Serie – Wahlprüfsteine Energie und Photovoltaik: Freie Demokratische Partei

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Wie möchte die FDP gleichzeitig an einem 1,5 -Grad-Ziel festhalten, aber das Datum für das Erreichen der Klimaneutralität nicht auf einen Zeitpunkt vor 2050 legen?

Das EU-Ziel der Klimaneutralität 2050 wollen wir auf Basis neuer IPCC-Sachstandsberichte fortlaufend überprüfen. Im Sonderbericht 1,5 Grad wurde zur globalen Klimaneutralität bis circa 2067 geraten. Wir halten es für sinnvoll und zielführend, wenn reiche Industrieländer schneller vorangehen, weshalb wir das Ziel der europaweiten Klimaneutralität bis 2050 unterstützen. Vom 6. Sachstandsbericht lieg bisher nur der erste Teil vor, der sich mit den naturwissenschaftlichen Grundlagen des Klimawandels beschäftigt und aus dem allein noch kein früheres Ziel abgeleitet werden kann. In diesem Kontext ist der dritte Teil besonders relevant, der sich mit der Minderung des Klimawandels befasst. Um seriös Konsequenzen abzuleiten, werden wir die Veröffentlichung dieses dritten Teils abwarten. Sollte Klimaneutralität in der EU aufgrund der neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse des IPCC früher angestrebt werden, kann der Emissionshandel die Zielerreichung weiterhin garantieren, indem der Senkungspfad angepasst wird.

Wie stellt sich die FDP vor, den Emissionshandel global auszuweiten? Wie schnell soll das gehen? Was soll geschehen, wenn es keine (zeitnahe) globale Einigung gibt? 

Global betrachtet existieren bereits zahlreiche CO2-Märkte. Neben dem EU-Emissionshandelssystem sind zum Beispiel auch in Japan, Kanada, Neuseeland, Südkorea und den Vereinigten Staaten auf nationaler oder subnationaler Ebene solche Systeme in Betrieb oder werden gegenwärtig entwickelt. Vor einigen Tagen eröffnete auch China den weltweit größten Emissionshandel. Beim Aufbau eines weltweiten Emissionshandels wollen wir schrittweise vorgehen. Zunächst gilt es eine Ausweitung des EU-Emissionshandels auf alle Sektoren und Klimagase auf europäischer Ebene (und, falls es hier zu Verzögerungen kommt, zunächst in Deutschland) vorzunehmen. Perspektivisch befürworten wir, dass die bestehenden Einzelsysteme Schritt für Schritt miteinander verknüpft und geografisch ausgeweitet werden. Ein globaler Emissionshandel ist auch aus entwicklungspolitischer Sicht sinnvoll, da Staaten ohne nennenswerte Treibhausgasemissionen ihre Zertifikate verkaufen und das Geld in Maßnahmen zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels investieren könnten.

Was soll passieren, wenn es keine Einigung auf europäischer Ebene gibt? Wie lange soll man in Europa auf eine Einigung warten? 

Der EU-Emmissionshandel sollte nach unserer Ansicht schnellstmöglich auf alle Sektoren ausgeweitet werden und dieses Vorhaben sollte noch in dieser Legislaturperiode des Europäischen Parlaments Priorität haben. Wenn sich diese europaweite Ausweitung des Emissionshandels verzögert, sollte Deutschland als Vorbild vorangehen und den Verkehr und die Gebäude zunächst auf nationaler Ebene und nach Möglichkeit auch mit weiteren interessierten Partnern in den EU-Emissionshandel integrieren. Das EU-Recht sieht diese Möglichkeit der unilateralen Ausweitung explizit vor.

Hat die FDP die notwendige Verknappung der Zertifikate für ein 1,5°-Ziel bereits modelliert? Welcher CO2-Preis ergibt sich daraus? 

Die Menge der Zertifikate ist gemäß der Pariser Klimaschutzverpflichtungen hin zu einer CO2-neutralen Wirtschaft kontinuierlich, vorhersehbar und konsequent zu verringern. Die Verknappung der Zertifikate muss nach einer Ausweitung des Emissionshandels so angepasst werden, dass die Klimaziele garantiert erreicht werden. Kurzfristig setzen wir uns im aktuellen System für eine Steigerung des Reduktionsfaktors von 2,2 auf 3 Prozent ein.

Die Preisentwicklung ist schwer zu prognostizieren, da er sich durch Angebot und Nachfrage reguliert. Derzeit liegt der Preis bei 55 Euro pro Tonne CO2 – in einer Studie der Wirtschaftsweisen wird davon ausgegangen, dass sich der Preis zu Beginn nicht deutlich abweichend vom derzeitigen Entwickeln würde, weil vor allem im Bereich Wärme und Verkehr eine hohe Flexibilität abrufbar ist. Konkret wird eine Preisspanne von 55 bis circa 70 Euro pro Tonne CO2 genannt. Die EU-Kommission ist in ihrem Impact Assessment zum Fit-for-55-Paket zu einem ähnlichen Ergebnis gelangt. Letztlich wird der Preis jedoch durch eine Reihe von Faktoren beeinflusst, wie zum Beispiel durch Wetterlagen, Heizverhalten, Verkehrsentwicklung, Preis im Gasmarkt etc.

