Primärenergie durch erneuerbare gedeckt werden (was nach dem Tempo des Ausbaus der letzten 10 Jahre sicher weitere 30-50 Jahre dauert, eine Steigerung des Tempos schon impliziert) – Wie würde aus Ihrer Sicht das Thema der Dunkelflauten gelöst werden? a.) Welche Redundanzkraftwerke würden Sie den „erneuerbaren“ Energien gegenüberstellen und b.) in welcher Menge bzw. Leistung?
viele Grüße
Tom
Hallo Tom,
hier haben wir wohl den Fall des binären Denkens und der Applikation der Startbedingungen an das Endresultat.
Derzeit schwanken unsere Erträge aus Erneuerbaren zwischen wenigen GW und wenigen zig GW. Hier würde ich mich fragen, was eine Steigerung um den Faktor 50 auf den unteren Ertrag bedeuten würde.
Zudem muss man nicht vollständig auf fossile Brennstoffe verzichten. In Dunkelflauten könnten kleine vorrätige Mengen tatsächlich Abhilfe bedeuten. Diese würden dann so kleine Spitzen in der Gesamtversorgung ausmachen, wie heutzutage die Erneuerbaren.
Zudem helfen Speicher und Bedarfssteuerung ebenfalls. Ich zum Beispiel kann unter Ausnutzung meiner vorhandenen Ressourcen einen Wintertag aussetzen und in einer Stunde genug für einen weiteren Tag aufnehmen. Wenn ich es weiß und den Komfort herunterfahre, kann ich auch zwei Wintertage ganz ohne externe Energie aussitzen.
Der grösste Teil des Speichers ist ein simpler Brauchwasserspeicher, welcher mich mit Heizung und Warmwasser versorgt. Dazu kommen noch 3.5kWh Batterie und eine kleine Luft-Luft-Wärmepumpe.
@Hans-Josef Fell, danke für diesen weiter aufrüttelnden Artikel.
Bis auf das Schlußsaldo möchte ich Ihnen gerne folgen; jedoch sind Politiker im gewissen Sinne auch nur Entscheidungsmaschinen und auf die Leistungsfähigkeit ihre Hintermannschaft angewiesen.
Wir sollten dazu übergehen, den „Bürgern“ die Konsequenzen ihres Widerstandes gg die ein oder andere Handlung klar zu machen; hier m.E. erfolgt zu wenig Uberzeugungsarbeit.
Gerade heute Abend wurde von Habeck der wahrscheinliche Weiterbetrib von 2 AKW´s im Süden angekündigt.
Schuld/ Auslöser sei die vorraussichtlich mangelhafte oder unzureichende Energieproduktion im Nachbarland Frankreich.
Leider wurde der Sachverhalt nur verkürzt und nicht ausreichend beleuchtet.
Orginalton: „Wir haben ein Verteilungs/ Leitungsproblem, kein Problem der Menge an Energieproduktion“
Jupp; es wurde nicht erwähnt, dass die Erneuerbaren des Nordens ausreichend Energie in den Süden liefern könnten, wenn denn die Widerstände gg den Leitungsausbau Nord/Süd nicht bestehen würden.
Die Bürger müssen wir zukünftig besser mitnehmen.
St. Florian läßt grüßen!
Galoppierender Energiepreis:
Ebenso wird über den in 2010 eigeführten Merrit-Order Effekt viel berichtet, der den Energiepreis der Gaskraftwerke als preisbildend für alle Energieversorger und damit den Strompreis definiert; jedoch keinerlei Abhilfe in Form von alertnativen Konzepten geschaffen.
Wem nützt es, wenn das weiterhin recht undurchsichtige System der Energiepreissetzung mit Allgemein-Statements, „der teuerste Energieversorger bestimmt den Preis“, besetzt wird, jedoch keinerlei Alternativen in den Ring geworfen werden? Verweis auf die Festlegungen der EU…..
Jeder Bürger wird sich fragen: Wo finde ich in der Energieabrechnung den Preisvorteil der EE?
Im Übrigen wird durch den weiterhin andauernden positiven Effekt das EEG-Konto weiterhin üppig gefüllt.
Persönliche Vermutung: Wahrscheinlich wird diese für die Finanzierung von Uniper und anderen zu verstaatlichen Gasversorgern eingesetzt werden????
Gute Zug, sollte aber wirklich guuut kommuniziert werden.
Hier scheint mir dringender Handlungsbedarf in die Umgestaltung des Strompreises an sich, um die Erneuerbaren in die Pole-Position zu bringen und den Gruppierungen am rechten Rand des politischen Lagers die Argumente zu nehmen.
@ Tobias:
Kennen Sie die TED Rede der Psychologin Reneé Lertzman über Klimaangst und wie man sie in Handeln verwandeln kann? Ein bedenkenswerter Ansatz finde ich: https://youtu.be/f52LJJFBCLc
Ein guter Artikel, dem ich nur zustimmen kann.
Nur an einer Stelle ist Ihnen wahrscheinlich ein Fehler unterlaufen: Im ersten Absatz vergleichen Sie die Menge an LNG, die RWE aus Abu Dhabi beziehen möchte, mit der Menge, die über NorthStream 1 floss.
Das verflüssigte Gas nimmt aber nur ca. ein 600stel des Pipeline-Gases an Volumen ein, oder?