Schmelzende Rückseitenfolien, kaputte Zellen und Hotspots

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In einem französischen Solarpark hat ein EPC-Unternehmer im September 2011 rund 8.800 Photovoltaik-Module eines chinesischen Herstellers verbaut. Etwa drei Monate nach der Installation traten bei mehr als 90 Prozent der Module bereits Schneckenspuren auf. Der Investor hat daraufhin den EPC-Dienstleister darüber in Kenntnis gesetzt. Dieser entgegnete, dass Schneckenspuren dieser Art keinen Einfluss auf Qualität und Produktivität der Module hätten. Im August 2012 schrieb der Investor den Modulhersteller wegen der Schneckenspuren direkt an, die Antwort steht bis heute aus, keine Reaktion, trotz mehrmaliger Anrufe in China.
So harmlos sich das noch anhören mag – diesen Fall zeichnet aus, dass ein Problem dem anderen folgte und er immer komplizierter und desaströser wurde. Gegen Mitte des Jahres 2013 bemerkte der Investor, der zugleich auch der zuständige Betreiber für den Park ist, erstmals die gravierenderen Mängel. Nach seinen Analysen der Monitoringdaten waren im Park Leistungseinbußen von fünf bis sechs Prozent zu erkennen, seiner Einschätzung nach aufgrund von Modulschäden. Eine Vor-Ort-Begehung und eine Thermografieuntersuchung zeigten ihm zufolge: Rund 450 Module wiesen im Thermografiebild Hotspots mit Temperaturunterschieden von 30 Grad Kelvin und mehr auf. Bei etwa 70 Prozent der betroffenen Module waren laut Investor braune Zellbereiche zu sehen, die auf Überhitzung hindeuteten, zum Teil auch mit versengten Busbars. Zu diesem Zeitpunkt zeigten auch einige der Rückseitenfolien schon deutliche Blasen oder sogar geschmolzene Bereiche.
Schäden innerhalb eines Jahres verdreifacht
Und der Schaden wurde immer größer. Als der Betreiber die Thermografiemessung im Oktober 2014 wiederholte, waren bereits rund 1.500 Module betroffen, das sind etwa 17 Prozent der ursprünglich gelieferten Modulmenge. Die Schäden an den Rückseitenfolien hatten ebenfalls deutlich zugenommen. Insgesamt hatten sich die Schäden innerhalb eines Jahres nahezu verdreifacht. Der Ertrag des Parks war dem Investor zufolge inzwischen schon um zehn bis zwölf Prozent eingebrochen.
„Teilweise schmoren oder brennen die Laminate sogar“, sagt der Investor, der uns im Rahmen unserer Serie „Her mit den schwarzen Schafen“ kontaktiert hat. Wenn es im Sommer trocken ist, bestehe daher die Gefahr, dass es zu Bränden komme, „wenn die defekten Module nicht proaktiv im Vorfeld analysiert und ausgetauscht werden“. Elektrolumineszenzuntersuchungen an 100 exemplarischen Modulen hätten zudem gezeigt, dass praktisch alle Module klar erkennbare Mikrorisse und Zellbrüche aufweisen.
Diese Risse könnten auch ursächlich für die restlichen Schäden sein, vermutet der Investor. Denn Mikrorisse können sich mit der Zeit vergrößern und verursachen dann Kontaktierungsprobleme. Diese wiederum führen zu sich erhitzenden Bereichen in den Modulen, sogenannten Hotspots. In diesen Bereichen kann die Temperatur dann zum Teil so stark ansteigen, dass die Rückseitenfolie Blasen wirf, schmilzt oder sogar zu brennen beginnt. Der Investor geht daher davon aus, dass sich das Problem weiter ausweiten wird. Darauf wiesen auch aktuelle stichprobenartige Thermografiemessungen hin. Die nächste 100-prozentige Messung soll im kommenden Frühling erfolgen.
EPC-Unternehmen verheimlicht Schäden
Bei diesem Fall kommt viel Ungemach zusammen. Die Frage, wie sich Interessenskonflikte auswirken, wenn der EPC-Dienstleister die Betriebsführung übernimmt, diskutieren Experten schon länger. In den ersten zwei Jahren der Betriebszeit des Parks war das beauftragte EPC-Unternehmen, das auch als Generalunternehmer auftrat, für die Wartung der Anlage verantwortlich. In dieser Zeit waren die Schäden schon sichtbar, ist sich der Investor sicher und sagt, dies auch beweisen zu können. Das EPC-Unternehmen habe diese Informationen zu dieser Zeit allerdings verheimlicht.
