Der Gang durch die Institutionen

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„Bitte um Aufnahme und Mitarbeit im AK melden!!“ +++ „Hiermit will ich einen Vorschlag zur Diskussion stellen. Bitte: 1. fragt bei Unklarheiten, 2. macht Verbesserungsvorschläge“ +++ „Jetzt haben wir aber die einmalige Gelegenheit, auf die Norm einzuwirken, die im Mai 2017 in die IEC einfließen soll“ +++ „So wie es aussieht, beschäftigen sich gleich 2 Arbeitskreise mit dem Thema“ +++ „Ich bin morgen bei DKE Sitzung in Ffm. dabei.“

So verlief ein gekürzter E-Mail-Verkehr der PVplug-Mailingliste im Sommer. PVplug hat sich auf die Fahnen geschrieben, Steckdosenmodulen in Deutschland zum Durchbruch zu verhelfen. Die Beteiligten haben sich auf der Intersolar 2016 getroffen, kurz danach füllte sich die Liste mit Leben. Das wurde höchste Zeit, da momentan wichtige Normen überarbeitet werden. Eine trockene Übung, sollte man meinen. Doch diese Normen machen es bislang schwer, die Steckdosenmodule in Deutschland zu vertreiben. Einer bestimmten Gruppe macht es Spaß, sie unter dem Namen „Guerilla-Photovoltaik“ trotzdem einzusetzen. In der pv magazine Ausgabe mit Che Guevara auf dem Cover haben wir ausführlich darüber berichtet (siehe pv magazine September 2013, Seite 46)


pv magazine award

Preis für gute Ideen: In der Novemberrunde haben zwei Einreichungen die Juroren überzeugt.

Seit der letzten Runde im September bewarben sich elf Unternehmen mit ihren Ideen neu für den pv magazine award. Zwei Bewerbungen haben die Juroren Volker Quaschning, Professor für regenerative Energiesysteme an der HTW Berlin, Hans Urban, Berater im Auftrag der Schletter Gruppe, und Winfried Wahl, Senior Manager RRC Power Solutions, in dieser Runde besonders überzeugt.

PVplug – Pionierarbeit für die Innovation Stecker-Solar-Geräte

Steckdosenmodule waren in der Vergangenheit ein oft emotional und sehr kontrovers diskutiertes Thema. Umso mehr ist es zu begrüßen, dass sich nun eine Gruppe aus Anbietern, Wissenschaftlern und Branchenexperten zusammengetan hat und den Normungsprozess konstruktiv begleitet. Die Gruppe hat das Anliegen, die Sicherheit der Produkte zu gewährleisten und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass diese Innovation auch in Deutschland einsetzbar ist. Denn Steckdosenmodule haben das Potenzial, die Energiewende für Personen greifbar zu machen, die sonst keine Möglichkeit dazu haben. Das ist wichtig für die Akzeptanz der Energiewende. Dafür wird die Gruppe mit dem pv magazine award in der Kategorie „top innovation“ ausgezeichnet.

Mehr Informationen zu den Kriterien, zu den bisherigen Preisträgern, zu den Juroren und alles Nötige, falls Sie sich bewerben wollen, finden Sie hier.

Der Einsendeschluss für die nächste Award-Runde ist am 20. Januar 2017.


„Wir wollen, dass jede und jeder an der Energiewende teilnehmen kann, ohne sich dabei in einer rechtlichen Grauzone zu bewegen“, sagt Marcus Vietzke, einer der Aktiven und Initiator der Gruppe. Dass es einen Bedarf dafür gibt, zeigt der bisherige Absatz. Es gibt zwar keine genaue Erhebung, aber schätzungsweise sind bereits 20.000 solcher Module, die man einfach an das Balkongeländer hängt oder sonstwo aufstellt und in die Steckdose steckt, am deutschen Stromnetz angeschlossen.

Marcus Vietzke hat an der HTW Berlin Umwelttechnik und Regenerative Energien studiert und ist einer derjenigen, die ein Steckdosenmodul entwickelt haben. Das möchte er mit seinem Start-up Indielux vertreiben. Inzwischen ist die Gruppe, in der Ingenieure, Wissenschaftler, Rechtsanwälte, Energieblogger und Unternehmer ehrenamtlich mitarbeiten, unter das Dach der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie geschlüpft, die sich schon länger für die Geräte einsetzt und sich mit Normungsarbeit auskennt.

Energiewende in die Städte

Da die Arbeit, Normen zu diskutieren und zu verändern, oft zu einer Innovation dazugehört, hat die Jury der Gruppe (siehe Tabelle) gemeinsam den pv magazine award in der Kategorie „top innovation“ verliehen. Auch die Jury sieht im Vertrieb der Module eine Möglichkeit, Menschen an der Energiewende teilhaben zu lassen und dafür zu begeistern, die sonst keine Möglichkeit haben, Photovoltaik zu installieren. „Bringt die Energiewende auch in die Städte!“, ist passend dazu auch auf der Website von PVplug zu lesen.

Die Diskussion um die Steckermodule wurde in den letzten Jahre oft emotional geführt. Die bayerische Staatsregierung startete vor drei Jahren sogar den Versuch, ihren Einsatz zu verbieten. Die vehementesten Vorwürfe betrafen den Anschluss an den Endstromkreis und dessen Absicherung und dass eventuell nach Ziehen des Steckers noch kurzzeitig eine Spannung am Stecker anliegt. Von Fachkreisen, auch der DGS, wurde das schon immer bestritten. In europäischen Nachbarländern sind die Verbände, was das angeht, auch teilweise lockerer. So weit die Ausgangssituation.

