Mit Blaulicht zum EE-Ausbau

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Der Runde Tisch Erneuerbare Energien (RT EE) ist enttäuscht über die von Minister Habeck vorgelegten Vorschläge für eine EEG-Novellierung, genannt das „Osterpaket“. Gemessen an den Fakten und Warnungen des Weltklimarates (IPCC) vom Ende Februar 2022 ist darin kein wirklicher Kurswechsel zu sehen. Stattdessen finden sich nur bunte ausgeblasene Eier, in denen außer abgestandener Luft, nicht viel enthalten ist. Dass Bundesregierungen und Energiekonzerne seit 2010 den Ausbau der Erneuerbaren Energien behinderten und bremsten, wo sie nur konnten, wird heute als Verbrechen erkenntlich. Das muss sofort aufhören. Jetzt und ohne jede Verzögerung brauchen wir einen noch nie dagewesenen Quantensprung im Erneuerbaren-Ausbau.

Der Runde Tisch hatte bei seinen Forderungen für eine umfassende inhaltliche Reform des EEG  insbesondere hingewiesen auf

  • Abschaffung der Restriktionen und erhöhte Vergütung für Synergie-PV-Anlagen
  • Festlegung einer gewinnbringenden Einspeisevergütung für alle Erneuerbaren Energien
  • den Bürokratieabbau und die Entfesselung der Bürgerenergie sowie
  • die Förderung der Langzeit- und Kurzzeit-Speicher.

Im vorliegenden Referentenentwurf sucht man dies vergebens. Ein Teil der Regelungen, etwa die zaghaften Anhebungen der Einspeisevergütung für Solar, soll noch 2022 in Kraft treten, alle anderen erst 2023. Diese Enttäuschung und Ernüchterung teilt der RT EE mit vielen Organisationen aus dem Bereich der Energiewende, des Klima- und Umweltschutzes, sowie mit vielen besorgten Individuen.

Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen in der Ukraine, aber auch in anderen Regionen der Eurasischen Platte sowie der dringenden Warnungen des Weltklimarates (IPCC) sehen wir uns veranlasst, unsere Kritik am „Osterpaket“ sowie an den EU-Taxonomie-Regelungen politisch zu präzisieren. Vor allem wollen wir deutlich machen, warum wir die Erneuerbaren als Friedensenergien ansehen und nicht einfach als eine ökonomischere Art der Energieerzeugung.

Erstaunlicherweise finden unter dem Deckmantel der Putin-Kritik bislang unvereinbare Positionen und Politiken zusammen. Sie alle sprechen sich für Frieden und den Ausbau der Erneuerbaren aus, ganz so, als ob sie noch nie etwas anderes vertreten hätten. Dazu gehören nicht nur Parteien und Regierungen, sondern auch Energiekonzerne aus Europa und den USA mitsamt ihren Lobbyisten.

All diese Bewegungen und Figuren zelebrieren eine Nostalgie nach etwas anderem, das so nicht mehr vorhanden ist. Es ist die Sehnsucht nach einer Zeit, in der fossile Brennstoffe hemmungslos aus der Erde geholt werden konnten, ohne dass man an ein Massensterben denken musste oder an Kinder, die ihr Recht auf eine Zukunft einfordern, oder an Berichte des IPCC, die sich wie ein Atlas globalen menschlichen Leids und die vernichtende Anklage einer gescheiterten Klimapolitik lesen.

Putin steht an der Spitze eines Staates, dessen Geschäftsmodell in der rücksichtslosen Ausbeutung aller in Russland auffindbaren Bodenschätze, vor allem Öl, Gas und Kohle besteht. Aber er ist nicht die Einzige dieser Figuren, welche die Zerstörung der Erde, der Natur und der Menschen zu verantworten haben. Allen fossilen Energien ist gemeinsam, dass sie als Teil einer Machtpolitik von den jeweils Herrschenden ohne Mandat der Erde entrissen werden.

Diesen Gewaltakt gibt es bei den Erneuerbaren nicht. Grundsätzlich nicht. Um sie kann kein Krieg geführt werden, kann keine Konkurrenz der Supermächte toben und keine Bedrohung für die menschliche Existenz ausgehen. Wir bevorzugen die Erneuerbaren Energien nicht deshalb, weil sie billiger sind, sondern friedfertiger. An allererster Stelle ist Solar die sanfteste, umweltschonendste und effizienteste Energie, eben die einzige Friedensenergie.

In der EU wird dieser Schwindel aktuell deutlicher denn je. In den „Taxonomie-Regeln“ lügt sie nicht nur Erdgas und Atom in „grün“ um, sondern verpasst den wirklichen grünen Energien auch noch einen schwarzen Anstrich: So soll ein Windrad nur dann als „grün“ und förderwürdig gelten, wenn die Firma, die es errichtet, mehr als 500 Mitarbeitende hat und „kapitalmarktorientiert“ ist, also Anleihen oder Aktien ausgibt. Ein ungeheuerlicher und vergifteter Angriff auf die Erneuerbaren, der sie in die Bedeutungslosigkeit treiben will.

Erkennen alle, die in Putin den alleinigen Schwarzen Peter sehen, diesen Angriff? Sehen sie auch die anderen Schwarzen Peter, die im Windschatten Putin’scher Politik ein Osterpaket schnüren ohne die Taxonomie-Regeln kippen zu wollen? Krokodilstränen in den Augen spekulieren sie mit fossilen Energien und treiben die Energiepreise gnadenlos in die Höhe. Wer mit der Politik der Vergangenheit brechen will, sollte mit dem radikalen und ungebremsten Ausbau der Erneuerbaren beginnen: Sofort, dezentral und damit demokratisch eine wirkliche Friedenspolitik machen.

Alleine das ist die „Zeitenwende“, die wir brauchen, nicht das nostalgische Zurück in den kalten – oder sogar in einen heißen – Krieg, wofür Bundeskanzler Scholz den Begriff missbraucht hat. Der Weltklimarat ruft deutlich wie nie zuvor: Das noch bestehende Zeitfenster für eine Eindämmung der Erderhitzung ist kurz und schließt sich schnell. Wenn die nötigen Maßnahmen jetzt immer noch verzögert werden, wird es keine lebenswerte und nachhaltige Zukunft geben.

Es gibt nur noch eine Option: Sämtliche Schleusen für die erneuerbaren Energien müssen geöffnet werden. Die Bürokratie muss weg. Die Bevölkerung ist aufzurufen, völlig autonom zu handeln:  Nicht anders als wenn man sich eine Heizung oder eine Waschmaschine kauft, sollen Solarmodule, Batterien, Laderegler und Wechselrichter angeschafft werden können. Alle, die es irgend ermöglichen können, sollen allein, zusammen mit Nachbarn, als Mietergemeinschaft, wie auch immer, Strom erzeugen. Wir benötigen jede erneuerbare Kilowattstunde, denn wir befinden uns in einer Notlage. Wie der Krankenwagen auf dem Weg zum Notfall das Blaulicht einschaltet und dann an keinerlei Verkehrsregeln mehr gebunden ist, muss der Solarausbau durch die Bevölkerung völlig freie Bahn erhalten.