Leserbrief von Hans-Josef Fell zu Rainer Baakes Klimaschutzbeitrag in „Die Zeit“ vom 17.3.2016

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Rainer Baake irrt und täuscht die Öffentlichkeit, wenn er schreibt, dass Deutschland seine Klimaschutzziele als Ergebnis zu den Pariser Beschlüssen nicht anpassen müsse. In Paris wurde mit Zustimmung der Bundesregierung beschlossen, die Erderwärmung möglichst schon bei 1,5 ° C zu stoppen. Was das bedeutet, hat kürzlich das New Climate Institut berechnet. Ab 2035 darf es weltweit keine Klimagasemissionen mehr geben. Die Industrienationen wie Deutschland müssten daher z.B. im besonders emissionsstarken Energiesektor spätestens 2030 auf 100% Erneuerbare Energien umgestellt haben – wohlgemerkt in allen Energiesektoren, nicht nur bei Strom.

Davon ist Deutschland meilenweit entfernt. Die Ziele der Bundesregierung liegen gerade mal bei 30% Erneuerbare Energien bis 2030. Und das Schlimme ist, es gibt in Deutschland keine ausreichende Dynamik, in den nächsten Jahren dies auch nur annähernd zu erreichen. Im Gegenteil: Unter der federführenden Verantwortung von Staatssekretär Baake wurde in der Verwirklichung seiner Vorschläge als Agorachef mit der EEG Novelle 2014 die dynamische Entwicklung im Ökostromsektor von Bioenergien, Wasserkraft, Geothermie jäh abgebrochen. 2015 gab es dort keine nennenswerten Investitionen mehr. Im Solarsektor liegen die Neuinvestitionen sogar weit unter dem schon viel zu niedrigen Ausbauziel der Bundesregierung. Nur noch im Windsektor gibt es starke Investitionen – doch diese sollen nach seinen Vorschlägen ab 2017 mit der EEG Novelle 2016 massiv gekappt werden. Wird dies realisiert, dann wird der Ausbau bis 2022 gerade mal 40 TWh jährliche neue Stromerzeugung Ökostrom bringen. Es müssen aber bis dahin 90 TWh jährliche Atom tromerzeugung ersetzt werden. Dies will Herr Baake offensichtlich im Wesentlichen mit Erdgaskraftwerken schaffen, womit die CO2 Emissionen im Stromsektor weiter ansteigen werden, wie es in den Sektoren Wärme und Verkehr bereits 2015 infolge der Untätigkeit der Bundesregierung geschehen ist.

Dabei sind die Ziele der Bundesregierung mit vor vielen Jahren festgelegten Reduktion der Treibhausgase von 80% bis 2050 völlig unzureichend und damit unverantwortlich. Neuere Klimaforschungen zeigen erneut, wie schon in den vergangenen Jahren, dass der Weltklimarat immer wieder die tatsächliche Klimaentwicklung unterschätzt. So haben Australische Forscher der Universitäten Queensland und Griffith vergangene Woche erklärt, dass sich nach ihren Prognosen das Klima schneller aufheizt als erwartet. Bis zum Jahr 2020 sei ein Temperaturanstieg bis zum Pariser Ziel von 1,5 Grad Celsius möglich und ab 2030 könnten bereits zwei Grad erreicht sein. (FR, 17.03.2016). Gestützt wird diese Vorhersage durch die Hiobsbotschaft der US-amerikanische Ozean- und Atmosphärenbehörde NOAA, wonach innerhalb eines Jahres, von Februar 2015 auf Februar 2016, die CO2-Konzentration von 400,25 ppm (parts per million) auf 404,02ppm sprunghaft gestiegen ist, in den Jahren zuvor lag das Plus jeweils bei etwa 2,2 ppm (FR, 17.03. 2016).

Diese dramatische Klimaentwicklung und die Pariser Beschlüsse brauchen neue Antworten, die Rainer Baake nicht liefert, wahrscheinlich gar nicht liefern will und aus Loyalität zu seinem SPD-Wirtschaftsminister Gabriel auch nicht liefern darf. Damit wird Deutschland nicht der erforderlichen Beitrag liefern, der sich aus den Pariser Beschlüssen zwangsläufig ergibt. Rainer Baake ist damit mitverantwortlich für die völlig unzulänglichen klimapolitischen Maßnahmen der Bundesregierung. Er trägt somit auch Verantwortung für die weitere Zerstörung von menschlichen Lebensräumen durch rasant zunehmende klimabedingte Wetterextreme und den Meeresspiegelanstieg, weshalb weitere zig Millionen Menschen aus ihren Heimatländern werden flüchten müssen. Er trägt auch Verantwortung für weiter zunehmende kriegerische Spannungen im Kampf um die knappen Erdöl- und Erdgasressourcen. Er verursacht weitere Insolvenzen und zehntausende Arbeitsplatzverluste in der einst blühenden deutschen Branche der Erneuerbaren Energien. Mit seinen Gesetzesnovellen treibt er diese wichtige Zukunftsbranche weiter aus Deutschland hinaus nach China und USA – eine Bankrotterklärung deutscher Industriepolitik.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unterwww.hans-josef-fell.de. —

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