Sara Aagesen, die spanische Ministerin für den ökologischen Wandel, hat am 14. Mai vor dem Congreso de los Diputados – dem Unterhaus des spanischen Parlments – erklärt, die Ursache des flächendeckenden Stromausfalls auf der iberischen Halbinsel sei zwar noch nicht bekannt und die von der Regierung eingesetzte Kommission sammle weiterhin Informationen. Es gebe inzwischen aber „einige Elemente, die wir kennen“.
Während der Sitzung bestätigte Aagesen, dass die Stromausfälle in drei Provinzen ihren Ursprung hatten: Granada, Badajoz und Sevilla. Die Ministerin versicherte, man sei nach sechs Sitzungen der Kommission zur Untersuchung des Stromausfalls eindeutig zu dem Schluss gekommen, dass kein Reserve- oder Deckungsproblem zu der unzureichenden Stromerzeugung und Absicherung der Netzstabilität geführt habe. „Es lag auch nicht an der Größe der Netze“, so die Ministerin: „Es war ein Ausnahme-Ereignis. Wir arbeiten daran, die Ursachen zu ermitteln, damit wir die notwendigen Maßnahmen ergreifen können um zu verhindern, dass sich so etwas wiederholt. Unser Ziel ist es, die Ursachen so schnell wie möglich und mit Gewissheit zu ermitteln.“
Aagesen erklärte vor den Abgeordneten, sie könne „versichern, dass wir uns bei der Klärung der Ursachen des Stromausfalls nicht von politischen Erwägungen leiten lassen werden.“ Die Analyse umfasse Millionen von Datenpunkten. Die Ministerin legte eine chronologische Aufschlüsselung des Vorfalls auf der Grundlage der bislang verfügbaren Informationen vor und stellte fest, dass die Analyse „viel zu komplex ist, um die eine oder die andere Erzeugungsquelle zu bezichtigen“. Aagesen trat auf eigenen Wunsch vor das Plenum, um die neuesten Informationen aus der Kommission zu den Ursachen des Vorfalls vorzustellen.
Erneut legte sie dar, dass es – wie bereits bekannt – eine halbe Stunde vor dem Blackout vom 28. April zwei Schwingungsereignisse (Oszilationen) im iberischen System und dessen Anbindung an das kontinentale Netz gab. Um 12.03 Uhr wurden Oszillationen festgestellt, die fünf Minuten andauerten und während derer starke Spannungs- und Frequenzschwankungen auftraten. Das zweite Ereignis, um 12.19 Uhr, dauerte drei Minuten. Aagesen zufolge „ist dies eine häufigere Erscheinung im europäischen System“ mit Ursprung im Osten des europaweit synchronisierten Netzes. Der nationale Übertragungsnetzbetreiber REE (Red Eléctrica de España) habe Maßnahmen ergriffen, um die Schwingungen zu dämpfen.
Nach den Ereignissen habe die Last um 12.30 Uhr bei 25,184 Gigawatt gelegen, wobei zu diesem Zeitpunkt 3 Gigawatt auf Pumpspeicher entfiel. Wenige Minuten später begann dann ein Prozess fortschreitender Erzeugungsverluste. Der erste wurde in einem Umspannwerk in der Provinz Granada drei Sekunden vor 12:33 Uhr festgestellt, dann, nur 19 Sekunden später, in der Provinz Badajoz und 20 Sekunden später in der Provinz Sevilla. Diese drei Ereignisse führten zu einem kumulierten Verlust von 2,2 Gigawatt innerhalb weniger Sekunden.
„Unmittelbar danach“, so Aagesen, „beginnt die Phase der kaskadenartigen Überspannungsabschaltung“. An- und absteigende Spannung seien aufgetreten, kurz darauf sei ein Leistungsabfall und der Verlust der Synchronisation gefolgt. Um 12:33 Uhr seien durch den entstandenen Frequenzabfall die erste Lastabwurfschwelle überschritten und erste Verbraucher vom Netz getrennt worden. Da die Erzeugungsverluste anhielten, wurden weitere Lastabwurfstufen aktiviert. Die letzte und sechste folgte um 12:33 Uhr, und schließlich war das gesamte Stromnetz der Halbinsel betroffen.