Nach zwei Jahren, praktisch zeitgleich mit Ablauf der Produktgewährleistung, übernahm dann der Investor selbst Wartung und Betrieb des Solarparks. Leistungsminderungen, die dem Investor schon vorher aufgefallen waren, seien in den monatlichen Wartungsprotokollen des EPC-Unternehmens mit vorgetäuschten Einzelfällen wie zum Beispiel ausgefallenen Strings „kaschiert“ worden. Nach einer Begehung des Parks sei aber klar gewesen, dass dies nicht die wahre Ursache für den Leistungsabfall gewesen sein konnte. „Nach langen und bösen Briefen“ habe das EPC-Unternehmen dann auch zugegeben, bereits vor der Übergabe eine Thermografiemessung durchgeführt zu haben, so der Investor.
Ergebnis: mindestens 500 betroffene Module zum Zeitpunkt der Übergabe der O&M-Leistungen an den Investor. „Ein solches Verhalten ist natürlich strafbar“, meint der Investor, der gegen das Unternehmen nun auch vor Gericht ziehen will.
Hersteller liefert zu wenige und nicht passende Module
Auf die Leistungsgarantie (90 Prozent der Leistung innerhalb der ersten zehn Betriebsjahre) möchte sich der Investor derzeit bewusst noch nicht berufen. In der Kommunikation mit dem EPC-Unternehmen und dem Hersteller geht es daher vorerst nur um die Produktgarantie. Denn aus Sicht des Investors handelt es sich bei den Schäden sehr wahrscheinlich um einen Produktfehler. Wenn Brandgefahr bestehe, greife außerdem das europäische Produkthaftungsgesetz. Streng genommen müsse der Hersteller beziehungsweise das EPC-Unternehmen dann eine Rückrufaktion durchführen und alle Module ersetzen.
Das EPC-Unternehmen hatte die Mängel auch innerhalb der mit dem Investor vereinbarten Produktgewährleistung bemerkt und ist daher nach Ansicht des Investors ersatzpflichtig. Welche Produktgewährleistung es mit dem Modulhersteller ausgehandelt habe, ist dem Investor nicht bekannt. Immerhin hat der Dienstleister schließlich doch versucht zu erreichen, dass die Module ersetzt werden, und der Streit ging weiter.
Nach zwei Jahren der Streitigkeiten, in denen sowohl der Investor als auch das EPC-Unternehmen und der Modulhersteller jeweils eigene Thermografieuntersuchungen durchgeführt hatten, lieferte der chinesische Hersteller dann einen Container mit 840 neuen Modulen auf die Baustelle – anstatt der tatsächlich betroffenen 1.500 Module – und das auch nur auf Kulanzbasis. Einen Produktfehler wollte der Hersteller also nicht eingestehen.
Eine zusätzliche Komplikation für den Modulhersteller ergab sich aus den Handelsstreitigkeiten zwischen China und Europa, erklärt der Investor. Um bei der Ersatzlieferung nicht gegen Importvorschriften und Mindestpreisregelungen zu verstoßen, musste der chinesische Hersteller die Ersatzmodule einführen und nachweisen, dass er die gleiche Menge schadhafter Module wieder ausführt. Allein die Zollabwicklung sei sowohl für den Hersteller als auch für den Investor mit viel Arbeit verbunden gewesen und habe mehrere Tage in Anspruch genommen.
Das Problem mit den Hotspots
Die geringere Menge an Ersatzmodulen begründet der Modulhersteller dem Investor zufolge damit, dass nur Module mit Hotspots, die eine Temperaturdifferenz von mehr als 45 Grad zum Rest des Moduls aufweisen, ersetzt werden. Mit dieser Lösung hat der Investor einige Schwierigkeiten. Zum einen seien die Temperaturen in Südfrankreich insgesamt höher, sodass auch geringere Temperaturunterschiede das Modul schädigen können. Zum anderen sei davon auszugehen, dass es sich um einen Produktfehler handelt, bei dem sich die Modulschäden mit der Zeit verstärken. „Nicht jeder Hotspot mit einer Temperaturdifferenz von 30 Grad Kelvin ist grundsätzlich ein Problem“, so der Investor. „In unserem Fall ist aber davon auszugehen, dass sich die Hotspots noch weiter erhitzen und es dadurch zu weiteren Schäden an den Modulen kommt.“ Dies zeige die Entwicklung innerhalb der ersten drei Jahre. Ein weiterer kritischer Punkt sei, dass die Temperaturunterschiede in Hotspots wieder abnehmen, sobald Zellbereiche oder ganze Zellen ausfallen und damit auch geringere Ströme im Modul fließen. Solche mit bloßem Auge sichtbaren Modulschäden berücksichtigte der Hersteller in seiner Betrachtung nicht.
Ein weiteres Manko an den gelieferten Modulen war, dass sie weder die Leistung noch die Maße der Originalmodule hatten. Das heißt, für alle neuen Module mussten neue Modulklemmen montiert werden. Außerdem sind wegen der anderen Ausmaße „Löcher“ in den Modulreihen entstanden. Auch das hat Zusatzkosten verursacht, weil die Strings teilweise neu verkabelt werden mussten.
