ESS Kempfle unter Top-Drei beim Deutschen Fachkräftepreis

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Als Anton auf dem Trainingsdach den Haken setzt, geht kein Ziegel zu Bruch. Denn zuvor hat der Solarmonteur ein Lernvideo studiert und praktisch gelernt auf was geachtet werden muss, um eine reibungslose Installation zu gewährleisten – in seiner Muttersprache Rumänisch. Der 46-Jährige grinst und steigt herab. Zufrieden greift er nach dem Tablet, um sich den nächsten Arbeitsschritt anzusehen. Eine KI übersetzt dabei die Videos. Das ist die Vision der Solar Akademie. Laut einer aktuellen Studie (von Eon) interessiert sich in diesem Jahr jeder sechste Hausbesitzer für eine Photovoltaikanlage. Das sind 1,2 Mio. PV-Anlagen, die bundesweit in den kommenden Monaten verbaut werden könnten. Das Manko: Die dafür nötigen Dachmonteure und Elektriker fehlen. Schon heute sind Montagetermine oft nur nach mehreren Monaten Wartezeit möglich.

Diesem Fachkräftemangel stellt sich die Leipheimer Firma ESS Kempfle digital entgegen. Der schwäbische Mittelständler beschäftigt schon heute rund 170 Menschen. Ein Teil davon kommt aus EU-Nachbarländern. „Viele unserer Handwerker stammen aus Polen, Kroatien, Ungarn und Rumänien“, verdeutlicht Johannes August. Kaum einer von ihnen spricht nach Ankunft in Bayern mehr als ein paar Wörter Deutsch. Um dennoch eine vernünftige Kommunikation sicherzustellen, hat der 41-jährige Sprach- und Erziehungswissenschaftler ein KI-basiertes Schulungskonzept entwickelt. Dieses setzt er seit Herbst 2023 bei seinem Arbeitgeber, dem Solarteur ESS Kempfle, um. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat diese Solar Akademie nun unter den Top-Drei von 500 Einreichungen beim Deutschen Fachkräftepreis 2024 platziert, Kategorie Digitale Ansätze. Weitere nominierte Firmen waren Deutsche Bahn, Infineon AG oder Stuttgarter Marienhospital.

Mit KI mehrsprachig 

Ein Großteil der Lernmodule soll dieses Jahr mehrsprachig digitalisiert sein. „Wobei die KI keine Sprachenbegrenzung hat“, wie August verdeutlicht, der früher bei einem Automobilkonzern gearbeitet hat. Falls nun chinesische oder arabische Monteure bei Kempfle anklopfen, können auch sie in ihrer Muttersprache lernen. Inhaltlich soll die übergeordnete Solar Akademie alle Unternehmensbereiche abdecken: Vom Arbeits- über Datenschutz bis hin zur Buchhaltung, Vertriebstrainings und natürlich den kompletten Montage- und Anschluss-Prozess einer PV-Anlage. Dass das klappt, hat die Premiere gezeigt. Als Geschäftsführer Wolfgang Kempfle seine Weihnachtsrede vor der Belegschaft gehalten hat, wurde diese auf vier Bildschirme übertragen und simultan per Untertitel in Kroatisch, Polnisch, Ungarisch und Rumänisch übersetzt. „Das gab Applaus“, sagt August, der um die Wirkung des Events weiß. „Wir können die Leute besser abholen und ins Unternehmensleben integrieren, wenn wir ihre Sprache sprechen“, so der Kommunikationsexperte.

Doch die KI kann nicht nur übersetzen. „Wir nutzen sie ebenfalls, um Schulungskonzepte, Texte und Grafiken zu erstellen“, erklärt August, der aus dem benachbarten Dillingen stammt und sich privat auch mal Rezepte, Essenspläne und Einkaufslisten von ChatGPT4 vorschlagen lässt. In der Firma sparen die IT-Tools bis zu 75 Prozent Zeit, ist sich August sicher. Wo bei früheren Arbeitgebern bis zu 14 Content-Manager Inhalte produziert haben, schafft das bei Kempfle das Team aus Akademieleiter Johannes August, Projektleiterin Larissa Bartsch und Thomas Weber, der bei IT-Fragen unterstützt. Dafür basteln die drei KI-basiert an Lernstrecken, die sich in kürzere „Nuggets“ unterteilen. Die sprechen verschiedene Sinneskanäle per auditiven, visuellen und haptischen Inhalten an. „Multisensorisches Lernen“ sagen Bildungsexperten dazu. „Wichtig ist, dass wir generische Inhalte um fachspezifische ergänzen können“, sagt August. Denn nur so entstünde Qualität. Die soll so hoch sein, dass alle Beschäftigten ihre Lernfortschritte prüfen und zertifizieren lassen können.

Kooperation mit Kammer

„So können die Leute zeigen, dass sie mit Recht eine Gehaltsstufe höher klettern wollen“, sagt August. Oder die Kompetenz erworben haben, innerbetrieblich umzusatteln. Etwa von der Buchhaltung in den Vertrieb. Dass die Akademie für andere Handwerksbetriebe interessant sein kann, hat die Kammer in Ulm erkannt   und plant fachübergreifend Projekte in Kooperation mit der Solar Akademie. So werden gemeinsam mit ESS Kempfle ab dem 18. März 2024 Vertriebsschulungen für Externe angeboten. Bewerberinnen und Bewerber können sich zum „Kundengewinner“ oder „Fachberater“ qualifizieren. Kempfle plant damit, einen neuen Recruiting-Kanal zu eröffnen. Die Ausbildung startet ab März. Bewerbungen und Fragen können per E-Mail an akademie@ess-kempfle.de gesendet werden.