Abfallrechtliche Compliance (Teil 4) – Sie betrifft mich, sie betrifft mich nicht: Die insolvenzsichere Finanzierungsgarantie

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Teil vier unserer Beitragsreihe widmet sich ganz der insolvenzsicheren Finanzierungsgarantie nach dem Elektro- und Elektronikgerätegesetz (ElektroG), die Hersteller von PV-Modulen im B2C-Bereich betrifft. Gefordert wird ein Garantienachweis vom Gesetzgeber zur Sicherstellung der Finanzierung der Rücknahme und Entsorgung von B2C-Altgeräten. So soll im Falle eines vorzeitigen Marktaustritts (etwa durch Insolvenz) des Inverkehrbringers betroffener Solarmodule der Anfall so genannter Waisengeräte vermieden werden, deren Entsorgungskosten ansonsten der Gemeinschaft der verbliebenen Herstellern anderer Geräte zur Last fallen würden.

Wer hat eine Finanzierungsgarantie nachzuweisen?

Die Pflicht zum Garantienachweis besteht bei Beantragung von Registrierungen für PV-Module, die als B2C-Geräte anzusehen sind, weil sie als sog. „Dual-use-Geräte“ gelten, die (auch) in privaten Haushalten genutzt werden können (§ 3 Nr. 5 ElektroG). Jedenfalls gibt dies die Europäische Kommission in ihren Auslegungshinweisen zu Elektro- und Elektronikaltgeräten so bislang unangefochten vor. Die meisten Hersteller bzw. Inverkehrbringer von PV-Modulen sind damit von der Pflicht zur Stellung und zum (kalenderjährlichen) Nachweis einer insolvenzsicheren Finanzierungsgarantie der Entsorgungskosten betroffen.

Hersteller von reinen B2B-Geräten hingegen betrifft die Pflicht zum Nachweis einer Finanzierungsgarantie nicht. Um als Hersteller von B2B-Geräten anerkannt zu werden, verlangt die Stiftung EAR eine gesonderte Begründung und Glaubhaftmachung, warum es sich bei den betreffenden Elektro- und Elektronikgeräten um B2B-Geräte handelt. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass sich auch Hersteller von PV-Modulen hierauf erfolgreich berufen können. Darauf kommen wir vielleicht in einem späteren Beitrag noch zurück.

Anforderungen an den Garantienachweis

Der Garantienachweis hat im Voraus zu erfolgen und ist eine der Voraussetzungen für die Erteilung der Registrierung (näheres zur Registrierung bei der Stiftung EAR im Teil 2 und 3 der Beitragsreihe). Wie der Garantienachweis zu erfolgen hat, wird gesetzlich vorgegeben. Grundsätzlich ist zwischen individuellen Garantien (§ 7 Abs. 2 Nr. 1 – 3 ElektroG) und kollektiven Garantiesystemen (§ 7 Abs. 2 Nr. 4 ElektroG) zu unterscheiden.

  • Individuelle Garantien, z.B. der Abschluss einer Bürgschaft, empfehlen sich grundsätzlich bei eher kleinen Garantiebeträgen.
  • Bei kollektiven Lösungen tritt der Hersteller einem Garantiefonds bei, der von einem durch die Stiftung EAR anerkannten Herstellergarantiesystem verwaltet wird (siehe hierzu auch den Link am Ende des Beitrags).

Bei der Erstellung individueller Garantienachweise kommt es nach der bisher gesammelten Erfahrung eher zu Problemen und verzögernden Rückfragen der Stiftung EAR als bei kollektiven Lösungen. Das (kollektive) Herstellergarantiesystem übermittelt auch die nötigen Garantiedaten, die im Online-Portal der Stiftung EAR einzutragen sind. Andererseits bewirbt die Stiftung EAR derzeit die individuelle Garantieform der Hinterlegung von Geld bei einem Amtsgericht und hat sogar eine mehrseitige Handlungshilfe hierzu erarbeitet (Abrufbar unter:https://www.stiftung-ear.de/fileadmin/download/Hinterlegung-Amtsgericht_Merkblatt.pdf).

Wichtig ist außerdem, dass der Garantienachweis zwar geräteartbezogen, nicht aber markenbezogen erfolgen muss.

Berechnung der Garantiehöhe und Garantielaufzeit

Dazu, wie die Garantiehöhe bestimmt werden kann, sieht das Gesetz zwei Alternativen vor. Aus diesen Alternativen können Betroffene sich das für ihren Fall günstigere Garantie-Berechnungsmodell auswählen:

  • Dem der individuellen, das heißt nur auf die vom jeweiligen Hersteller in Verkehr gebrachten Geräte bezogenen, Rücknahmeverpflichtung (sog. Vorausfinanzierung gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 ElektroG) einerseits und
  • dem der marktanteiligen Rücknahmeverpflichtung (sog. Umlagefinanzierung gemäß § 31 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 ElektroG) andererseits.

