Bundeskabinett einigt sich auf Energiepreis-Entlastungspaket

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Das Bundeskabinett hat jetzt ein Maßnahmenpaket beschlossen, mit dem die Bürger angesichts der hohen Energiepreise finanziell entlastet werden. Zudem erhöhen SPD, Grüne und FDP die Schlagzahl bei der Wärmewende.

Konkret ist vorgesehen, dass alle einkommenssteuerpflichtigen Erwerbstätigen einmalig eine Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro als Zuschuss zum Gehalt erhalten. Um besondere Härten für Familien abzufedern, soll schnellstmöglich für jedes Kind ergänzend zum Kindergeld ein Einmalbonus in Höhe von 100 Euro über die Familienkassen ausgezahlt werden. Der Bonus wird auf den Kinderfreibetrag angerechnet. Die bereits beschlossene Einmalzahlung von 100 Euro für Empfänger von Sozialleistungen soll um 100 Euro pro Person erhöht werden. Bei der Neubemessung der Sätze sollen künftig höheren Energiepreise berücksichtigt werden.

Zudem will die Bundesregierung noch in diesem Jahr einen Auszahlungsweg für Direktzahlungen an die Bürger über die Steuer-ID entwickeln. Das bereitet den Boden für eine Klimaprämie, als verbrauchsunabhängige Kompensation etwa der CO2-Bepreisung.

Die Energiesteuer auf Sprit wollen die Ampel-Koalitionäre auf das europäische Mindestmaß absenken. Benzin soll so um 30 Cent pro Liter und Diesel um 14 Cent pro Liter günstiger werden. Auch wer kein Auto hat, soll profitieren: Alle Bürger sollen künftig für neun Euro im Monat befristet auf 90 Tage ein Dauerticket für den öffentlichen Nahverkehr erwerben können. Dazu will der Bund den Ländern die nötigen Mittel bereitstellen.

Die ursprünglich für Anfang 2025 vorgesehene verpflichtende Erneuerbaren-Quote für neue Heizungen soll auf 2024 vorgezogen werden. Ab diesem Jahr ist nur noch der Einbau von Anlagen zulässig, die zu mindestens 65 Prozent erneuerbare Energien nutzen. Das bedeutet de facto ein Verbot neuer Öl- und Gaskessel – und einen Booster für Wärmepumpen und Holzheizungen. Ambitioniertere Vorgaben gibt es auch für den Neubau: Bereits ab Anfang 2023 soll der Effizienzstandard 55 vorgeschrieben werden.

„Bloßes Potpourri von Ampel-Wünschen“

„Die Menschen von den galoppierenden Energiepreisen zu entlasten, ist richtig. Die Vorschläge sind aber ein bloßes Potpourri von Ampel-Wünschen und daher wenig zielgerichtet und effektiv“, kommentiert der bau- und wohnungspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jan-Marco Luczak. Im Gebäudebereich sei das Paket eine herbe Enttäuschung. So sei etwa die Pflicht, neue Heizungen bereits ab 2024 mit 65 Prozent Erneuerbaren Energien zu betreiben, unrealistisch und unausgereift. Alternative Brennstoffe und die nötige Infrastruktur werden in weniger als zwei Jahren ganz sicher nicht flächendeckend zur Verfügung stehen. „Damit ist die Regelung eine Sanierungspflicht durch die Hintertür“, so Luczak.

Eigentümer hätten faktisch nur die Möglichkeit, auf Niedertemperaturheizungen wie Wärmepumpen auszuweichen, die mit Strom betrieben werden. Um diese ökonomisch und ökologisch sinnvoll zu betreiben, braucht man aber Flächenheizkörper wie eine Fußbodenheizung. Es bleibt also nicht beim Austausch der Heizung, sondern weitere bauliche Maßnahmen und Investitionen sind faktisch zwingend ebenso erforderlich. „Das macht das Bauen und letztlich das Wohnen und Mieten teuer“, sagt der CDU-Politiker.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sieht in dem Maßnahmenpaket einen halben Schritt in die richtige Richtung – nötig seien aber zwei Schritte. „Benzin und Diesel müssen auf deutlich unter zwei Euro gedrückt werden. Davon sind wir mit diesen halbherzigen Maßnahmen weit entfernt“, so Aiwanger. Zusätzlich zur Absenkung der Energiesteuer müssten auch CO2-Abgabe und Mehrwertsteuer gesenkt werden, um dieses Ziel zu erreichen.

Klimaschützer kritisieren Kompromiss

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisiert das Paket als „mangelhaft und teils sogar kontraproduktiv“. So heize die Bundesregierung mit dem Tankrabatt den Spritverbrauch und die Abhängigkeit von Russlands Öl sogar noch an. Mit einem Einmal-Steuerbonus würden keine Anreize für Bürgerinnen und Bürger gesetzt, weniger Öl- und Gas zu verbrauchen. Die Maßnahmen im Gebäudebereich kämen viel zu spät.