In anderen Worten: Der Übertragungsnetzbetreiber versuchte mit sechs Maßnahmen zur Abschaltung von Lasten erfolglos, den totalen Stromausfall zu verhindern. „Keine dieser Maßnahmen konnte den Zusammenbruch des Systems verhindern“, so Aagesen. Warum diese Schutzmaßnahmen nicht ausreichten, sei noch nicht geklärt. Um 12.44 Uhr sei die über Frankreich führende Verbindung zum europäischen Netz wiederhergestellt worden. „Sobald das Netz auf Null war, wurde mit der Wiederherstellung der Versorgung begonnen“, so die Ministerin.
Aagesen erklärte in der Sitzung erstmals, dass ein Cyberangriff auf den Netzbetreiber inzwischen ausgeschlossen wird, da es „keine Anzeichen gibt, die darauf hindeuten.“ Dies sei „eine sehr gute Nachricht“. Zugleich verteidigte sie Spaniens Engagement für erneuerbare Energien: „Wir sprechen dabei nicht nur über Nachhaltigkeit, sondern auch über Energieautonomie und wettbewerbsfähige Preise, neue Investitionen und eine echte Chance für die Reindustrialisierung. Ein höherer Anteil erneuerbarer Energien verringert die externen Risiken.“ Spaniens niedrige Strompreise seien dem hohen Anteil erneuerbarer Energien zu verdanken und „eine Chance für das Land, die wir nicht ungenutzt lassen dürfen“.
In Bezug auf die Rolle der Atomkraft vertrat Aagesen die Ansicht, es sei nicht seriös, den Zeitplan zur Abschaltung der spanischen Kernkraftwerke mit dem Stromausfall in Verbindung zu bringen. Sie wies darauf hin, dass die Eigentümer und Betreiber der Kraftwerke diesen Zeitplan selbst vorgeschlagen hätten. Die Regierung unterstützte die Abschaltung. Würden die Unternehmen indes „einen neuen Zeitplan vorschlagen wollen, wird die Regierung ihn genau prüfen und dabei berücksichtigen, dass er die Sicherheit der Bevölkerung gewährleistet, wofür ein positiver Bericht des Nationalen Sicherheitsrates erforderlich ist, und dass er wirtschaftlich tragfähig ist, dass also eine Verlängerung nicht die Taschen der Bürger belastet, und dass er zur Versorgungssicherheit beiträgt“, schloss die Ministerin.
Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.
Ist das nicht genau das Problem mit dem deutschen Solarspitzengesetz? In dem Moment, in dem die Strompreise ins Negative rutschen, werden zukünftig automatisch tausende Solaranlagen von „Einspeisung“ in „Eigenverbrauch“ oder „Speicher laden“ umschschalten.
So einfach ist es nicht. Lesen Sie den Artikel genau: Da ist von Oszillationen die Rede. Da ist nicht einmalig etwas weggefallen, sondern es gab Impulse, die Korrekturbedarf auslösten, dieser Korrekturbedarf wurde zeitverzögert aber zu stark befriedigt, was wieder Korrekturbedarf in die Gegenrichtung auslöste und so immer weiter. In einem gut geplanten Regelkreis werden solche Überreaktionen gedämpft, bis sich das System in einem neuen stabilen Zustand einpendelt. In einem unzureichend gedämpften Regelkreis werden die Ausschläge immer größer, bis in einer Richtung die Korrekturmechanismen überfordert sind. Das wurde in Spanien dann mit Lastabwurf gelöst, aber wohl zu spät. Zum Schutz von Leitungen und Transformatoren wurde alles heruntergefahren, und dann erst Stück für Stück wieder hochgefahren, die nächsten Veränderungsimpulse immer erst eingeleitet, wenn die Schwingungen aus dem vorigen sich beruhigt hatten. Das dauert dann.
Das Abschalten von PV-Anlagen kann ein Änderungsimpuls sein, der die Regelkreise sehr belastet. Da er aber schon vorher bekannt ist, sollte die Netzregelung darauf vorbereitet sein.