Der Pflichtige muss sich bei Vornahme der Registrierung für eine der beiden Berechnungsmethoden entscheiden. Ein späterer Wechsel ist jedoch für jeden Garantiegültigkeitszeitraum (d.h. kalenderjährlich) möglich. Bezüglich der konkret abzusichernden Entsorgungskosten führt die Wahl der Vorausfinanzierung (nach § 31 Abs. 5 Satz 3 Nr. 1 ElektroG) in der Praxis zu einer höheren Garantiesumme als die vergleichbaren Rücknahmeverpflichtungen nach dem Garantie-Berechnungsmodell der Umlagefinanzierung (nach § 31 Abs. 5 Satz 3 Nr. 2 ElektroG).

Für die Umlagefinanzierung berechnet sich der Garantiebetrag wie folgt:

Registrierungsgrundmenge (t) x Rücklaufquote (%) x Entsorgungskosten (€/t)

Die Registrierungsgrundmenge entspricht dem Gesamtgewicht der PV‐Module, die ein Hersteller bis zur nächsten kalenderjährlichen Aktualisierung der Garantie hierzulande in Verkehr bringen will. Für das laufende Jahr hat die Stiftung EAR die übrigen Faktorenwie folgt festgesetzt: Rücklaufquote = 30 Prozent und Entsorgungskosten = 200 Euro/t. Bei den (voraussichtlichen) Entsorgungskosten handelt es sich allerdings um einen Mittelwert, der sich aus Angaben der befragten Entsorgungsdienstleister ergibt. Weil es bislang für den Bereich der PV‐Modulen für die (voraussichtliche) Rücklaufquote keine gesicherten Erfahrungswerte gibt, wurde erst einmal ein Wert von 30 Prozent angesetzt. Übrigens gelten ab 1. Januar 2017 neue Faktoren, die im Laufe des September von der Stiftung EAR veröffentlichen werden.

Wichtig und noch einmal zu betonen: Die errechnete Garantiehöhe ist beinahe regelmäßig eklatant höher, als die Kosten, die dann tatsächlich auf das einzelne Unternehmen zukommen, wenn es sich einem Garantiefonds anschließt. Ein Beispiel macht dies deutlich:

  • So erfordern etwa 1.000 Tonnen Registrierungsgrundmenge neu in Verkehr gebrachter PV-Module (ca. 14 Megawatt) in einem Kalenderjahr einen Garantiebetrag von 60.000 Euro (1.000 x 30 Prozent x 200 = 60.000).
  • Die tatsächlichen kalenderjährlichen Betriebsausgaben des Herstellers für einen kollektiven Garantienachweis belaufen sich hingegen deutlich unter einem Prozentpunkt des errechneten Garantiebetrages. Beispiel-Gebührenrechner im Internet ergeben für den vorgenannten Fall bei eine Gebühr unterhalb von 1.000 Euro netto.

Anders sieht es wie gesagt bei individuellen Garantienachweisen aus, bei denen ein Hersteller alleine für die errechnete Garantiehöhe einstehen muss.

Was die Garantielaufzeit anbelangt, so ist diese aufgrund der Regelsetzung der Stiftung EAR bei PV-Modulen besonders langfristig. Für PV-Module beträgt die mittlere Lebensdauer nach der Regelsetzung der Stiftung EAR 240 Monate, das heißt 20 Jahre. Diese Zahl bestimmt, wann eine Finanzierungsgarantie aufgelöst werden kann, wenn es nicht zu einem Marktaustritt des Pflichtigen gekommen ist, das heißt ohne dass der Garantiefall eingetreten ist (Beispiel: 2016 = Jahr des Inverkehrbringens / 2036 = Jahr, in dem die Garantie aufgelöst werden kann). Tritt hingegen der Garantiefall ein, müssen die zu diesem Zeitpunkt noch bestehenden Garantien bis zum Ablauf der durchschnittlichen maximalen Lebensdauer aufrechterhalten bleiben. Dies sind laut Stiftung EAR dann sogar 492 Monate, das heißt 41 Jahre. Die Stiftung EAR gibt auf ihrer Internetpräsenz die folgende offizielle Auskunft zu dem Freiwerden von Garantiebeiträgen:

„Ein einmal anerkannter Garantienachweis muss grundsätzlich bis zum der Ablauf der voraussichtlichen mittleren Lebensdauer (siehe Regel ear 02-003) der im jeweiligen Garantiegültigkeitszeitraum in Verkehr gebrachten Geräte erhalten bleiben. Erst dann werden die Garantiebeträge ‚frei‘, d.h. eine weiterhin bestehende Garantie kann aufgelöst oder gegebenenfalls anderweitig verwendet werden. Tritt in einer Geräteart der Garantiefall ein, so richtet sich das ‚Freiwerden‘ nach der durchschnittlichen maximalen Lebensdauer (auch Regel ear 02-003). Allein die Beendigung von Registrierungen führt nicht zum ‚Freiwerden von Garantien‘.“ (https://www.stiftung-ear.de/service/fragen-und-antworten/garantie/#c2558)

