Ministerin Reiche will die feste Einspeisevergütung für private PV-Dachanlagen abschaffen

Hans-Josef Fell

Teilen

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) verunsichert Menschen, Privatleute wie UnternehmerInnen, die sich für den Ausbau der erneuerbaren Energien einsetzen, in höchstem Maße. So hat sie gleich zu Beginn ihrer Amtszeit verschiedene Äußerungen getätigt, die den in Deutschland breit akzeptierten Ausbau der Erneuerbaren und damit den Klimaschutz massiv gefährden.

Sie will die ohnehin schon unzulänglichen Klimaschutzziele verschieben, und der Ausbau der Erneuerbaren Energien soll als wichtigste Klimaschutzmaßnahme gedrosselt werden. Zudem will sie den „Business Case“ der Erneuerbaren Energien verschlechtern und die Erzeugung erneuerbarer Energie mit Kosten der Netznutzung belasten. Nun hat sie angekündigt, die feste Einspeisevergütung für künftig neu gebaute kleine Dachanlagen abschaffen zu wollen.

Reiche handelt gegen den erklärten Willen der Mehrheit der BundesbürgerInnen

Sie stellt sich damit gegen die große gesellschaftliche Akzeptanz, denn rund 80 Prozent der BundesbürgerInnen befürworten gerade die kleinen PV-Dachanlagen.

Forsa hat herausgefunden, dass ca. 64 Prozent der BundesbürgerInnen die aktuelle Ausbaugeschwindigkeit der Erneuerbaren für richtig halten oder sogar beschleunigt sehen wollen. Nur 32 Prozent meinen – wie die Wirtschaftsministerin –, dass er gebremst werden solle.

Auffällig dabei ist, dass diese 32 Prozent in etwa mit der Zahl der Menschen übereinstimmen, die im Umfeld der AfD auf Social-Media-Kanälen oder in offiziellen AfD-Programmen den Klimawandel leugnen, Kernenergie befürworten und den Ausbau der erneuerbaren Energien bekämpfen. Dass 66 Prozent der AfD-WählerInnen meinen, der Ausbau der Erneuerbaren sei zu stark, spricht daher für sich. Offensichtlich versucht die CDU-Ministerin Reiche heute schon, AfD-Politik umzusetzen.

Zwar will Reiche bereits gebaute Dachanlagen von der Abschaffung der festen Einspeisevergütung ausnehmen – da hat sie wohl bemerkt, dass sie sich an das Grundgesetz halten muss, denn die Vergütungsabschaffung für Bestandsanlagen wäre ein grundgesetzwidriger Eingriff in bestehendes Eigentum. Dabei achtet Frau Reiche ansonsten das Grundgesetz wenig, wie ihre früheren Äußerungen zum Beispiel zum Klimaschutz vermuten lassen.

Wirtschaftliche Rentabilität wird mit dem EEG gewährleistet – das ist Grundlage des Erfolgs der festen Einspeisevergütung

Gerade die Photovoltaik-Dachlagen sind der allergrößte Erfolg des EEG. In Deutschland sind etwa 3,3 Millionen Photovoltaik-Dachanlagen mit einer Anlagenleistung von insgesamt 57 Gigawatt in Betrieb. Damit sind rund zwei Drittel der bundesweiten Photovoltaik-Leistung auf Dachflächen installiert (Stand Februar 2024), davon der größte Teil auf Dächern von Privatpersonen.

Diese PV-Dachanlagen haben einen großen Teil zum Klimaschutzerfolg der deutschen Energiewende beigetragen. Eine starke demokratische Teilhabe vieler Menschen an der Energieerzeugung wurde geschaffen, die vorher fast ausschließlich in den Händen weniger Großkonzerne lag.

Genau dies scheint Reiche, die vom Eon-Konzern kommt, zu stören. Offensichtlich will sie die Konzerne stützen – zulasten des Ausbaus privater Stromerzeugung. Ihre Vorschläge zielen genau darauf ab, die mit der festen Einspeisevergütung gesetzlich gesicherte Wirtschaftlichkeit abzuschaffen. Denn ohne Einspeisevergütung würden viele einspeisende Dachanlagen wirtschaftlich deutlich schlechter gestellt sein.

