Europäischer Stromhandel stellt den Day-Ahead-Markt auf 15-Minuten-Intervalle um

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Ursprünglich sollte der Schritt bereits am 11. Juni erfolgen, doch nicht alle Marktteilnehmer meldeten rechtzeitig ihre Einsatzbereitschaft: Die Umstellung im Day-Ahead-Handel der europäischen Strombörse Epex Spot von 60-Minuten-Blöcken auf ein 15-Minuten-Raster ist keine ganz triviale Angelegenheit und benötigte deshalb einigen Vorlauf. Doch ab Dienstag (30.September) ist es nun so weit, wie die Epex Spot in einer Mitteilung bereits Mitte September letztmalig bestätigte. An diesem Stichtag wird erstmals im neuen Zeitraster gehandelt, die entsprechenden Lieferungen erfolgen dann am 1. Oktober.

Dies sei „ein echter Paradigmenwechsel für die Energiewende“, sagt Jörg Seidel, Leiter der kurzfristigen Anlagenoptimierung beim Energiekonzern Vattenfall. Mit 15-Minuten-Preisen „bildet der Markt die Realität deutlich genauer ab“, lautet die Einschätzung von Jannik Schall, Mitgründer und CPO von 1Komma5°. Von einem „Meilenstein für die Direktvermarktung – insbesondere für Photovoltaik-Anlagen“ spricht der Grünstromhändler Luox Energy (ein Unternehmen der Stromhandelsplattform Lumenaza). Es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass die viertelstündliche Preisfindung gerade den Erneuerbaren zugute kommt, weil sie deren Stromproduktion besser abbildet. Für die Vermarktung von Batteriespeichern erhofft die Branche sich ebenfalls positive Impulse. Und auch Last- und Energiemanagementsysteme sowie dynamische Stromtarife könnten nochmals attraktiver werden.

Die Umstellung erfolgt aufgrund einer EU-Vorgabe, der zufolge alle europäischen Strommärkte 15-minütige Abrechnungszeiträume nutzen müssen. Im kurzfristigen Intraday-Handel sind bereits seit 2011 neben 60-Minuten-Blöcken auch Viertelstundenblöcke vorgesehen, wobei Abschlüsse bis fünf Minuten vor dem jeweiligen Intervall möglich sind – für den Zeitraum von 14.00 bis 14.15 Uhr also bis um 13.55 Uhr. Im Day-Ahead-Markt, für den täglich um 12 Uhr die Preise für den jeweiligen Folgetag ermittelt werden, waren an der Epex Spot bislang 60-Minuten-Blöcke vorgesehen. Dies hatte beispielsweise zur Folge, dass Direktvermarkter ihre Einspeiseprognosen für Solarstrom stundenweise erstellen mussten. Da sich die tatsächliche Erzeugung innerhalb einer Stunde ändern kann, mussten Abweichungen dann im Intraday-Handel ausgeglichen werden. Absolut korrekte Prognosen wird es naturgemäß auch weiterhin nicht geben, trotzdem versprechen sich Direktvermarkter von den kürzeren Intervallen eine Abnahme dieser so genannten Rampenkosten und damit unterm Strich auch höhere Erlöse für ihre Kunden.

„Erzeugung und Nachfrage lassen sich nun wesentlich genauer abbilden“, erklärt Jörg Seidel. Im Viertelstundentakt ließen sich „Erzeugungsprognosen künftig präziser einreichen, Strom aus Wind und Sonne noch passgenauer vermarkten, Batterien und Pumpspeicher effizienter einsetzen und die Flexibilität im System deutlich steigern“. Bei 1Komma5° verweist man auch auf die Vorteile für Nutzer von dynamischen Stromtarifen. Statt bislang 24 gibt es nun 96 Preise pro Tag und damit „noch präzisere Abrechnungen und mehr Chancen, Strom günstig einzukaufen, wenn gerade viel Wind oder Sonne verfügbar ist.“ Voraussetzung dafür, dies beim Betrieb von Wärmepumpe, Batteriespeicher oder Wallbox zu nutzen, ist freilich eine entsprechende automatisierte Steuerung.

Mehr zum Thema in der nächsten Ausgabe von pv magazine

In der November-Ausgabe von pv magazine (Erscheinungstermin: 13. November) erscheint eine von Energy2market (E2M) erstellte ausführliche Analyse zur Umstellung auf den Viertelstundenmarkt und den daraus erwachsenden Chancen und Risiken für Betreiber von Photovoltaik-Anlagen.

Auch bei der Vermarktung von Batteriespeichern erwartet das Unternehmen Vorteile. Die Umstellung sorge „für mehr und stärkere Preisspitzen und -täler innerhalb eines Tages“ und damit für gute Gewinnmöglichkeiten beim Handel zwischen diesen Spitzen und Tälern. Gleichzeitig stiegen aber auch die Anforderungen an Prognosen, Handelssysteme und Finanzprodukte.

Der Anbieter dynamischer Stromtarife Tibber sieht Vorteile für seine Kunden „sowohl durch die manuelle Steuerung von Ladevorgängen oder Haushaltsgeräten als auch durch die automatisierte Anpassung über smarte Funktionen“. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben die Preis-Screens in seiner App überarbeitet. Ab sofort lasse sich zwischen einer 15-Minuten- und einer 60-Minuten-Ansicht wählen, durch Farbgebung und Preis-Ring erhielten Kunden „intuitiv Informationen darüber, ob der aktuelle Preis im Tagesverlauf verhältnismäßig niedrig oder hoch ist“. Die Umstellung erfolge automatisch und ohne Kosten. Auch für Kunden ohne Smart Meter ändert sich nichts, sie können weiterhin den „monatlich dynamischen Tarif von Tibber nutzen“.

Ob das neue Zeitraster ohne Komplikationen umgesetzt werden kann, wird sich am Ende des ersten Handelstags zeigen. Bei der Epex Spot rechnet man in dieser Hinsicht aber nicht mit Problemen. Die am 14. Mai bekanntgegebene Verschiebung vom ursprünglich geplanten Starttermin 11. Juni (für Lieferungen am 12. Juni) fand demnach statt, obwohl die Tests und Vorbereitungen „auf einem guten Weg“ waren. Einige Marktakteure seien aber noch nicht einsatzbereit gewesen. Insgesamt haben die Vorarbeiten für die Umstellung den Angaben zufolge mehr als ein Jahr in Anspruch genommen.

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