Die Wälder brennen auch in Europa wie nie zuvor, eine nie dagewesene monatelange Dürre bringt katastrophale Missernten, eine Hitzewelle jagt die andere, und diese kosten immer mehr Hitzetote. Nun sind schon im August der Rhein und andere Flüsse bald auf Rekordniedrigwasserstand, was es bislang in ähnlicher Form nur manchmal im Herbst gab. Doch die Schifffahrt in Deutschland droht jetzt schon in diesem Monat eingestellt zu werden; in der Elbe ist es bereits soweit.
Ursache ist die Erdüberhitzung. Und jeder, der es wissen wollte, hat wissen können, dass es soweit kommen wird. Hauptursache dafür ist die jahrzehntelange ungebremste energetische Nutzung von Erdöl, Erdgas und Kohle. Und jeder, der es wissen will, weiß, dass die weitere Nutzung fossiler Energieträger eine Brandbeschleunigung für die nächsten noch viel schlimmeren Katastrophen ist.
Doch der Niedrigwasserstand mit bald drohendem vollständigen Einstellen der Schifffahrt – möglicherweise sogar für die nächsten Monate – führt nun zu einer unglaublichen Bevorzugung genau der Brandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle auf der Bahn. Denn jetzt sollen auf der Bahn die Hauptverursacher des Niedrigwasserstandes in den Flüssen – Erdöl Erdgas Kohle – bevorzugt befördert werden. Warum aber nicht Solarmodule, nicht Windkraftequipment, nicht Biokraftstoffe, nicht Personen, die vom Erdölauto auf die Bahn umsteigen wollen, oder gar Lebensmittel? Nein: Bevorzugt transportieren soll die Bahn nun die Klimabrandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle.
Dabei würde der schnelle Ausbau der erneuerbaren Energien genau die Brandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle in der Energieversorgung reduzieren. Jede Kilowattstunde aus einer neuen Solar-, Biogas-, Wind-, Wasser- oder Geothermie-Anlage vermindert die Produktion von Energie aus fossilen und atomaren Anlagen. Doch dafür braucht es eine Vielfalt von Privilegien für den Ausbau der erneuerbaren Energien, zum Beispiel den bevorzugten Transport mit der Bahn für die erneuerbaren Energien – in einer Welt der unterbrochenen Lieferketten ist das auch für diese Technologien ein wichtiger Einzelaspekt.
Anders als bei den fossilen Energien liefern die einmal von der Bahn transportierten Erneuerbare-Energien-Technologien nach deren Aufbau bis über 50 Jahre emissionsfreie Energie. Die transportierten fossilen Energieträger Erdöl, Erdgas und Kohle müssen aber im Gegensatz dazu laufend für den Betrieb von Kraftwerken und Autos nachgeliefert werden und landen nach einmaliger Nutzung als Treibhausgas in der Atmosphäre.
Sonnenstrahlen oder Wind als Betriebsmittel für Solar- und Windkraftanlagen brauchen keine Schiffstransporte auf dem Rhein und damit auch keine Privilegien auf der Bahn, wenn die Flüsse mal Niedrigwasserstand haben. Und sogar das Anwachsen der Häufigkeit von Niedrigwasserständen können die erneuerbaren Energien perspektivisch bei einem schnellen globalen Ausbau abschwächen. Der privilegierte Transport der Klimabrandbeschleuniger Erdöl, Erdgas, Kohle aber beschleunigt die Häufigkeit der Katastrophen in den kommenden Jahren zu einem wesentlichen Maß mit.
Anders als für Erdgas, Erdöl und Kohle gibt es in der Bundesregierung offensichtlich immer noch keine Sensibilität für die tausenden Bremsen beim Ausbau der Erneuerbaren und damit keine schnellen Reaktionen zur Schaffung von Energiesicherheit mit Erneuerbaren. Stattdessen gibt es massenhaft Ausbaubehinderungen, aber kaum eine Reaktion und vor allem keine schnellen Gesetzesvorschläge zur Abschaffung der wichtigsten Hemmnisse bei erneuerbaren Energien, vergleichbar mit dem Vorschlag, Erdöl, Erdgas und Kohle bei der Bahn privilegiert zu befördern oder dem beschleunigten Bau von LNG-Terminals.
So berichtet gerade der BR in einem Beitrag über die Ausbauverhinderung der erneuerbaren Energien durch die massenhaften Klagen von Naturschutzverbänden, allen voran der bayrische anerkannte Naturschutzverband – der Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e. V (VLAB). Dieser seit langem bekannte Missbrauch des Naturschutzklagerechts durch den VLAB, dessen einzigen Handlungen die Verhinderung von Windkraft und Solaranlagen sind, hat immer noch nicht dazu geführt, dass die Bundesregierung endlich mal seine Legitimation überprüft, also ob er mit seinen ausschließlichen Aktivitäten des Klagens gegen Erneuerbare-Energien-Anlagen tatsächlich den Kriterien eines anerkannten klagebefugten Naturschutzverbandes genügt.