Eigenverbrauchsanlagen rentieren sich weiterhin, auch ohne Einspeisevergütung. Der Wegfall der Vergütung wäre dennoch ein großer Schaden für die Energiewende

Natürlich rechnen sich alle Anlagen mit ausschließlichem Eigenverbrauch oder hohem Eigenverbrauchsanteil weiterhin, da sie den Einkauf von teurem Strom der Konzerne, durch viel günstigeren, selbst erzeugten Solarstrom mit Speichern, ersetzen.

Dachanlagen aber nur noch mit Eigenstromverbrauch zu bauen, wäre ein großer Schlag gegen die Energiewende, denn gerade die privaten Photovoltaik-Dachanlagenbesitzer haben einen erheblichen Anteil mit ihrer Einspeisung zum Abschalten der Kernkraftwerke beigetragen und auch zur Reduktion von Kohlestrom.

Reiche will offensichtlich die privaten Dachanlagenbesitzer zwingen ihren Überschussstrom im Strommarkt anzubieten. Dies erfordert ein hohes Wissen der komplizierten regulatorischen Hürden oder die Inanspruchnahme von Dienstleistern. Mit beidem haben private Dachanlagen-Betreiber im Normalfall keine Erfahrung, weshalb Reiches Vorschläge schon deshalb einen massiven Einbruch erzeugen würden.

Gut ist es deshalb, dass die Bundestagsabgeordnete Nina Scheer (SPD) sofort darauf hingewiesen hat, dass Reiches Vorschlag nicht dem Koalitionsvertrag der Regierung entspricht.

Die Umsetzung aller dieser Vorschläge von Reiche – und wer weiß, was sie noch alles für die Eindämmung des Ausbaus der Erneuerbaren plant – würde einen massiven Einbruch des Ausbaus der erneuerbaren Energien bewirken.

Reiche will den Schutz der PV-Dachbesitzer vor dem gnadenlosen Wettbewerb der Stromkonzerne aufgeben und fördert nur die klimaschädlichen Konzerne

Dass die Einspeisevergütung eine wirtschaftliche rentable Investition ermöglicht, ist das oberste Prinzip des erfolgreichen EEG. Damit wurde im Jahre 2000 eine Gleichstellung der kleinen privaten Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien mit den mächtigen Stromkonzernen geschaffen. Denn kein Kohle- oder Erdgaskraftwerksbetreiber würde je Strom erzeugen, wenn es sich nicht für ihn rechnen würde.

Im harten Stromwettbewerb können private Dachanlagen-Besitzer jedoch niemals mit den harten Bandagen der Stromkonzerne mithalten. Daher wurde der Schutz ihrer Wirtschaftlichkeit mit der Einspeisevergütung im EEG geschaffen. Genau diesen Schutz will Reiche nun beenden und die Dachbesitzer dem ungleichen Wettbewerb mit den Konzernen aussetzen.

Reiche hielt sich bisher bei Eon schon nicht an das EEG

Das EEG ist ein Gesetz und alle haben sich an Gesetze zu halten. Für Netzbetreiber ist die Bezahlung der Einspeisevergütung gesetzlich vorgeschrieben. Doch Frau Reiche hat sich als Vorständin der Eon-Tochter Westenergie offensichtlich nicht an das Gesetz gehalten.

Jedenfalls hat nun die Bundesnetzagentur ein Aufsichtsverfahren gegen die Westenergie-Tochter Westnetz eröffnet. Gesetzlich vorgeschriebene Vergütungszahlungen wurden teilweise über ein Jahr – also noch in der Verantwortung von Reiche – nicht ausbezahlt. Katherina Reiche war bis zu ihrer Ernennung als Ministerin bei Westnetz dafür verantwortlich. Offensichtlich hat sie diesen Gesetzesverstoß bewusst begangen, um weitere Photovoltaik-Anlageninvestoren abzuschrecken.

Jedenfalls passt ihr Vorschlag, die feste Einspeisevergütung abzuschaffen, nun ganz in ihre bisherigen Handlungsweisen und Ziele: Zum Schutz der fossilen Stromerzeugung, insbesondere von Erdgas, den Ausbau der erneuerbaren Energien möglichst zu verhindern.

