EEG und Smart Meter: Bundestag nicht überzeugt, BMWi muss Nachsitzen

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Und wieder mal ist ein neues EEG ausverhandelt. Jede EEG-Novelle hat dabei ihre eigenen Schwerpunkte. Unter den Top-Themen der diesjährigen Verhandlungsrunde war die Zukunft der Smart Meter. Während rund um das Digitalisierungsgesetz der Energiewende im Jahr 2016 kaum jemand Notiz von der Einführung der digitalen Zähler nahm, wurden die Regelungen diesmal rege diskutiert. Und das Ergebnis dieser Debatten ist mehr als heiße Luft. Denn während der Regierung weitreichendere Einbaupflichten bei Photovoltaik-Betreibern geplant hatte, waren die Parlamentarier von dieser Idee schwer zu überzeugen.

Smart-Meter-Zwangsbeglückung ab 1 Kilowatt erstmal abgewendet

So sieht das EEG 2021, anders als im Regierungsentwurf ursprünglich noch angedacht, nun doch keine Smart-Meter-Pflicht für 1 Kilowatt-Anlagen vor. Da das zuständige Bundeswirtschaftsministerium (BMWi) die Parlamentarier nicht von der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit dieser Maßnahme überzeugen konnte, wurde diese Regelung im Sinne der Solarbetreiber entschärft. Die Einbaupflicht gilt nun erstmal, wie auch im Messstellenbetriebsgesetz, erst ab einer Anlagengröße von 7 Kilowatt. Auch bei der Steuerbarkeit konnten die Bestimmungen gegenüber den Vorstellungen aus dem BMWi entschärft werden. Gleichwohl man sich im Markt über die Sinnhaftigkeit der neu gewürfelten Kilowatt-Grenze nur wundern kann: Für Photovoltaik-Anlagen, die kleiner als 25 Kilowatt sind, ist in der Regel keine Steuerung vorgesehen. Und bis intelligente Messsysteme mit Steuerbarkeit zur Pflicht werden, gibt es für Neuanlagen weiterhin die Möglichkeit von der sogenannten 70 Prozent-Regel Gebrauch zu machen, das heißt die maximale Wirkleistungseinspeisung auf 70 Prozent der installierten Leistung zu begrenzen.

Hintertüre bleibt offen

Also alles entspannt? Keineswegs. Denn der Ball liegt damit wieder bei der Exekutive. Das Ministerium hat sich mit einer Verordnungsermächtigung eine Hintertüre offengelassen. Für Photovoltaik-Anlagen mit einer installierten Leistung von weniger als 25 Kilowatt darf das Ministerium nun direkt regeln, welche Anlage mit intelligenten Messsystemen ausgestattet werden muss. Dafür dürfen in der Verordnung auch „kostenschützende Regelungen“ angelehnt an die Preisobergrenzen definiert werden. Bis spätestens Juni 2021 wird diese Verordnung, die dann nochmal vom Deutschen Bundestag abgesegnet werden muss, wohl kommen. Das Spiel geht also weiter.

Nachsitzen dient auch dem Nachdenken

Es wäre zu hoffen, dass das Wirtschaftsministerium die Zeit des Nachsitzens allerdings zum Nachdenken nutzt. Seit 2016 wurden von Solarbetreibern immer wieder Unverständnis am geplanten Smart-Meter-Rollout laut. Als Com-Metering haben wir zusammen mit dem PV-Forum wiederholt Erhebungen vorgelegt, die zeigen, dass Solarbetreiber den Nutzen der Smart Meter nicht nachvollziehen können, gleichwohl sie die Mehrkosten für den Zählerbetrieb zu tragen haben. Auf rund eine Milliarde Euro summieren sich die Mehrgebühren, die die Betreiber in den kommenden Jahren als Invest in die digitale Infrastruktur leisten müssen. Die Ablehnung ist schon hoch, obwohl der Rollout im Photovoltaik-Bereich noch nicht mal begonnen hat.