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung veröffentlichte am 9. September eine Plausibilitätsanalyse der Wahlprogramme. Um eine Lenkungswirkung bei den Sektoren Verkehr und Wärme zu erhalten, geht die leitende Autorin der Studie, Claudia Kemfert von einem CO2-Preis von 200 bis 400 Euro aus. Sollte Frau Kemfert und nicht die Wirtschaftsweisen recht bekommen, würde die FDP in diesen Sektoren CO2 mit 400 Euro pro Tonne bepreisen? Wenn nicht, was würde die FDP stattdessen tun, und wo liegt die Grenze ab wann die FDP von einer CO2-Bepreisung als einziges Steuerelement absehen würde?

In dem von uns vorgeschlagenen System legt der Staat keinen Preis für die Tonne CO2 fest, sondern der Preis bildet sich durch Angebot und Nachfrage am Markt für Zertifikate. Im Kern erreichen wir unseren Reduktionspfad durch die stetige Verknappung der Zertifikate im Sinne eines gesetzlichen CO2-Limits – und nicht durch politische festgelegte CO2-Preise für einzelne Sektoren, von denen wir uns eine ganz bestimme Lenkungswirkung erhoffen, wie es Frau Kemfert tut.

Zu beachten ist auch, dass wir einen einheitlichen, sektorenübergreifenden Emissionshandel anstreben. In einem solchen System orientiert sich der Preis an den unteren Vermeidungskosten, da Emissionsminderung zunächst vorrangig in den Sektoren mit günstigen Vermeidungskosten stattfinden. Der Preis würde also langsam und gerade nicht schockartig ansteigen, da von den Marktteilnehmern zunächst die preisgünstigen Lösungen zur Emissionsminderung ausgeschöpft werden.

Ein höherer CO2-Preis lässt auch die Preise für Wärme, Energie und Mobilität steigen. Gibt es einen Plan für sozialen Ausgleich, der sich vor allem an einkommensschwache Bevölkerungsschichten richtet?

Sie haben recht, dass eine CO2-Bepreisung mit sozialen Kosten einhergeht, die es abzumildern gilt. Wir schlagen vor, eine Klimadividende einzuführen und die Energiebesteuerung drastisch abzusenken. Die Finanzierung soll aus den Einnahmen des Emissionshandels erfolgen. Konkret wollen wir die EEG-Umlage abschaffen und die Stromsteuer auf das europarechtlich mögliche Mindestniveau absenken und perspektivisch komplett streichen. Die Klimadividende soll in Form eines jährlich zu berechnenden, pauschalen Betrages pro Kopf aufgezahlt werden, um Aufkommensneutralität zu gewährleisten.

Erst kürzlich hat das Mercator Institute for Climate Change and Global Commons (MCC) eine sehr interessante Studie veröffentlicht, in der die Vorschläge der Parteien dahingehend untersucht wurden, welche Entlastung für verschiedene Einkommensgruppen ermöglicht werden. Im Ergebnis wurde festgehalten, dass die „Klimadividende“ der FDP zu den Konzepten gehört, die zu den höchsten Entlastungen in der Unter- und Mittelschicht führen und daher Klimaschutz und sozialen Ausgleich am besten miteinander verbinden

In der Studie heißt es konkret: „Eine Pro-Kopf-Rückerstattung nützt den einkommensschwächsten Haushalten am meisten, da sie weniger CO2-intensive Güter nutzen und kleinere Wohnungen beheizen, und führt dort im Durchschnitt für diese Gruppe sogar zu einer Netto-Entlastung. Auch im Durchschnitt der einkommensstärkeren Haushalte gibt es dann nur eine geringe Netto-Belastung. […] Zwar wird besonders klimaschädliches Verhalten verteuert und damit unattraktiv – das ist ja auch ihr Zweck. Aber die CO2-Bepreisung bürdet, wenn sie durch kluge Kompensation ergänzt wird, keineswegs einer ganzen sozioökonomischen Gruppe übermäßige Lasten auf, ganz im Gegenteil.“

Welchen Anteil an erneuerbare Energie, vor allem Photovoltaik, will die FDP bis 2030 erreichen? 

Ausbauziele lehnen wir ab, denn sie sind industriepolitisch motiviert. Den Fokus auf den Stromsektor zu legen, lenkt davon ab, dass für das Erreichen der Pariser Klimaziele allein die Reduktion von Treibhausgasen entscheidend ist, wobei es unerheblich ist, wo diese Einsparungen erzielt werden.  Den Ausbau der Erneuerbaren Energien halten wir ohne Frage für einen wichtigen Baustein, wir sind jedoch der Ansicht, dass wir künftig ganzheitliche Lösungen und Instrumente für die Energiewende benötigen. Diese muss sektorenübergreifend und europäisch angelegt sein. Nationale Ausbauziele sind dementsprechend unflexibel und ineffizient. Das Energiesystem wollen wir stärker durch marktwirtschaftliche Rahmenbedingungen steuern und einen für alle Sektoren einheitlichen CO2-Preis ins Zentrum stellen.

Das EEG soll bei der FDP abgeschafft werden. Wie soll die Marktfinanzierung der erneuerbaren Energieträger ablaufen?

Ein steigender CO2-Preis wird fossile Energie weiter unattraktiv machen und dazu führen, dass der Zubau erneuerbarer Energien stärker Nachfrage-getrieben erfolgt. Nur so gelingt ein echter Wettbewerb zwischen emissionsarmen Energieträgern. Wir unterstützen darüber hinaus Vermarktungsformen jenseits der EEG-Förderung wie Langfristlieferverträge (PPA) und Herkunftsnachweise (HkN) für die grüne Eigenschaft erneuerbaren Stroms. Unser Ziel ist es, dass sich immer mehr Anlagen ohne EEG-Förderung refinanzieren.

 

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