Klimafreundlicher Wohnungsbau für den Berliner Mietmarkt

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Auf der Titelseite des Wochenmagazins Der Spiegel prangte Ende Januar die gezeichnete Darstellung eines vermeintlich klimafreundlichen Wohnhauses. Darauf zusehen: unästhetisch mit Photovoltaikmodulen und Windrädern zugepflasterte Dachflächen. Dazu noch allerhand nicht-identifizierbare Technik im Garten; eine Wärmepumpe? In der Einfahrt das Elektroauto was über ein Verlängerungskabel aus dem Haus heraus geladen wird. Schlagzeile: „Teuer Wohnen – Kostenfalle Klimaschutz: Was auf Mieter und Eigentümer zukommt“. Der Titel provoziert wissentlich, denn im Leitartikel wird ein differenzierteres Bild gezeichnet. Tatsächlich lässt es sich heute bereits klimafreundlich wohnen, und zwar ähnlich günstig und komfortabel wie in konventionellen Gebäuden. Doch wenn nicht wie auf der Titelseite, wie sehen die neuen nachhaltigen Gebäude aus und auf was dürfen sich Mieter einstellen?

Ein Beispiel für klimafreundlichen Wohnungsbau, der dabei bezahlbar bleibt, zeigt sich im Berliner Ortsteil Hohenschönhausen. Bereits im Sommer errichtete das Unternehmen KlimaGut Immobilien AG hier zwei Mehrfamilienhäuser. Vom TÜV Nord sind diese als „Netto-Null-Emissionsgebäude“ zertifiziert. Das bedeutet sie entsprechen dem TN-CC-020 Standard und sie sparen über ihren erwarteten Lebenszyklus inklusive Heizwärme und Strom für die Bewohner bilanziell mehr Emissionen ein, als bei Herstellung, Nutzung und Abriss anfallen. Unterm Strich ist die Energieversorgung mit Wärme und Strom also klimapositiv. Die rechnerische Bilanz liegt bei Minus 17 Tonnen CO2 Äquivalente pro Jahr.

KlimaGut Vorstand Fabian Tacke sagt, dass laut TÜV Nord die in Hohenschönhausen errichteten Wohngebäude die ersten in Deutschland mit diesem Siegel sind. Gebaut in Holz-Hybrid-Bauweise und mit klaren Linien, sieht das Haus zwar recht „normal“ aus, doch eine Photovoltaikanlage, sowie allerhand Gebäudetechnik gibt es dennoch. Die Mietenden beziehen ihren Strom über eine 50-Kilowattpeak Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der prognostizierte Jahresertrag liegt bei 42.000 Kilowattstunden. Das reicht für die Stromversorgung, sagt Fabian Tacke. „Aber für Strom und Wärme reicht die Photovoltaikanlage nicht aus“. Eine Herausforderung die sich vielen urbanen Mehrfamilienhäusern stellen dürfte, denn das Verhältnis von verfügbarer Dachfläche zu Bewohnern, ist bei solchen Gebäuden eher ungünstig.

KlimaGut ist nicht selbst Eigentümer der Photovoltaikanlage. Betrieb, Wartung aber vor allem Abrechnung und steuerrechtliche Angelegenheiten übersteigen schnell die Kapazitäten von kleinen und mittleren Immobilienunternehmen. Wer Mieterstrom anbieten möchte lagert das Mieterstromgeschäft in eine Tochtergesellschaft aus, oder wie bei KlimaGut, beauftragt einen externen Dienstleister. In diesem Fall ist es die Berliner Energieagentur, die die Anlage betreibt. Durch das Mieterstromangebot BEA-Kiezstrom liegen die Stromkosten 20 Prozent unter dem örtlichen Grundversorgertarif, sagt die Energieagentur.

Für die Wärmeversorgung installierte die Energieagentur ein Blockheizkraftwerk. Der Brennstoff dafür kommt aus dem Gasnetz, wobei der Vertragspartner allerdings ein echter Bio-Gas-Lieferant ist. „Der produziert nur aus Resten, die bei der Zuckerrübenproduktion anfallen“, sagt Tacke. Mit einer Leistung von 22 Kilowatt werden die 42 Wohnungen so beheizt. Und das sogar unter dem Berliner Heizkostenspiegel. Der lag im Januar bei 1,20 pro Quadratmeter. In Tackes Haus in Hohenschönhausen sollen es 0,80 Euro für die gleiche Fläche sein.

Einen Haken hat die Sache aber doch – das System ist nicht unendlich skalierbar. Um auch wirklich klimaschonend zu sein, muss das Biogas aus Pflanzenabfällen und nicht aus Energiepflanzen entstehen. Da aber nur eine bestimmte Menge an Pflanzenresten aus der Landwirtschaft anfällt kann auch nur eine bestimmte Menge Biogas dieser Herkunft bezogen werden. Die Wärmepumpe als Alternative ist aber gerade im dicht bebauten urbanen Raum nicht immer verfügbar. Geräte, die die Umgebungsluft als Wärmequelle nutzen, können zu viele Geräusche entwickeln. Für Sole-Wärmepumpen für Mehrfamilienhäuser benötigen Bauherren um die zehn bis zwanzig Quadratmeter Platz für eine Sondenbohrung. Die sind nur selten zu haben.

Die geringen Heizkosten, für die Bewohner des Hauses in Hohenschönhausen, sind nicht nur das Resultat des Blockheizkraftwerks, sondern auch auf die Dämmung gemäß dem KfW-55 Standard zurückzuführen. Wie sich zumindest in Berlin zeigt, muss es kein Passivhausstandard sein, um möglichst klimafreundlich dazustehen. Ein höherer Dämmstandard senkt zwar die Heizkosten verursacht, aber auch höhere Baukosten, sagt Tacke. Die waren in Hohenschönhausen vergleichsweise gering. Einige Wohnungen konnten im Januar noch bezogen werden. Auf entsprechenden Vermittlungsseiten im Internet wurde die Netto-Kaltmiete mit knapp über 12 Euro pro Quadratmeter angegeben. Für das Jahr 2021 lag der Berliner Mietspiegel für diese Fläche bei 15,30 Euro.

Im Preis mitinbegriffen sind auch zwei Ladesäulen für Elektroautos, damit niemand Verlängerungskabel aus dem Küchenfenster legen muss. „Was die technische Ausstattung angeht ist das Haus ansonsten eher konventionell gebaut“, sagt Tacke. Mietende die vorher um die Jahrhundertwende entstandene Altbauten bezogen haben könnten sich anfänglich mit der Entlüftungsanlage schwertun. Doch solche Systeme wären in Neubauten aktueller Standard. Ansonsten fühlt es sich an wie jedes andere Haus. Das zeigt sich auch an den Mietenden, die in erster Linie nach Wohnraum und nicht nach Klimaschutz gesucht haben. „Dass dieses Haus klimaneutral ist und aus Holz gebaut wurde hat sicherlich einige Mieter besonders gefreut, aber der Berliner Wohnungsmarkt ist so angespannt, da freut man sich einfach, wenn man eine bezahlbare Wohnung gefunden hat“, sagt Tacke.

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