Netzausbaubeschleunigungsgesetz zum vierten Mal verfehlt

Teilen

Die Bundesregierung hat vorgestern einen erneuten Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Netzausbaus Übertragungsnetz (NABEG) unter Federführung von Wirtschaftsminister Altmaier vorgelegt. Damit soll es nun endlich gelingen, dass Windstrom aus dem Norden in den Süden gelangen kann. Der Gesetzesentwurf ist mit harten Strafandrohungen für Netzbetreiber, die angeblich verzögern, für Grundstückbesitzer, die angeblich den Netzausbau behindern, und anderen rechtstaatlich bedenklichen Androhungen gespickt.

Der angeblich fehlende Netzausbau wird seit Jahren von der fossilen und atomaren Energiewirtschaft als entscheidendes Argument vorgebracht, um die Drosselung des Ausbaus der Erneuerbaren Energien zu fordern. Angeblich würde es ohne riesigen Netzausbau nicht gelingen, den Windstrom vom Norden in den Süden zu transportieren. Ganz so, als ob der Ausbau der Erneuerbaren Energien nur die Windkraft im Norden sei und nicht auch Windkraft, Solarenergie, Biogas, Wasserkraft, Geothermie im Süden, Norden, Westen und Osten.

Und prompt greifen seit Jahren alle Regierungen unter Kanzlerin Merkel diese Atom-/Kohle-Lobbypropaganda auf und wollen erstmal den großflächigen überdimensionierten Netzausbau organisieren und drosseln schon mal vorsorglich den Ausbau der Erneuerbaren Energien überall im Lande.

Aber so wirkt eben Propaganda: Man formuliert eingängige kurze Sätze mit scheinbar logischen Hintergründen, prompt folgen willfährig große Teile der Medienlandschaft und der Boden für entsprechende politische Entscheidungen ist bereitet.

Diese Methode hat seit 2009 Hochkonjunktur. Damals wurde das Energieleitungsausbaugesetz EnLAG beschlossen. Es wirkte nicht. Dann wurde 2011 das erste Netzausbaubeschleunigungsgesetz Übertragungsnetz (NABEG) beschlossen, als Scheinaktivität um den Atomausstieg glaubhaft erscheinen zu lassen. Es wirkte nicht. Die Verordnung dazu im Jahre 2013 war ebenfalls kein Erfolg, genauso wie 2015. (Übersicht Gesetze)

Und nun wird erneut mit großem Popanz das neue NABEG von Minister Altmaier vorgestellt, der bei allen vorherigen und wirkungslosen NABEGs politisch federführend eingebunden war u.a. als Geschäftsführer der CDU/CSU Bundestagsfraktion oder als Umweltminister.

Dabei ist unter allen fortschrittlichen Energieexperten längst klar, wie die Lösungswege der Integration der Erneuerbaren Energien bei ihrem schnellen Ausbau aussehen. Natürlich spielt dabei auch der Netzausbau eine wichtige Rolle, aber eben doch nur eine untergeordnete Rolle, insbesondere was den überregionalen Netzausbau betrifft.

Die Integration der Erneuerbaren Energien steht auf vier wichtigen Füßen, unter deren Beachtung der Ausbau der Erneuerbaren Energien sehr schnell wachsen kann:

  • Dezentraler Ausbau aller Arten der Erneuerbaren Energien in allen Regionen und nicht nur mit Konzentration auf Windkraft im Norden. Das bedeutet z.B., dass das 10H-Gesetz in Bayern fallen muss, genauso wie die vielen politisch verordneten Bremsen zum Ausbau der Solar- und Windkraft, von Biogas, Wasserkraft und Geothermie.
  • Steuerung des Stromverbrauchs in der Energienachfrage, z.B. über die Sektorenkopplung, also beispielsweise Nutzung von Windkraftstromüberschüssen in der Heizung oder im E-Mobil vor Ort, statt Windkraftabschaltungen oder überdimensioniertem Leitungsausbau.
  • Speicherung der überschüssigen Strommengen für Zeiten der Angebotslücken, mit Batterien, Power to gas, Pumpspeicherkraftwerken, Wärme- und Eisspeichern und anderen zum Teil hochinnovativen neuen Speichertechnologien.
  • Netzausbau Übertragungsnetz, wie auch Verteilnetz: Die großen Potenziale liegen vor allem im Ausbau der Verteilnetze, insbesondere mit Smart Grids.

Die großen Möglichkeiten, die zur Integration eines schnellen Ausbaus der Erneuerbaren Energien mit Speichern und Smart Grids auf der Verteilnetzebene liegen, sind in den letzten Jahren umfangreich in vielen Studien z.B. von den Fraunhofer-Instituten ISE in Freiburg oder IWES in Kassel wissenschaftlich beschrieben worden.

Auch die Deutsche Energieagentur (dena) hat in ihrer 2017 veröffentlichten Netzflexstudie klar die großen Möglichkeiten beschrieben und festgestellt: „Heutige rechtliche und regulatorische Vorgaben verhindern eine volkswirtschaftlich optimale Nutzung von Flexibilitäten“.

Dennoch wird an der politischen Behauptung festgehalten, der Ausbau der Erneuerbaren Energien ginge zu schnell, weil der Netzausbau nicht mithalten kann.

Unter dem Strich kommt dabei heraus, dass der Ausbau der Erneuerbaren Energien tatsächlich gedrosselt wird und Scheinaktivitäten wie eben ein neues NABEG in den Bundestag eingebracht werden. Wichtige Regelungen zur Unterstützung der notwendigen Flexibilitätsinvestitionen, wie sie u.a. die dena gefordert hat, setzt Minister Altmaier aber nicht um. Damit bedient er genau die Interessen der Betreiber von Kraftwerken mit Atom, Kohle; Erdgas und Erdöl – allen Klimaschutznotwendigkeiten zum Trotz.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.