Warum nun auch Photovoltaik-Anlagen mit einer Leistung von einem Kilowatt mit Smart Metern ausgestattet werden sollten, die vergleichbare Stromflüsse produzieren, wie ein handelsüblicher Föhn oder Staubsauger, ist da schwer vermittelbar. Das Kosten-Nutzen-Verhältnis erschließt sich energiewirtschaftlich nicht. Und das schon gar nicht, wenn man dafür auch noch die Rechnung bezahlen soll. Das haben auch die Parlamentarier im Deutschen Bundestag erkannt.

Top-down-Strategie wirkt nicht mehr zeitgemäß

Insgesamt konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass die Digitalisierung der Energiewende blind von oben nach unten gedacht und konzipiert ist. Es zählt die Netzperspektive. Und am Ende der Leitung hängen gemäß der verbreiteten, alten Denkweise des konventionellen Energiesystems die kleinen, passiven Netzanschlussnutzer. Seitens der Regulatoren wird und wurde der Perspektive dieser Vielen bislang offenbar eine sehr kleine Aufmerksamkeit geschenkt, wenn es um die Konzeption des Energiemarktes geht. Während Eon und andere einflussreiche Akteure Big Data als Werttreiber in der Energieversorgung erkannt haben und erfolgreich versuchen, die Smart Markets der Zukunft zu gestalten, interessiert sich kaum jemand für die Belange der Photovoltaik-Betreiber.

2 Millionen Photovoltaik-Anlagen gibt es inzwischen in Deutschland und genau diese Betreiber bilden mehr und mehr das Rückgrat für ein klimaneutrales Land. Es würde nicht schaden, wenn sich die Energiemarktregulatoren mehr damit befassen würden, wie diese Marktakteure ticken, wie man sie erfolgreich ins Energiesystem integrieren kann und welchen Nutzen man mit einer digitalen Messinfrastruktur auch für die stiften kann, die das alles bezahlen. Es geht schließlich um nichts weniger, als darum, die ebenfalls im EEG verankerten Ausbau- und Klimaziele zu erreichen. Und dafür gilt es noch viele Millionen Dachbesitzer für ihren Beitrag zum Photovoltaik-Ausbau zu begeistern. Das wäre smart.

Smart Meter kommen 2021

Das BMWI wurde in seiner Top-down-Strategie bei Smart Metern vom Parlament vorerst gebremst. Aber der Rollout kommt. Denn mit dem Beschluss des EEG sollten nun auch die juristischen Hürden ausgeräumt sein, die den Rollout-Start für Photovoltaik-Anlagen in diesem Jahr noch verzögert hatten. Für Ende Januar 2021 ist eine Markterklärung zu erwarten, die dann den Startschuss für den Pflichteinbau bei den meisten Photovoltaik-Anlagen ab 7 Kilowatt gibt. Ab dann gilt für viele Photovoltaik-Betreiber, dass jederzeit der Brief des grundzuständigen Messstellenbetreibers ins Haus flattern kann, mit dem der Zwangseinbau verkündet wird.

EEG-Novelle 2021 als Weckruf?

Vielleicht wirkt der Pushback aus dem Parlament aber als Weckruf an die Regulatoren im Wirtschafsministerium, die Perspektive der Solarbetreiber endlich ernster zu nehmen. Sei es, indem mehr sinnvolle Anwendungen möglich gemacht werden, eine überzogene Kleinteiligkeit verhindert wird oder indem die immer wieder angekündigten Fördertöpfe für die erhöhten Kosten und die erforderlichen, kostspieligen Umbauten der Zählerschränke in die Tat umgesetzt werden.

Nachsitzen gilt nicht umsonst als eine Maßnahme des sozialen Lernens. Vielleicht ist das implizit auch die Botschaft der Beschlüsse der Bundestagsabgeordneten. Ob es wirkt, werden wir schon bald wissen.

— Der Autor Fabian Zuber ist Mitinitiator von Com-Metering, einem gemeinschaftlichen Messstellenbetreiber für Photovoltaik-Anlagenbetreiber. Er ist seit 2005 im Bereich Erneuerbare Energien unterwegs, unter anderem für First Solar, den Deutschen Bundestag, das Bündnis Bürgerenergie und die Reiner Lemoine Stiftung.—

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