„Installieren statt demonstrieren“

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Während am Freitag wieder tausende Jugendliche und Erwachsene dem Aufruf von „Fridays for Future“ folgten und in den Klimastreik traten, suchen Handwerksbetriebe händeringend Auszubildende und Fachkräfte. Von einem informellen Austausch der Praktiker, der Lösungen für die großen Probleme der Branche suchte, berichtet pv magazine exklusiv. Dabei zeigte sich erneut, es gibt sehr viele Schwierigkeiten, die die Energiewende ausbremsen. Die weitaus größte Herausforderung ist dabei der Fachkräftemangel. Darüber waren sich die Teilnehmer einer Diskussionsveranstaltung am Mittwoch in Düsseldorf einig.

Der Großhändler Sonepar hatte auf der einen Seite zwei Vertreter des Handwerks geladen, Lothar Hellmann, Präsident des Zentralverbands der Deutschen Elektro- und Informationstechnischen Handwerke (ZVEH), der selbst einen eigenen Betrieb mit 140 Mitarbeitern leitet und Stefan Raddant, Obermeister der Innung für Elektrotechnik Münster, ebenfalls mit eigenem Unternehmen. Ihnen gegenüber saßen ein Professor des Wuppertal Instituts, Stefan Lechtenböhmer, Abteilungsleiter Zukünftige Energie- und Industriesysteme, und Christian Noll, Geschäftsführender Vorstand Deutsche Unternehmensinitiative Energieeffizienz (DENEFF) sowie Christian Teipel, Leiter Erneuerbare Energien & Elektromobilität bei Sonepar Deutschland.

Der informelle Austausch sollte dazu dienen, in der derzeitigen Krisensituation, die politischen Ziele mit den praktischen Möglichkeiten abzugleichen, Probleme zu benennen und Lösungsvorschläge zu diskutieren. Insofern war es schade, dass kein Politiker oder Behördenvertreter vor Ort war, denn viele der bestehenden Hemmnisse wurden und werden aus Sicht der Teilnehmer durch politische Entscheidungen verursacht, deren Auswirkungen auf die Wirtschaft falsch ein- oder unterschätzt werden.

Breite Ausrichtung statt Fokus auf Photovoltaik

Noch heute, zehn Jahre nach der fatalen Entscheidung, den florierenden Photovoltaik-Zubau in Deutschland radikal zu deckeln, würden viele Unternehmer davon absehen, sich stärker auf die Photovoltaik einzulassen, aus Angst erneut einem Strohfeuer aufzusitzen, schildert Hellmann. Stattdessen sei es notwendig sein Unternehmen breit aufstellen, mit Aufträgen aus allen Bereichen der Elektro- und Informationstechnik und der Gebäudeautomatisierung, um sich gegen kurzfristige Schwankungen am Markt abzusichern. Eine Fokussierung nur auf die gerade schnell wachsende Photovoltaik-Nachfrage sei aus unternehmerischer Sicht geradezu fahrlässig, so Hellmann weiter.

Bei einer derartigen Ausrichtung gerät die Photovoltaik allerdings schnell in den Hintergrund, weil der Preisdruck hoch ist und die Bürokratie Überhand nimmt, bedauerte Stefan Raddant. Das Anmelde- und Abnahmeprozedere bei der Photovoltaik-Installation sei so kompliziert und zeitaufwendig, dass es sich für Handwerker, die nur gelegentlich daran arbeiten, eigentlich nicht lohne. Freie Kapazitäten hätten die Handwerksbetriebe ohnehin nicht, weil auf ihnen auch aus anderen Geschäftsfeldern und aus dem Bereich Arbeitssicherheit immer mehr Bürokratie laste.

Raddant forderte daher, Unternehmen gezielt von Bürokratie zu entlasten. Er ist auch bereit, konkrete Vorschläge auszuarbeiten und die Politik mit einem Expertengremium beratend zu unterstützen. In seiner Heimatstadt Münster habe sich die CDU bereiterklärt, die Finanzierung von zwei Stellen für den den Aufbau eines solchen Gremiums zu prüfen*, da die Handwerker der Innung das nicht auf ehrenamtlicher Basis stemmen könnten.