Schon die Ankündigung einer Prüfung seines offensichtlichen Missbrauchs könnte viele Klagen verhindern und so vielen erneuerbaren Energien eine schnelle Genehmigung ermöglichen. Der Bau dieser Anlagen könnte substanziell die Nutzung von Erdöl, Erdgas, Kohle reduzieren und wäre somit viel wichtiger als ein Transportprivileg der Klimabrandbeschleuniger auf der Bahn.
— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —
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Sehr geehrter Herr Fell,
ich schätze Ihre Arbeit sehr, aber in diesem Fall schießen Sie etwas über das Ziel hinaus.
Keine Windkraftanlage und keine große PV-Anlage, die in diesem Winter zu transportieren ist (wäre), bringt vor dem nächsten Frühjahr einen Beitrag zur Energiewende. Die Menschen in Deutschland wollen aber diesen Winter ohne Gas- und Strommangel überstehen. Natürlich muss auch jeder Energie sparen, wo es geht, aber das hat Grenzen. Wenn die Bundesregierung jetzt Vorsorge trifft, dass Energietransporte, die auf den Flüssen nicht mehr möglich sind, notfalls auf der Bahn bevorzugt werden, ist das m.E, sinnvoll.
Es ist sicher im Bereich der Erneuerbaren in den letzten Jahren viel versäumt worden, aber das kann jetzt nicht in wenigen Monaten aufgeholt werden. Als Privatmann habe ich lernen müssen, dass ein Speicher für meine PV-Anlage neun Monate Lieferzeit hat, auch Module sind kaum zu berkommen, wie ich höre, Wärmepumpen auch nicht. Die Hersteller von WKAn in Deutschland sind nicht mehr am Markt und so weiter …
Es ist frustrierend, dass wir jetzt vorübergehnd wieder mehr statt weniger Kohle verstromen und LNG von anderen menschenrechtsverachtenden Potentaten kaufen müssen.
Beste Grüße
@Martin,
ich teile Ihre Auffassung, jedoch auch der Grundauffassung des Aufrufes von Herrn Fell.
Hier ist eine dringende Diskussion erforderlich!
Wir sollten die eigentlich notwendige Grundhaltung für die Umgestaltung hin zu Erneuerbaren Energieen wieder in den Vordergrund holen.
Ja, Vorfahrt sollten die Erneuerbaren haben. In jeglicher Hinsicht, anderst haben wir wohl keine Chance.
Jedoch, angesichts der im Winter auskühlender privatern Wohnbehausungen und stockender Industrieproduktionen wird jetzt der Vorrang für den Transport von Brennstoff vorgeschlagen, der nachweislich als klimaschädlich schon geoutet wurde.
Welch ein klassischer Schachzug mit außerordentlichem zynischem Kalkül.
Nein! In der Debatte wird durch leider immer mehr effekthaschenden und wenig tiefgreifenden Jounalisten zu viel Augenmerk auf die vielen aktuellen ersichtlichen Maßnahmen gerichtet, die diese Energie-Situation von Allen erfordert, anstatt das Rampenlicht auf die grundlegend erforderlichen Maßnahmen zur Schaffung von Erneuerbaren Energien zu lenken.
Was wurde und wird durch die Bundesregierung erreicht, um die Winkraft, PV oder auch Gasproduktion durch heimischen Anbau zu verstärken?
Wurden die Hersteller und Installationsunternehmen von PV oder Wind für deren erforderliche Kapazität vorbereitet oder im Moment der Personalgewinnung unterstützt?
Welche begleitenden Maßnahmen wurden initiiert?
Wurden Maßnahmen erdacht, im Verantwortungsbereich von Innungen oder Verbänden, wie für die Installation von zig erforderlichen Wärmepumpen ausreichend geschulten Installateuren gesorgt werden könnte?
Sind in BRD ausreichend Kapazitäten zur Produktion von WP vorhanden oder werden wir hier ein nächstes mal die Abhängigkeit aus der EU oder dem produzierenden Ausland erleben?
Wurde darüber nachgedacht, wie sinnvoll es sein würde, die Bedingungen für Biogaskraftwerke dahingehend zu überarbeiten und anzupassen, den eigentlichen Bioabfall aufnehmen zu müssen anstatt ausschließlich Futtermais oder sonstigem geplantem Agraprodukten?