Der Investor stellte den Modulhersteller nach eigener Aussage auf der Intersolar 2015 persönlich zur Rede. Dort habe man dann relativ unverblümt darauf hingewiesen, dass der Rest der Module ebenfalls auf Kulanz geliefert werden könne, wenn für weitere Projekte des Investors auch weitere Module des Herstellers eingekauft würden. „Ein dreistes Geschäftsgebaren“, findet der Investor, insbesondere weil aus seiner Sicht der Hersteller noch in der Produkthaftung steht. Das scheint nach anderen Schilderungen im Rahmen der Schwarze-Schafe-Aktion kein Einzelfall zu sein.
Das hätte aus Investorensicht besser laufen können
Zunächst hätte sich der Investor eine zeitnahe Ersatzlieferung für alle betroffenen Module gewünscht. Es wurde aber nur ein Teil der Module ersetzt, und das auch nur mit erheblicher Verzögerung. Da sich der Modulaustausch durch die Streitigkeiten um rund zwei Jahre verzögert hat, wäre aus Sicht des Investors auch eine Entschädigung für die entgangenen Erträge wünschenswert. Hoffnungen macht er sich aber wenig. „Das gibt es ja heutzutage nicht mal bei deutschen Herstellern.“ Der Ausbau der alten und Einbau der neuen Module war in der Garantie des Herstellers nicht enthalten. Positiv am Verhalten des Modulherstellers empfindet der Investor, dass die Ersatzmodule auf die Baustelle geliefert und die alten Module in diesem Zuge auch wieder mitgenommen wurden. „Wir mussten die alten Module allerdings verpacken und auf den Lastwagen einer Spedition aufladen“, so der Investor.
Das EPC-Unternehmen ist europäisch und im konkreten Fall als Generalunternehmer aufgetreten, der dem Investor den Park als Turnkey-Anlage inklusive der Module verkauft hat. Laut Wartungsvertrag waren auch regelmäßige Ertragskontrollen unter anderem anhand von Flashertests von vorher definierten Referenzmodulen vereinbart. Dies ist laut Investor nicht erfolgt und die Modulschäden seien verschwiegen worden. „In meinen Augen ist das Unternehmen gesamtschadensersatzpflichtig, inklusive Ein- und Ausbau der kaputten Module und Entschädigung der Ertragseinbußen“, erklärt der Investor. Das EPC-Unternehmen habe schließlich innerhalb der Garantiezeit von dem Schaden gewusst, den Investor darüber aber nicht in Kenntnis gesetzt. Die Module hätten daher bei Feststellung der Mängel umgehend mit gleichwertigen Modulen eines anderen Herstellers ersetzt werden können, um Ertragsausfälle zu vermeiden. „Für uns steht im Vordergrund, die Stromerzeugung auf dem Niveau zu halten, das wir unseren Anlegern versprochen haben.“ Die rechtlichen Auseinandersetzungen mit dem Modulhersteller hätte das Unternehmen dann im Nachhinein klären können.
Damit rechnet der Investor
Aufgrund des hohen Vorkommens an Mikrorissen in den Zellen der Module geht der Investor davon aus, dass sich die Ertragseinbußen und Modulausfälle in Zukunft fortsetzen werden. „Möglicherweise haben wir dann irgendwann alle 8.800 Module ausgetauscht“, befürchtet der Investor. Ob sich das rechnet, hänge auch von der Entwicklung der Modulpreise ab. „Vielleicht bekommen wir ja auch noch einen Container mit Ersatzmodulen vom Modulhersteller oder Module, die das EPC-Unternehmen anderweitig beschafft und bezahlt.“ Das hänge nun vor allem vom Ausgang der noch geführten Gespräche oder des Rechtsstreits mit dem EPC-Unternehmen ab. Wenn der Weg über die Produktgewährleistung am Ende tatsächlich scheitern sollte, will sich der Investor auf die vom Modulhersteller versprochene Leistungsgarantie berufen. Dafür sollen im kommenden Frühjahr zusätzlich zur nächsten Thermografiemessung auch umfangreiche Leistungsmessungen einzelner Module durchgeführt werden. (Mirco Sieg)
Wir haben auch den Modulhersteller und den EPC-Unternehmer kontaktiert und werden über deren Perspektive berichten, sobald wir eine Antwort bekommen.

Fragen für den „Quality Roundtable“ auf dem Forum Solarpraxis am 26.11.

  • Wie relevant ist die Temperaturdifferenz bei der Bewertung von Hotspots? Wie hoch darf die Differenz sein?
  • Was können Betreiber tun, damit Betriebsführer Mängel nicht bis nach Ablauf der Gewährleistung verschweigen?
  • Wann kann man sich bei der Reklamation von Modulmängeln auf die Produkthaftung berufen?
  • Welche Bedingungen sollten beim Kauf von Modulen unbedingt vertraglich geregelt sein?

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