Kohlekommission versagt beim Klimaschutz

Teilen

„Ich will, dass ihr handelt, als würde euer Haus brennen, denn das tut es“, so die 16 jährige Greta Thunberg auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Sie rief dazu auf, den Ausstoß von klimaschädlichen Treibhausgasen wie CO2 so schnell wie möglich zu stoppen. „Ich will, dass Ihr in Panik geratet, dass Ihr die Angst spürt, die ich jeden Tag spüre“. (https://www.tagesschau.de/ausland/thunberg-101.html)

„Die Lösung ist so einfach, dass ein kleines Kind sie verstehen kann: Wir müssen den Ausstoß von Treibhausgasen stoppen.“ (https://youtu.be/M7dVF9xylaw?t=148)

Es ist schon toll, wie einfach und richtig Greta Thunberg die Lösung beschreibt, die diese durch die fossile/atomare Weltwirtschaft reich gewordenen aber gleichzeitig ökologisch blinden Entscheidungsträger in Davos einfach nicht sehen können oder wollen.

Auch im Beschluss der Kohlekommission, die lediglich eine Empfehlung an die Bundesregierung darstellt, ist nichts zu sehen von dieser Dringlichkeit und den einfachen Lösungsstrategien zur Rettung des schon viel zu hoch aufgeheizten Planeten. Erst 2038 soll das letzte Kohlekraftwerk geschlossen werden. Ungeheure Mengen an Klimagasemissionen werden bis dahin weiter aus deutschen Kohlekraftwerken in die schon heute überlastete Atmosphäre ausgestoßen und das nur, weil die verschiedenen Bundesregierungen unter Kanzlerin Merkel den einst erfolgreichen Ausbau der erneuerbare Energien in Deutschland massiv ausgebremst haben. 2030 sollen immer noch die Hälfte der jetzigen Kohlekraftwerke dazu beitragen das Klima weiter zerstören. (https://www.tagesschau.de/multimedia/sendung/bab/bab-4517.html)

Längst könnten die Kohlekraftwerke ohne Versorgungssicherheitsprobleme in Deutschland abgeschaltet sein, wenn es nur den politischen Willen und entsprechende Beschlüsse dazu in den letzten Jahren gegeben hätte. Der Beschluss der Kohlekommission, sofern er denn von der Bundesregierung übernommen wird, wird aber wie bisher nur dazu führen, dass die unflexiblen Kohlekraftwerke weiter den schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien mitsamt ihrer Speichertechnologien blockieren. Zudem werden die Strompreise unnötig lange zu hoch sein. Denn es ist ja genau anders herum als BDI & Co. behaupten. Mit höherem Anteil der Erneuerbaren Energien sinkt der Strompreis, u.a. aufgrund des Wegfalls der hohen Brennstoffkosten. Was längst verschiedene Studien der EU-Kommission, des Ökoinstitutes und der EWG/LUT auch jüngst wieder aufzeigten.
(Kommission: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/?uri=CELEX%3A52016DC0769;
Ökoinstitut: https://www.oeko.de/fileadmin/oekodoc/Stromsystem-II-Regionalisierung-der-erneuerbaren-Stromerzeugung.pdf;
EWG/LUT: http://energywatchgroup.org/wp-content/uploads/2018/12/EWG-LUT_Full-Study_Energy-Transition-Europe.pdf)

Doch BDI & Co haben in einer Stellungnahme mit zweifelhaftem wissenschaftlichem Hintergrund wie immer das Gespenst der Strompreissteigerungen an die Wand gemalt und auch deshalb einen Ausgleich für angebliche steigende Strompreise durchgesetzt. Die Deutsche Welle hatte in einem hervorragend recherchierten Artikel auf die mehr als fragwürdige Rolle des BDI hingewiesen. In der Tat könnte der Kohleausstieg zu steigenden Stromkosten führen, wenn er mit klimaschädlichen Erdgaskraftwerken, statt mit erneuerbaren Energien kompensiert wird. Offensichtlich sieht der BDI genau dies als Kohleausstiegsstrategie, ganz im Sinne seiner potenten Mitgliedsunternehmen aus der Erdgaswirtschaft, deren Tätigkeiten nicht nur klimaschädlich, sondern auch geopolitisch vollkommen verantwortungslos sind. (https://www.dw.com/de/t%C3%A4uschen-industrieverb%C3%A4nde-kohlekommission-und-%C3%B6ffentlichkeit-bdi-dihk-bda-lobbyismus-wirtschaft/a-47233432)

Dass nun 40 Milliarden Euro an Unterstützung in den Strukturwandel der Kohle-Regionen gesteckt werden sollen, ist ein gutes Ergebnis, wenn es denn tatsächlich in klimaschützende Investitionen fließen sollte. Dazu muss ein Umstieg auf 100 Prozent erneuerbare Energien gehören, an Stelle neuer Erdgaskraftwerke. Der schon jahrzehntelang ausbleibende, großflächige Ausbau der Schieneninfrastruktur mit längst überfälligen neuen Schnellbahnstrecken vor allem in den Osten Deutschlands und weiterführend in die von einem ähnlichen Strukturwandel betroffenen Gebiete Polens, des Baltikums und der Ukraine gehört ebenfalls dazu.

Wichtig ist, dass die Gelder für den Strukturwandel auch in das Bildungssystem fließen. Massive Verbesserung der Infrastrukturen und  der Ausbildung des Lehrpersonals an Schulen, Hochschulen und in der Erwachsenenbildung. Nur so kann man der Unwissenheit vieler Entscheidungsträger und in weiten Teilen der Bevölkerung entgegengetreten, der Unwissenheit, wie dringend und existenziell die Herausforderungen des Klimawandels sind und, dass 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 dafür eine unverzichtbare Notwenigkeit darstellen.

Wenn dies alles glaubhaft auf den Weg gebracht wäre, könnte Greta Thunberg ihre Mitschüler und Mitschülerinnen auffordern auch Freitags wieder in die Schule zu gehen. Doch dies eben nicht zu erwarten, u.a. aufgrund des Beschlusses der Kohlekommission. Deshalb ist die Schülerbewegung Fridays For Future als Durchsetzungsmittel weiter dringend notwendig und muss ausgeweitet werden.

Die Bundesregierung könnte natürlich den Beschluss der Kohlekommission als klimapolitisch unzulänglich  zurückweisen und endlich Gesetze auf den Weg bringen, die eine Transformation der deutschen Wirtschaft einleiten, deren klare Zielvorgaben eine Nullemissionswirtschaft mit 100 Prozent Erneuerbaren bis 2030 und eine kohlenstoffsenkende Landwirtschaft sind. Andere, wie jüngst die US-Hauptstadt Washington, D.C. tun dies schon, hier wurde sogar ein Gesetz zur Umstellung auf 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2032 beschlossen. (https://cleantechnica.com/2018/12/28/100-renewable-energy-bill-passes-in-washington-dc/)

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.