Z.Z. wird allermeist der Bioabfall verbrannt; mit Hilfe von Gas!!!
Ein Verharren auf dem jeweiligen Status quo wäre doch so bequem!
Insofern ist der Aufruf von Herrn Fell durchaus berechtigt; und Danke dafür.
@Martin Werner, ich habe meiner Mutter eine Luft-Luft-Wärmepumpe eingebaut, Lieferzeit 1 Woche, Preis ~1.200€. Man muss schauen, was man will und was geht. Diese Luft-Luft Wärmepumpe mag jetzt nicht die Welt verändern aber sie wird jede Menge Gas sparen im Vergleich zum Vorjahr, insbesondere durch Stützung durch Solar.
Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Wärmepumpe zum Wärmehaushalt erheblich beiträgt und vor allem bei niedrigen Temperaturen noch ordentliche Effizienz bringt. Dieser Beitrag erlaubt es, beim irgendwann anstehenden Wechsel von Gas auf eine Wärmepumpe, diese Wärmepumpe kleiner zu dimensionieren und wird vor allem in der kalten Jahreszeit die Heizung deutlich entlasten.
So nebenbei ist diese Wärmepumpe ein Monoblockgerät mit R290 und demzufolge auch noch umweltfreundlich in allen Belangen (und eben von Haus aus auch effizienter als andere Kühlmittel beim Heizen).
Ich kann das oft sehen „Oh, dies geht nicht und das gibt es nicht, dann tue ich eben am besten gar nichts“, ein sehr bequemes Lebensmotto. Manchmal muss man eben schauen, was geht, was es gibt und was man damit tun kann.
Ein „Experte“ für Erneuerbare, der allerdings keine Ahnung von der Bahn hat.
Nach 16 Jahren Eisenbahn in verschiedenen Funktionen dort (Schlosser, Elektroniker, LST Instandhalter, Lokführer, Bauüberwacher, Technischer Berechtigter, Öbl und zuletzt Infrastruktur Planer LST/TK), muss ich sagen: das wird die nächsten 20 Jahre nichts mehr werden.
(Weshalb ich auch gekündigt habe)
Die Politik und ganz besonders auch die Grünen haben die Eisenbahn in Deutschland so vor die Wand gefahren und tun dies immernoch (zzt die S-Bahn Berlin mit den Ausschreibungen)
das sich das System Eisenbahn unter den gegebenen Umständen (Demografie, Materialmangel, Politische Rahmenbedingungen) nicht wieder erholen kann und ihre Leistungsfähigkeit in irgendeiner Form in der Zukunft nennenswert wäre.
Zu fordern, dass die PKm und TKm noch weiter erhöht werden sollen lässt mich nur noch bitter lachen, wir können froh sein, wenn die Eisenbahn die nächsten Jahre ihr jetztiges Verkehrsaufkommen überhaupt halten kann. An eine Ausweitung ist nicht mehr zu denken, der Zug ist abgefahren.
Ich stimme ihrem düsteren Bild aus ihrer Erfahrung über voll zu. Entweder wir erhöhen die Ausgaben für die Bahn aus Steuermitteln um auf das Niveau der Österreichs oder der Schweiz zu kommen oder es wird nichts mit den Transportzielen. Aber die Bahn ist ein eigenes Thema. Bei der Bahn findet zunehmend nur noch Chaosverwaltung statt.
Vielleicht sollte man mal so ehrlich sein und sagen, dass wir nicht alles auf einmal haben können. Uns fehlen in vielen Bereichen Ressourcen, sei es im Bau oder auch bei elektronischen Bauteilen haben wir Lieferengpässe. Dazu kommt noch der Facharbeitermangel. Jetzt noch das Transportproblem. Ehrlich wäre es jetzt sagen, wenn wir uns unabhängig machen und die Erneuerbaren ausbauen wollen, ist für eine gewisse Zeit die Industrieproduktion z.B. bei Konsumgütern oder auch im Autobereich zurückzufahren und Kapazitäten in die Erneuerbaren zu lenken.
Man muss sich doch nur ins Gedächtnis rufen, von welchen Parteien die Verkehrsminister seit mehreren Legislaturperioden gestellt werden. Das sagt alles. Es ist der Privatisierungspartei FDP zu verdanken, dass bei der Bahn jetzt solches Chaos herrscht: ein Hoch den Prinzipien des Kapitalismus , aber das Kapital wollte sich halt nicht an der Bahn beteiligen, sodass jetzt volles Chaos herrscht
Nicht nur die FDP auch die Grünen sind da immer ganz vorne mit dabei, man gucke nur nach Berlin was die Grünen mit der S-Bahn machen.