Kohlekompromiss führt zu gemischten Reaktionen

Kohle-Tagebau mit Windanlage

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Umweltverbände wie BUND, DNR und Greenpeace begrüßen den „Einstieg in den Ausstieg“ aus der Kohleverstromung, wie ihn die Kohlekommission in ihrem Abschlussbericht skizziert hat. Der jahrelange Stillstand in der deutschen Klimapolitik werde damit aufgebrochen und der überfällige Ausstieg aus der Kohle einleitet. Die schnelle Umsetzung dieser Beschlüsse müsse jetzt die vorrangige Aufgabe der Bundesregierung sein. Das Ergebnis sei jedoch ein Kompromiss und reiche für den Klimaschutz nicht aus. Greenpeace-Geschäftsführer Martin Kaiser kritisiert explizit den vorgesehenen Zeitplan: „Dieser Ausstieg kann und muss deutlich vor 2038 abgeschlossen werden. Anders wird der schwelende Kohlekonflikt nicht befriedet und der Protest der wachsenden Klimabewegung nicht enden.“

Auch die Deutsche Umwelthilfe (DUH) weist darauf hin, dass die Empfehlungen der Kommission nicht genügen, um die Klimaziele von Paris zu erreichen. Neben einer wirksamen rechtlichen Umsetzung der Kommissions-Empfehlung seien ein beschleunigter Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze sowie anspruchsvolle Klimaziele für den Verkehrs- und Gebäudebereich notwendig. Diese Position vertritt auch Patrick Graichen, Direktor Agora Energiewende: „Kohleausstieg, Versorgungssicherheit und bezahlbare Energie gemeinsam wird es nur geben, wenn die Bundesregierung sich unverzüglich daran macht, den Ausbau der Erneuerbaren Energien von heute 38 Prozent bis 2030 auf 65 Prozent an der Stromversorgung zügig umzusetzen, den Ausbau des Stromnetzes energisch voranzutreiben, und den Strommarkt so zu flexibilisieren, dass die notwendigen Backup-Gas-Kraftwerke im Markt entstehen können.“ Wenn der Regierung das gelinge, werde der Kohleausstieg weder die Strompreise erhöhen noch die Risiken für die Versorgungssicherheit. Vor diesem Hintergrund lobt der Bundesverband Erneuerbare Energie, dass die Kommission das 65-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien in der Stromversorgung bis 2030 nochmals bekräftigt habe.

„Zwar gibt der Kompromiss die Möglichkeit zu einer mehr oder minder schmerzarmen Beendigung der energiewirtschaftlichen Vergangenheit“, gibt Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft, zu bedenken: „Doch dem Abschlussbericht fehlt ein kräftig gezeichnetes Bild einer neuen Energiewirtschaft, an dem möglichst breite Teile der Bevölkerung teilhaben können, insbesondere auch die, die bisher nur die Kosten getragen haben.“

Der Bundesverband der Energie und Wasserwirtschaft (BDEW) begrüßt den Kompromiss: Für den Energiesektor gebe es jetzt einen klaren, realistischen wie auch ambitionierten energie- und klimapolitischen Pfad – im Unterschied zu anderen Wirtschaftsbereichen. Der BDEW habe immer betont, dass ein Kompromiss energiewirtschaftlich verantwortbar sein und die Eigentumsrechte der Unternehmen wahren müsse – beides sehe der Verband erfüllt. Der Energiekonzern RWE jedoch hält das von der Kommission empfohlene Abschlussdatum für die Kohleverstromung 2038 für deutlich zu früh. Deshalb sei es vernünftig, dieses Datum im Jahr 2032 noch einmal einer umfassenden Prüfung zu unterziehen. Dabei sollte dann auch eine energiewirtschaftlich notwendige Verlängerung erwogen werden. Den Wunsch der Kommission, den Hambacher Forst zu erhalten, sieht RWE kritisch. Dies hätte massive Auswirkungen auf die Tagebauplanung, deren technische Umsetzung und die Kosten. Das Unternehmen geht davon aus, dass die Politik das Gespräch zu diesem Thema suchen wird.

Der Braunkohlen-Industrieverband DEBRIV kritisiert, dass der Kompromiss der Kohlekommission dem Industriestandort Deutschland vorzeitig eine wichtige Basis der Stromversorgung entziehe und tief in das soziale Gefüge und die Wertschöpfung in den Braunkohlenrevieren eingreife. „Es ist nochmals zu überdenken, einen wettbewerbsfähigen Industriezweig vorzeitig für das politische Ziel Klimaschutz zu opfern, zumal dieser Industriezweig für weniger als 0,5 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich ist und mit dem Opfer dem globalen Klimaschutz nicht nennenswert gedient wird“, so DEBRIV-Hauptgeschäftsführer Thorsten Diercks.

Auch der Vorstandsvorsitzende der Lausitz Energie Bergbau AG und Lausitz Energie Kraftwerke AG (LEAG), Helmar Rendez, meldet Bedenken an. Das Ausstiegsdatum Ende 2038 sowie die Stilllegung von Kapazitäten in den kommenden Jahren bestätigt werden stelle das Revierkonzept ernsthaft in Frage, der eingeforderte Planungshorizont für den Betrieb der Tagebaue und Kraftwerke im Lausitzer Revier sei damit nicht gegeben. „Derartige Unsicherheiten für unser Unternehmen, unsere Mitarbeiter und die gesamte Region wollten wir mit dem im Jahr 2017 verabschiedeten Lausitzer Revierkonzept vermeiden“, so Rendez.

Bedenken äußert ebenfalls der Verband der Chemischen Industrie (VCI). Die Politik müsse nun Maßnahmen treffen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten und die Strompreise wettbewerbsfähig zu halten: „Auf dem Spiel steht die Wettbewerbsfähigkeit energieintensiver Industrien wie der Chemie. Bezahlbare Energie ist für uns ein Lebenselixier“, so VCI-Hauptgeschäftsführer Utz Tillmann. Er rechnet auch bei einem schrittweise erfolgenden Ausstieg aus der Kohleverstromung mit steigenden Strompreisen für Wirtschaft und Verbraucher.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete den Kompromiss am Montag im ZDF-Morgenmagazin als „Riesenfortschritt“. Die Bundesregierung werde die Forderungen der Kohlekommission sorgfältig prüfen und diese mit den Ministerpräsidenten und den vier Kommissionspräsidenten beraten. Danach solle ein Plan für die notwendigen Gesetze vorgelegt werden. „Es wird zwei große Gesetze geben“, sagte Altmaier – eines für die betroffenen Regionen und eines mit Blick darauf, welches Kraftwerk wann vom Netz genommen werden könne. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) wertet die Ergebnisse der Kohlekommission als ein international gutes Signal. Sie äußerte sich optimistisch, dass der bis 2038 geplante Kohleausstieg keine negativen Auswirkungen auf die Entwicklung der Strompreise und die Beschäftigung in den betroffenen Regionen haben wird.

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