Durch die Zunahme der Akteure (Dezentralisierung) wird die Netzregelung auch nicht einfacher, aber gleichzeitig wird der Einsatz von künstlicher Intelligenz die angepasste Dämpfung von Schwingungen flexibler machen. Aus dem Ereignis in Spanien wird man sicher viel lernen können.
zu den seeeehr komplexen Vorgänge empfehle ich die Analyse der Profis Prof. Kräuter und Dr. Fette auf YouTube sich anzuschauen. Es ist auch sehr mathematisch, aber unser System beschreitet eine Transformation, welche nicht mehr von Personen rechtzeitig und genau geregelt werden können. Da muss Software her, abgestimmt für ALLE Erzeugungs-, Übertragungs- und Verteilenenen. Laut Aussage der Profis sind die Ebenen nicht mehr unabhängig voneinander.
Vielen Dank für den Hinweis auf Krauter und Fette. Es reicht, sich das Update 1 anzusehen (Update 2 ist noch nicht verfügbar), weil Fette dort alles wichtige und nachvollziehbare aus dem ersten Video besser (weil mit Laserpointer unterlegt) wiederholt.
Das mathematische Namedropping (Feigenbaum etc.) versteht man nur, wenn man drin ist in der Theorie der Nichtlinearen Systeme, populärwissenschaftlich auch „Chaostheorie“ genannt.
Die Aussage ganz zum Schluss, dass die unterschiedlichen Zeitkonstanten (das ist grob gesagt der Zeitverzug zwischen Veränderungsimpuls und Wirkung des Nachregelversuchs) der Komponenten das Problem wären, wage ich zu bezweifeln. Ich glaube eher, dass man eine klare Hierarchie braucht, auf welchen Netzebenen diese Zeitkonstanten kürzer bzw. länger sein müssen, um Resonanzeffekte zu vermeiden.
Außerdem würde ich mir mal etwas dazu wünschen, wie sich physikaliche (=analoge) Dämpfung zu digitaler Dämpfung verhalten. Man könnte schließlich jedes wegfallende Wärmekraftwerk mit rotierender Masse durch einen entsprechenden Rotor ersetzen, wie es sie schon einige gibt, z.B. Stadtwerke München. Diese Rotoren laufen dann in evakuierten Gehäusen magnetisch gelagert praktisch reibungsfrei und dämpfen die aus den üblichen Veränderungsimpulsen kommenden Oszillationen von Spannung und Frequenz ab. Digitale Dämpfung hingegen produziert durch schrittweise Korrekturen wieder hochfrequente Oszillationen, sind dafür flexibler, was eine angepasste Veränderung der Dämpfungskonstante angeht.
Ich habe auch eine Aussage dazu vermisst, wie es zu beurteilen ist, dass ein bekannter Veränderungsimpuls (Sonnenaufgang) immer wieder zu den gleichen unzulänglichen Ausgleichsbemühungen führt, die das System an den Rand der Nichtlinearität führen. Wir hatten in den letzten Jahren mit partiellen Sonnenfinsternissen doch schon erhebliche Änderungsimpulse, die dank guter Vorbereitung excellent (wie das aus der Warte des unbedarften Beobachters erschien) verarbeitet wurden.
Für mich blieb das Resumee: Die Netzregelung muss schauen, dass sie mit ausreichendem Sicherheitsabstand im linearen Bereich bleibt. Sowie sich die Symptome der Nichtlinearität (Periodenverdopplung etc.) zeigen, wofür Dr. Fette schon vor 20 Jahren Online-Analysegeräte entwickelt hat, müssen vorübergehend so viele Systeme herausgenommen (oder Regelreserven zugeschaltet) werden, dass die Linearität wieder gewährleistet ist. Und je länger man mit diesen Eingriffen wartet, desto drastischer fällt dann der Shutdown aus. Der Normalfall sollte aber sein, dass ausreichend Regelreserve besteht, um diesen Fall (der mit Sicherheit immer auch Menschenleben kostet) so selten wie möglich eintreten zu lassen. Ob man auch Analyseprogramme entwickeln kann, die schon die Annährung an den nichtlinearen Bereich erkennen können, konnte ich dem Vortrag nicht entnehmen. Aber dazu fehlt mir vielleicht auch das Radar, um alle Nebenbemerkungen zu verstehen.