Ein weiteres wichtiges Hemmnis, sei die Unstetigkeit des Marktes durch die häufigen Änderungen der Förderbedingungen, sagte Christian Teipel. Zwar sei Photovoltaik heute weitaus günstiger als in den Boomzeiten, dafür müsse aber immer mehr Volumen für weniger Umsatz durchgeschleust werden. Das sei aber nur mit einer guten langfristigen Planung machbar, die schon durch Corona und den Krieg gestört seien. Um überhaupt planbare Mengen geliefert zu bekommen, müssten die Händler manchmal ein Jahr im Voraus bestellen. Zwar ist er zuversichtlich, dass die Industrie die Lieferengpässe bis zum zweiten Quartal 2023 in den Griff kriege, aber jede Änderung an den Regularien wirke sich zusätzlich auf die Märkte aus und erschwere jegliche Planung, weil die Kunden mal abwarten und dann wieder schnell fertig werden müssten. Teipel führte als Beispiel die Förderung für die Einrichtung von Ladepunkten an. „Mit der Förderung wurden eine große Nachfrage ausgelöst, dann hat die Industrie einige Zeit gebraucht, um diese Nachfrage decken zu können und dann wird die Förderung eingestellt.“ Ähnlich sei die Situation nun bei Photovoltaik-Anlagen, Wechselrichtern, Trafos und Schaltschränken.

Die Politik müsse sich genau überlegen, welche Impulse sie setze, um langfristig die Weichen richtig zu stellen. Das nächste Problem sei schon absehbar, wenn der Gaspreis weiterhin den Strompreis nach oben treibe, sagt Teipel. So fördere der Staat zwar den Umstieg auf die Wärmepumpe, solange die Entwicklung der Strompreise aber nicht klar sei, sei das für die Kunden gefährlich.

Gleichstellung von Ausbildung und Studium

„Ich hoffe, dass die Krise dazu beiträgt, die Energiewende zu beschleunigen“, sagte Stefan Lechtenböhmer vom Wuppertal Institut. „Es wird aber sicherlich nicht mehr möglich sein, als wir ohnehin gefordert haben.“ 22 Gigawatt seien technisch möglich und die Politik bemühe sich, den Aufbau der Produktionskapazitäten zu unterstützen, aber auch die Installationsbranche müsse noch agiler werden. Einige Schritte habe der Zentralverband dafür schon auf den Weg gebracht, erläuterte Hellmann.

„Wir sind der größte Ausbilder mit 46.000 Auszubildenden in den elektrohandwerklichen Gewerken.“ Ein neuer Ausbildungsberuf, Elektroniker für Gebäudesystemintegration, widme sich dem intelligenten Gebäude mit erneuerbaren Energien und Speicher. Auch für Gesellen gebe es diese Richtung als zusätzliche Qualifizierung zum Gebäudesystemintegrator. Darüber hinaus kooperierten den Elektrohandwerker stärker mit dem SHK-Handwerk, weil Schnittstellen verwachsen.

So könnten Elektro- und SHK-Handwerker je einen 240-Stunden-Lehrgang absolvieren, um sich für die 7a-Eintragung nach Handwerksrolle zu qualifizieren und dann, rechtlich abgesichert, beispielsweise Wärmepumpen hydraulisch und elektrisch anzuschließen. Hellmann rechnet damit, dass sich die Baukonjunktur abschwächt, weil Wohnungsunternehmen damit beginnen, Bauvorhaben zurückzustellen, wodurch Handwerker in den klassischen Tätigkeitsfeldern Zeit hätten, sich den neuen Herausforderungen zu öffnen.

Allerdings benötige die Branche stärkere Unterstützung aus der Politik, so Hellmann. „Wir werben für die Gleichwertigkeit der Berufe“, also für eine Gleichbehandlung von Studium und dualen Ausbildungswegen. Und hier sprechen die Teilnehmer der Diskussionsrunde auch die Demonstranten der Fridays-for-Future-Bewegung an. „Statt zu demonstrieren, benötigen wir die jungen Leute, um zu installieren“, sagt Hellmann*. Raddant sieht es ähnlich und ergänzt, auch er vermisse die Bereitschaft, eine schwierige Ausbildung bis zum Schluss durchzuhalten und hart zu arbeiten.

Christian Noll ergänzte, „es gibt erstaunlich wenig Forschung zum Thema grüne Berufe“. Das Thema Klimaschutz trende und viele Menschen stellen sich die Frage, welche Aspekte ihres Lebensstils klimaschädlich sind, seien es Flugreise oder Ernährung, aber diese Sensibilisierung reiche noch nicht bis in die Berufswahl hinein. „Egal, welche Ausbildung jemand hat, er sollte sich die Frage stellen ‚Wie kann ich das für den Klimasschutz einsetzen?‘“

 

*Anmerkung der Redaktion: Wir haben den Artikel nachträglich am 28.09.2022 geändert. In der ursprünglichen Version war das Zitat falsch zugeordnet und wurde von uns nun richtiggestellt, zudem ist die Finanzierung der Stellen für das Beratergremium noch nicht abschließend geklärt.

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