Detektivarbeit im Normungsdschungel

„Anfangs war eine der größten Schwierigkeiten, erst einmal herauszubekommen, welche Gremien an dem Thema arbeiten“, erzählt Mathias Helfert, der die Öffentlichkeitsarbeit von PVplug betreut. Inzwischen sind es zwei und vielleicht kommt ein weiteres dazu.

Zum einen ist es die Normung, die sich mit dem Netzanschluss befasst. Das Problem ist kurz umrissen: Ein Endstromkreis ist mit meistens mit 16 Ampere abgesichert, der Sicherungsautomat schaltet ab, sobald die angeschlossenen Verbraucher zusammen eine Leistung haben bei der über 18 Ampere fließen müssen. Damit soll sichergestellt werden, dass sich die Leitung nicht über die zulässige Dauertemperatur von 70 Grad erwärmt. Ist gleichzeitig zu den leistungsstarken Verbrauchern ein Steckermodul angeschlossen, das 250 Watt Leistung hat, speist dieses bei voller Sonnenstrahlung etwa 1 Ampere ein. Wenn es voll bestrahlt ist, fliegt die Sicherung erst bei einem Stromfluss im Endstromkreis von 19 Ampere raus. Die Diskussion geht darum, ob dadurch die Sicherheit gefährdet ist oder ob die Sicherheitsreserven der Leitung ausreichen.

Tests zur Absicherung der Steckermodule

Da es dazu keine Primärliteratur gebe, hätten sie eigene Messungen vornehmen müssen, um das Risko zu bewerten, sagt Vietzke. Er hat daher an der HTW zusammen mit Prüfexperten von der DGS-Berlin, dem PI-Berlin und der HTW-Berlin Versuchsreihen durchgeführt, bei der sie die Leitung zwischen zwei Styroporplatten geklemmt haben. Diese simulieren sogar noch ungünstigere Bedingungen wie in der Hauswand, da sie noch besser isolieren. Dann haben sie mit verschiedenen Stromstärken getestet, wie stark sich die Leitung erwärmt. Eine Stromstärke, die zwei angeschlossenen Steckermodulen entsprach, hat in diesem Worst Case einer Leitung, die gerade knapp unter der Leistungsgrenze betrieben wird, zu einer Erwärmung von 70 auf 87,5 Grad geführt.

PVC-Isolierungen zersetzen sich erst ab 180 Grad, Baustoffe können sogar erst ab 200 Grad entflammen, so Vietzke. Der Temperaturabstand sei also groß genug. Dass 70 Grad als Maximaltemperatur für Leitungen festgelegt sind, habe als Ursache nicht die Brandgefahr, sondern dass die Alterung der Leitungsisolierung bei höheren Temperaturen schneller verläuft. Dieser Fall, bei dem die Leitung wirklich so an der Belastungsgrenze wird und daher etwas über 70 Grad erwärmt, dürfte aber so selten auftreten, dass es die Alterung nicht maßgeblich beeinflusst.. Kommt es zu einem Fehlerfall, steigt die Leistung in der Regel nämlich deutlich über die Leistungsgrenze und löst die Sicherung aus.

Wichtig sei allerdings, dass nicht zu viele Module angeschlossen werden, so Vietzke, sonst kann der vom DKE befürchtete Brand nämlich auftreten. „Ähnliche Beschränkungen gibt es auch bei anderen Produkten, bei denen man die Verbraucher per Klappentext darauf hinweist“, sagt Helfert. So zum Beispiel bei Kühlschränken, bei denen man die Lüftungsschlitze nicht abdecken darf, weil sonst Brandgefahr besteht.

Die nächste Herausforderung

Das ist nur einer der Tests, denn Vietzke und seine Kollegen vorhaben. Der VDE hat derweil – vielleicht als Reaktion auf die Aktivitäten, kürzlich sein Herz für Steckermodule entdeckt. „Sie erfreuen sich wachsender Beliebtheit“, heißt es in einer Presseerklärung. „Die steckerfertigen PV-Module sollen auch Mietern ermöglichen, den selbst erzeugten Strom direkt zu nutzen.“ Allerdings hat der Verband auch gleich nachgeschoben, dass die Hersteller „bislang noch kein Projekt für eine Produktnorm gestartet haben“. Die Experten bei PVplug fragen sich zwar, wozu es eine Produktnorm braucht, wo doch alle Einzelkomponenten durch eine Norm abgedeckt sind. Jetzt werden sie sich eben auch dieser Herausforderung annehmen. (Michael Fuhs)

Kontakt zur Gruppe kann man über ihre Webseite www.pvplug.de aufnehmen. Einige der Mitglieder: Marcus Vietzke (Indielux), Daniel Bannasch (Metropol Solar), Erhard Renz (Der Sonnenflüsterer), Paul Wieland (Carpe Diem Energy), Thomas Seltmann (DGS), Wolfgang Müller (SIZ), Ralf Haselhuhn (DGS), Mathias Helfert (Indielux), Dr. Jörn Bringewat (Consil, Greenpeace Energy), Matthias Hüttmann (DGS), Oliver Suchaneck (HTW Berlin), Prof. Norbert Klaes (HTW Berlin), Holger Laudeley (E Cube Systems), Christoph Körner (Infinitum Energie), Dr. Paul Grunow (PI Photovoltaik-Institut Berlin).

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1 comment

  1. Das klingt so super. Und wenn endlich alle mobilen phones vom Stromnetz unanhängig werden – ein Traum. Was sagen apple. Huawei und samsung dazu?

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