Bundesregierung erhöht weiter die massiven Subventionen für die fossilen Konzerne

Dabei ist der Wettbewerb im Strommarkt, in den Reiche nun sogar die kleinen Photovoltaik-Dachanlagen-Besitzer zwängen will, sowieso nicht fair. Kohle, Erdgas, Erdöl und Atomkraft schaffen mit der Energieerzeugung massive Schäden, wie Klima- und Gesundheitsschäden durch Luftschadstoffe oder Atommüll. Die Stromkonzerne müssen für diese von ihnen erzeugten Schäden nicht oder nur minimal zahlen. Die Photovoltaik-Dachbesitzer erzeugen aber keine solchen Schäden, werden dafür aber nicht entlohnt, und Reiche will sie nun zusätzlich massiv belasten.

Zudem erhalten die fossilen Konzerne laut dem Internationalen Währungsfonds (IWF) massive Subventionen aus dem Steueretat – allein in Deutschland 70 Milliarden Euro jährlich. Solche massiven Subventionen erhalten die Solarstromerzeuger nicht annähernd.

Und gerade hat das Bundeskabinett auf Vorschlag der zuständigen Wirtschaftsministerin Reiche diese fossilen Subventionen nochmals um 3,6 Milliarden Euro erhöht: Die bisher von allen Erdgaskunden gezahlte Gasspeicherumlage wird nun aus Steuergeldern gedeckt. Das damit günstiger werdende Erdgas wird so den Erdgasabsatz und den Gewinn der Erdgaskonzerne beflügeln. Auch strebt Reiche mit ihrem Ziel des Neubaus von Erdgaskraftwerken weitere neue Subventionen für die Erdgaskonzerne an.

Dazu gibt es nun sogar Widerstand in der Union selbst. Thomas Heilmann, Vorsitzender der Klimaunion, sagte dem „Handelsblatt“: „Jede neue Subvention für Gaskraftwerke wird ein Preistreiber für unsere Stromkosten, weil der Gaspreis immer stärker zum Taktgeber für den gesamten Strommarkt würde.“

Bisher ungenügende Systemintegration der erneuerbaren Energien muss zur schnellen Systemintegration führen – nicht zur Drosselung des Ausbaus

Als Hauptargument für ihre Vorschläge dienen der Ministerin hohe Spreizungen der Börsenstrompreise und hohe Kosten für den Stromnetzausbau. Deshalb müsse der Ausbau der Solardachanlagen gebremst und die feste Einspeisevergütung abgeschafft werden. Zur Mittagszeit im Sommer wird zu viel Solarstrom erzeugt, und so werden die Netze überlastet.

Ja, dies ist natürlich eine Aufgabe, aber kein unlösbares Problem. Bekannt ist es seit vielen Jahren. Dennoch wurden die Maßnahmen zur Systemintegration der erneuerbaren Energien von der Unionspolitik seit Jahren verschleppt, obwohl sich eine mittägliche sommerliche Netzüberlastung mit mehr Photovoltaik-Anlagen immer stärker aufgebaut hat. Die verantwortliche Unionspolitik hat es in ihrer Regierungszeit bis heute nicht geschafft, frühzeitig Abhilfe zu schaffen. Erst unter der Ampel wurden Maßnahmen wie Speicherförderungen umgesetzt.

Netzintegrationsmaßnahmen für Photovoltaik seit Jahren bekannt, aber kaum umgesetzt

Der Bau von Speichern, intelligente Ladung von E-Mobilen, bidirektionales Laden, intelligente Steuerung von Wärmepumpen oder Klimaanlagen, die Flexibilisierung von Biogasanlagen und Wasserkraft, der Bau von Windkraft auch im Süden Deutschlands, statt sündteure Leitungen zu bauen, um Windstrom in den Süden zu bringen – all das wurde bisher nicht umgesetzt und sind die Versäumnisse der Unionspolitik der Vergangenheit.

Seit über 15 Jahren schlage ich eine Kombikraftwerksvergütung vor, also einen eigenen EEG-Vergütungssatz, der diejenigen wirtschaftlich belohnt, die systemdienlich einspeisen. Hätte es diese Vergütung schon längst gegeben, dann wären längst viel mehr PV-Dachanlagen mit Speichern, Ladestationen, Wärmepumpen entstanden, die Mittagsbelastung der Netze in sonnenreichen Zeiten wäre geringer, die Dachbesitzer hätten weiterhin gute EEG-Investitionsanreize, und der Ausbau der PV-Dachanlagen könnte zügig fortgeführt werden.