Greenpeace dagegen sieht neben Schatten auch Licht. So setze die Senkung der Ticketpreise für den öffentlichen Nahverkehr auf neun Euro pro Monat einen starken Anreiz zu einer klimafreundlichen Mobilität, sagt Martin Kaiser, Geschäftsführender Vorstand Greenpeace Deutschland. „Aber die Ampel versäumt durch den Verzicht auf ein Tempolimit, autofreie Sonntage sowie eine Homeoffice-Pflicht, die Energieabhängigkeit von Putin sofort deutlich zu reduzieren.“

Der Ausstieg aus dem Heizen mit Gas begrüßt Kaiser im Grundsatz – fordert aber, dass ab 2024 jede neue Heizung zu 100 Prozent mit erneuerbaren Energien arbeiten müsse. Für Neubauten sollte das sogar ab sofort gelten. Desweiteren kritisiert er, dass nur einkommenssteuerpflichtige Erwerbstätige in den Genuss der Energiepreispauschale werden kommen, während Erwerbslose ausgenommen sind. Von der Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe profitieren vor allem Vielfahrende. „Diese Maßnahmen sind wenig sozial ausgewogen und in hohem Maße unökologisch. Die Ampel hat die Chance verpasst, ein sozial gerechtes Energiegeld für alle zu schaffen”, so der Greenpeace-Chef.

Nach Ansicht des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) hat es die Regierung verpasst, eine wirkliche Zeitenwende für sozial gerechte und klimafreundliche Mobilität und sparsame Energienutzung einzuläuten. „Angesichts der historischen geopolitischen Zäsur sollte sich die Regierung trauen, über ihren Koalitionsvertrag hinauszudenken“, sagt BUND-Geschäftsführerin Antje von Broock. „Statt von einem FDP-Vorschlag zum nächsten zu taumeln, sollten Bundeskanzler Scholz und sein Vize Habeck zumindest mutig das vorantreiben, was zwischen ihnen längst Konsens ist. Das Bürgerenergiegeld war auch schon vor Kriegsausbruch eine richtige Idee. Angesichts der Großkrisen unserer Zeit enttäuscht dies sehr.“

BEE begrüßt Regelungen zur Fernwärme

Der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE) sieht vor allem die geplanten Regelungen im Gebäudesektor positiv. „Im Hinblick auf das im Koalitionsvertrag bereits formulierte 50-Prozent-Ziel der Erneuerbaren Wärmeerzeugung begrüßen wir, dass im Entlastungspaket auch die Umstellung der Fernwärme auf 50 Prozent Erneuerbare Energien bis zum Jahr 2030 konkret adressiert wird“, sagt BEE-Präsidentin Simone Peter.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) unterstützt das Ziel, die Bezugsquellen von Energie zu diversifizieren und den Hochlauf von grünen Gasen – etwa Wasserstoff oder Biomethan – zu beschleunigen, ohne seine Verwendungsbereiche zu weit einzuschränken. Neben dem Aufbau internationaler Handelsbeziehungen müssten dabei die Potenziale der Wasserstoffwirtschaft vor Ort stärker berücksichtigt werden“, sagt VKU-Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing.

„Vor allem für die Wärmewende beinhaltet das Paket erhebliche Verbesserungen“, urteilt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft (bne). Auch die Ausrichtung des Bundesprogrammes für effiziente Gebäude auf Treibhausgas-Emissionen und die angekündigte Wärmepumpen-Offensive sei genau richtig. „Was in dem Paket allerdings fehlt, ist ein sofortiger konsequenter Förderstopp für Erdgas in der Wärmeversorgung, von der Einzelheizung bis hin zur Erdgas-Kraft-Wärme-Kopplung. Die weiterlaufende Förderung von Erdgasheizungen führt jeden Tag in zahllosen Kellern zu immensen Fehlinvestitionen“, so Busch.

„Kraftvolles Entlastungspaket mit gewichtigen energiepolitischen Weichenstellungen“

Die Deutsche Energie-Agentur dena lobt das Maßnahmenbündel als „kraftvolles Entlastungspaket mit gewichtigen energiepolitischen Weichenstellungen“.  Insbesondere die unbürokratischen Einmalzahlungen an Erwerbstätige, Familien und Bezieher von Transferleistungen sowie die Stärkung des Öffentlichen Nahverkehrs mit dem Neun-Euro-Ticket für alle adressieren die zu Grunde liegenden Probleme zielgenau, sagt dena-Chef Andreas Kuhlmann. „Die Energiepreispauschale in Ergänzung mit dem Kindergeldzuschuss mögen nicht für alle Kostensteigerungen ausreichen, sie soll aber schnell und unbürokratisch über die Lohnzahlungen abgewickelt werden. Dass festgelegt wurde, für derartige Situationen nun endlich einen direkten  Auszahlungsweg über die Steuer-ID  zu finden, ist eine wegweisende Veränderung“, so Kuhlmann.

Anmerkung der Redaktion: Wir ergänzen den Text laufend um weitere Stellungnahmen.

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