Norddeutsches Reallabor: Wasserstoff wird im Straßenverkehr nur untergeordnete Rolle spielen

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Das Norddeutsche Reallabor (NRL) hat in einer Studie untersucht, welchen Beitrag verschiedene Antriebe, Technologien und Energieträger – konkret batterieelektrische Antriebe, stromgeführte Oberleitungen, Brennstoffzellenantriebe und strombasierte synthetische Kraftstoffe – zur Defossilisierung des Straßenverkehrs leisten können. Auf Basis von Literaturauswertungen, Experteninterviews und eigenen Modellierungen untersucht die NRL-Studie, inwiefern ihr Einsatz für ein zukunftsfähiges Verkehrssystem ökologisch und ökonomisch sinnvoll ist.

Dabei kommen die Experten zu dem Ergebnis, dass Wasserstoff im Straßenverkehr künftig nur eine untergeordnete Rolle spielen wird. Die Gründe dafür lägen in der eingeschränkten Verfügbarkeit von Fahrzeugmodellen, Lieferschwierigkeiten und unzureichender Infrastruktur sowie insbesondere die niedrigere Energieeffizienz und der höhere Preis.

Die günstigste Energiequelle für den Fahrzeugbetrieb ist elektrischer Strom, so die Experten. Wasserstoff dürfte der Studie zufolge im gewerblichen Kontext an der Tankstelle netto nur rund fünf Euro pro Kilogramm kosten, um zum aktuellen Strompreisniveau konkurrenzfähig zu sein. Tatsächlich kostet der aktuell an Tankstellen erhältliche, zumeist graue Wasserstoff derzeit aber noch netto 10,80 Euro pro Kilogramm für 350 bar-Nutzfahrzeuge. Für den privaten PKW-Bereich mit dem typischen 700-bar Tank gilt, dass für eine Konkurrenzfähigkeit der aktuelle Tankstellenpreis von brutto 13,85 auf rund acht Euro pro Kilogramm für rein grünen Wasserstoff gesenkt werden müsste.

Schließen ließe sich diese Preisschwere mit Klimaschutzdifferenzverträgen. Über sogenannte „Carbon Contracts for Difference“ zwischen Staat und Unternehmen sollen die Mehrkosten bei den Klimaschutz-Aufwänden ausgeglichen werden. Bislang ist allerdings nur vorgesehen, das Instrument auf die Stahl- und Chemieindustrie anzuwenden. Ein weiterer möglicher Anreizmechanismus für den Einsatz von grünem Wasserstoff im Verkehrssektor ist nach Ansicht des NRL das Instrument der Treibhausgas-Minderungsquote.

Auch im Schwerlastverkehr gibt es Alternativen zum Wasserstoff

Bei Pkw und leichten Nutzfahrzeugen verweisen die Experten auf das breite Angebot an batteriebetriebenen Fahrzeugen gibt, die sowohl in der Anschaffung als auch im Betrieb gegenüber einem fossilen Verbrennungsmotor wirtschaftlich sind. „Dass Brennstoffzellen-Fahrzeuge den Vorsprung in diesen Fahrzeugklassen noch aufholen werden, erscheint unwahrscheinlich und ist – wegen der geringeren Energieeffizienz – aus gesamtsystemischer Energiewendeperspektive auch nicht sinnvoll“, betont Studienautor Jonas Bannert vom Competence Center für Erneuerbare Energien und EnergieEffizienz (CC4E) der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg.

Anwendungsfälle für Wasserstoff im Straßenverkehr sehen die Experten allenfalls im Schwerlastverkehr oder aber bei Nutzfahrzeugen mit einem energieintensiven Arbeitsaggregat, etwa Abfallsammelfahrzeuge oder Kühlfahrzeuge. Allerdings seien wasserstoffbetriebene Fahrzeuge hier nur als eine der möglichen Antriebsvarianten zu werten – auch Oberleitungen oder insbesondere der Einsatz von weiterentwickelten Batterie-Fahrzeugen seien in diesem Bereich denkbar.

Mit der Konzentration auf den Einsatz von wasserstoffbasierten Antrieben im Schwerlast- und Nutzfahrzeugverkehr geht der Studie zufolge auch die Notwendigkeit einher, den Ausbau von Wasserstoff-Tankstellen mit 350 bar gegenüber 700 bar zu priorisieren, um entsprechende Fahrzeugflotten auch betanken zu können. Den Ausbau von 700-bar-Tankstellen für die Pkw-Betankung empfiehlt die Studie vor dem Hintergrund erwartbar geringerer Auslastung dagegen zu begrenzen.

Wasserstoff für Schiffs- und Flugverkehr aufsparen

Beim Blick auf die E-Fuels verweist die Studie auf die Effizienzverluste bei deren Ineffizienz im Vergleich mit dem Einsatz von Wasserstoff in einem Brennstoffzellen-Fahrzeug. „Zwar können wir theoretisch grünen Wasserstoff oder E-Fuels aus anderen Teilen der Welt importieren, doch wann und in welchem Mengen das möglich sein wird, ist noch ziemlich unklar. Eigentlich müssen die Exportregionen zunächst auch die eigene Energiewende vor Ort schaffen, bevor aus diesen Regionen grüne Energie exportiert werden sollte“, so Studienautor Bannert. Zudem seien E-Fuels lokal betrachtet nicht treibhausgasneutral und aufgrund der weiterhin vorhandenen Abgase insbesondere für den urbanen Raum keine Lösung für den Straßenverkehr.

Der knappe grüne Wasserstoff wird der Studie zufolge in anderen Sektoren dringender gebraucht – im Verkehrssektor gelte, dass E-Fuels aktuell nur für die defossilisierte Langstrecken-Luftfahrt, die Hochseeschifffahrt sowie in Teilen der Binnen- und Seeschifffahrt alternativlos sind.

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