Wenn es der Union und Reiche wirklich um Kosteneinsparungen ginge, dann sollten sie endlich Vorschläge machen, wie die hohen Subventionen von über 70 Milliarden Euro für die fossile Wirtschaft eingeschränkt werden könnten. Doch dazu gab es von ihr bisher keinen einzigen Vorschlag – bei den erneuerbaren Energien aber kommen immer schlimmere Kostenbelastungsankündigungen, fast schon im Wochenrhythmus.

Die Union bleibt mit Reiche ihrer Tradition des massiven Ausbremsens der Erneuerbaren treu – ganz zum Schaden der deutschen Wirtschaft

Mit Ministerin Reiche bleibt die Union ganz in der Tradition ihrer bisherigen Anti-Erneuerbare-Energien-Politik. Der Einführung des EEG im Jahre 2000 hatte kein einziger Unionsabgeordneter zugestimmt. Um das Jahr 2012 hatte die Union mit verheerenden EEG-Novellen den jährlichen Ausbau der Photovoltaik von etwa 7 Gigawatt innerhalb von zwei Jahren – mithilfe massiver Verschlechterungen der Einspeisevergütung – auf etwa 1 Gigawatt schrumpfen lassen, ganz im Sinne von Reiche, die auch heute wieder den Ausbau der erneuerbaren Energien massiv drosseln will. Damals verlor Deutschland die Weltmarktführerschaft in der Solarindustrie an China. Heute kommen 80 Prozent aller Solartechnologien aus China, obwohl noch 2012 Deutschland der solare Industrieführer war. Reiche war damals als Staatssekretärin im federführenden Umweltministerium für den Niedergang der Solarindustrie mitverantwortlich. Sie hat also den Verlust von über 100 000 Jobs in der Solarwirtschaft und den Verlust der gesamten Solarindustrie nach China mitverantwortet.

Aus diesen verheerenden Fehlern hat sie nichts gelernt und setzt heute die Jobs im Solarhandwerk aufs Spiel.

Achtung: Nur den Mut nicht verlieren. Die Reiche-Ankündigungen sind noch lange nicht Gesetz

Bisher sind alle Ankündigungen von Katherina Reiche keine wirksamen Gesetze. Sie muss ja noch ihre verheerenden Vorschläge durch das Bundeskabinett bringen, wo sich schon die SPD-MinisterInnen querstellen können und müssen. Auch der Bundestag muss dann über entsprechende Gesetzesänderungen abstimmen. Da, wie Nina Scheer sagte, die Reiche-Vorschläge nicht mit dem Koalitionsvertrag vereinbar sind, sind die Hürden für Reiche sicher noch sehr hoch.

Doch wir sollten uns nicht täuschen. Auch 2012 schienen die massiven Eingriffe gegen die Solarwirtschaft durch Union und FDP undenkbar und sind dann doch gekommen.

Es wird Zeit, dass die Branche der erneuerbaren Energien und die Klimabewegung diese Angriffe von Ministerin Reiche sehr ernst nimmt und sich auf einen heißen Protestherbst auch auf der Straße vorbereitet. Es steht viel mehr auf dem Spiel als „nur“ der Ausbau der Photovoltaik-Dachanlagen: Der Klimaschutz an sich; die Unabhängigkeit der Energieversorgung von Unrechtsregimen wie Russland, Aserbaidschan, Qatar, Saudi-Arabien, inzwischen auch USA und anderen; und die Gesundheit der Bevölkerung (Hitzetote, Lungenkrankheiten u. a.).

Sehen Sie dazu mein ausführliches Interview mit Frank Farenski zur „Erdgaskathi“ (Katharina Reiche) im Rahmen seines Projekts „Leben mit der Energiewende

Auch der Bayerische Rundfunk (BR24) berichtete über die Absicht Reiches, die feste Einspeisevergütung für PV-Dachanlagen zu streichen – siehe dazu diesen Beitrag!

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.

Popular content

Eco Stor, Rendering, Batteriespeicher in Schuby, 103,5 Megawatt Leistung, 238 Megawattstunden Kapazität, geplanter Netzanschluss Mitte 2026
Bundeswirtschaftsministerium will große Batteriespeicher sofort aus KraftNAV nehmen
05 Dezember 2025 Der BEE kritisiert, dass die Politik kein geeignetes Verfahren vorschlägt, wie Netzanschlüsse für große Batteriespeicher künftig erfolgen sollten. Die...