Die Garantiestellung allein befreit auch nicht von der (gebührenpflichtigen) Abholkoordination durch die Stiftung EAR, auf die wir ebenfalls noch gesondert in einem weiteren Beitrag eingehen werden. Um es hier aber schon klar anzusprechen: Im B2C-Bereich ergibt sich für Betroffene eine Trias der finanziellen Belastungen im ElektroG aus:

  • Verwaltungsgebühren für die Registrierung
  • Kosten für die Garantiestellung
  • Entsorgungskosten und Verwaltungsgebühren für die Abholkoordination durch die Stiftung EAR

Die Laufzeit der Garantie unterscheidet sich übrigens von dem Gültigkeitszeitraum des Garantienachweises für die Stiftung EAR. Da gesetzlich ein kalenderjährlicher Nachweis gefordert wird, beträgt der Gültigkeitszeitraum des Garantienachweises längstens ein Jahr. Bis zu seinem Marktaustritt muss ein Hersteller daher mindestens jährlich seine Mengendaten je registrierter Geräteart aktualisieren und einen erneuten Garantienachweis erbringen.

Tipp: Finanzierungsgarantie flexibel ansetzen und später an Absatzmengen anpassen

In der Praxis stellt sich die Frage, wie starr das System zur Finanzierungsgarantie nach den gesetzlichen Vorgaben des ElektroG angelegt ist. Die Antwort ist, dass die Auslegung der gesetzlichen Vorgaben durch Rechtsprechung und Verwaltungsvollzug den Betroffenen durchaus bestimmte Optionsmöglichkeiten einräumt.

Ausgangspunkt der Finanzierungsgarantie ist immer die sogenannte Registrierungsgrundmenge. Der Registrierungspflichtige von B2C-Geräten hat bei der Registrierung als Grundmenge anzugeben, welche Menge an Geräten er im Zeitraum von bis zu zwölf Monaten in Verkehr bringen will. Das lässt sich freilich mitunter nur schwer prognostizieren. Daher darf der Pflichtige schätzen, welche Menge an Elektrogeräten je Geräteart er bis zur nächsten Aktualisierung seiner Registrierungsdaten ca. in Verkehr bringen will. Das ergibt sich so zwar nicht unmittelbar aus dem Gesetz, aber aus der Begründung zur ursprünglichen Kostenverordnung zum ElektroG und ist daher durch die Rechtsprechung anerkannt (Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 29.08.2012 – AN 11 K 12.00566). Im Laufe des Kalenderjahres stellt sich dann heraus, was tatsächlich an Elektrogeräten abgesetzt wird. Gegebenenfalls zeigt sich eine Abweichung gegenüber der ursprünglichen Schätzung. Bei einer solchen Mengenänderung kann der Pflichtige seine Mengendaten dann einfach gegenüber der Stiftung EAR aktualisieren. Diese Vorgehensweise ist nicht nur rechtlich zulässig, sondern mit einem eigenen Gebührentatbestand in der neuen Gebührenverordnung zum ElektroG (ElektroGGebV) versehen (41,30 Euro pro Änderungsanzeige und Prüfung gemäß § 1 i.V.m. Nr. 5 und 6 Anlage 1 ElektroGGebV).

Praktische Hinweise für Betroffene

In der Praxis stellt sich die Frage, ob sich ein Hersteller einfach einem kollektiven System anschließen oder aber individuelle Garantien stellen will. Unsere Empfehlung lautet, sich als Betroffener mit den vorliegenden Eckdaten zunächst einfach einmal Angebote einzuholen. Einige Anbieter stellen online einen „Gebührenrechner“ zur Verfügung. Die Stiftung EAR hält übrigens auch eine Übersicht der von ihr anerkannten kollektiven Garantiesysteme bereit (https://www.stiftung-ear.de/hersteller/garantie-glaubhaftmachung-und-kosten/garantienachweis-b2c-geraete/garantiearten/).

Über die Autoren:

Moritz Grunow ist seit Inkrafttreten des ElektroG im Jahr 2005 als Jurist schwerpunktmäßig im produktbezogenen Umweltrecht tätig, zunächst neben seinem Studium/Referendariat, später als Rechtsanwalt und seit 2015 in der Essener Wirtschaftssozietät Heinemann & Partner Rechtsanwälte PartGmbB (www.raehp.de). Er veröffentlicht und referiert regelmäßig zu rechtlichen Fragestellungen rund um das Thema Elektro(alt)geräte.

Martin Schachinger beschäftigt sich seit mehr als 20 Jahren mit dem Thema Photovoltaik und Regenerativen Energien im Allgemeinen. Er ist innerhalb der Photovoltaik-Branche bestens vernetzt, was nicht zuletzt auf sein kontinuierliches Engagement für die internationale Online-Handelsplattform für Solarkomponentenwww.pvXchange.com zurückzuführen ist, welche er 2004 ins Leben rief. Dort wird ein breites Spektrum an Markenprodukten, Neu- und Gebrauchtware mit unterschiedlichsten Spezifikationen angeboten.

Die Blogbeiträge und Kommentare aufwww.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte anredaktion(at)pv-magazine.com.

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