Kleine Verbesserungen für Erneuerbare im Jahre 2023, aber immer noch kein Klimaschutz

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In der letzten Bundestagssitzungswoche vor Weihnachten 2022 wurde ein umfangreiches Gesetzespaket mit dem Ziel des beschleunigten Ausbaus der Erneuerbaren Energien beschlossen.

Damit geht die Ära 16 Jahre Merkel endgültig zu Ende, bei der es mit jeder EEG Novelle immer neuen Druck auf den Ausbau der erneuerbaren Energien gab. Die Einbrüche beim jährlichen Ausbau von Solar- und Windenergie, Bioenergie und Wasserkraft waren verheerend. Hätte es diese gesetzlich verordneten Einbrüche nicht gegeben, sondern wären die vom EEG 2000 angestoßenen exponentiellen Wachstumskurven fortgeführt worden, dann könnten wir heute bereits in der Nähe von 100 Prozent Ökostrom sein und nicht, wie die aktuellen Zahlen aufzeigen, bei knapp 50 Prozent Ende 2022.

Die Energiepreissteigerungen der letzten beiden Jahre wären bei Weitem nicht so hoch gewesen, allein im Stromsektor gäbe es gar keine; die Abhängigkeit von russischen Energielieferungen wäre schon vor Jahren verringert worden; Kohlekraftwerke wären nicht reaktiviert worden; die letzten Atomkraftwerke wären am 1.1.2023 vom Netz gegangen und der Ausbau der LNG Terminals wohl nicht notwendig. Auch Lützerath würde nicht abgebaggert werden.

Die Ampelkoalition hat nun deutlichen Willen für den Ausbau der Erneuerbare Energien gezeigt und tatsächlich starke Ausbaubremsen gelöst.

Es wurden wichtige Maßnahmen ergriffen, die hier nicht alle aufgezählt werden können. Daher verweise ich auf die Zusammenstellung des Wirtschaftsministeriums unter Robert Habeck, wo Sie diese nachlesen können.

Beispielhaft seien wichtige Punkte erwähnt, die einen echten Schub für den Ausbau der erneuerbaren Energien bewirken werden: Die Umsatzsteuerbefreiung bei kleinen Solaranlagen; der Abbau bürokratischer Hürden im Bereich der Steuern und der Netzeinbindung; die deutliche Vergütungserhöhung bei Photovoltaik-Dachanlagen; das neue Förderprogramm für die Unterstützung von Bürgerenergien; die Befreiung von der Ausschreibungspflicht von Bürgerenergie bei Windkraftprojekten bis 18 Megawatt und Photovoltaik-Parks bis 6 Megawatt; das 2 Prozent Flächenziel für die Bundesländer für Windkraftanlagen; die höheren Ziele für Offshore Windkraftausbau; die Sonderregelung für die Förderung und die Erleichterungen bei Biogasanlagen und einiges mehr.

Allerdings gab es auch große Irritationen aufgrund der politischen Diskussionen und einer wie so oft ungenauen Medienberichterstattung. So haben mir Handwerker erzählt, dass Photovoltaik-Dachanlagen-Bestellungen storniert wurden, weil Dachbesitzer fürchteten von der Gewinnabschöpfung der Erneuerbare Energien betroffen zu sein. Offensichtlich kam es nicht überall an, dass die Gewinnabschöpfung nur Anlagen größer 1 Megawatt betrifft, welche von Dachanlagen auf privaten Dächern nicht erreicht werden.

Als großes Hemmnis wird sich aber erweisen, dass neuen, privatrechtlich-direkten Stromlieferverträgen (PPA) tatsächlich eine fiktive Gewinnabschöpfung drohen kann. Das wird im kommenden Jahr große Chancen des ungeförderten Ausbaus der erneuerbaren Energien brach liegen lassen – ganz zum Schaden des Klimaschutzes.

Gerade die Gewinnabschöpfung der erneuerbaren Energien wird aber die Bürokratielast weiter erhöhen, obwohl doch genau der viel beschworene Bürokratieabbau eine der zentralen Ziele für einen beschleunigten Ausbau der erneuerbare Energien sein muss.

So gut nun viele beschlossenen Änderungen im EEG und anderen Gesetzen sind, so wenig werden sie aber die notwendige, starke Beschleunigung bewirken, die der Klimaschutz tatsächlich braucht. Schon das für den Klimaschutz völlig unzulängliche Ziel der Ampelkoalition von 80 Prozent Ökostrom bis 2030 ist damit nicht erreichbar, geschweige denn das aus Klimaschutzgründen notwendige Ziel von 100 Prozent Erneuerbare in allen Energiesektoren bis 2030.

Um das zu erreichen braucht es im kommenden Jahr große Gesetzesänderungen und kein weiteres Herumdoktern an den unter den Merkelregierungen geschaffenen Behinderungsstrukturen.

Ein großer Teil der Dezember-Änderungen liegen innerhalb des komplett verfehlten Ausschreibungssystems. So werden dort Flächenkulissen erweitert, Ausschreibungsvolumina erhöht, Befreiungskriterien für Bürgerenergien formuliert. Alles nur wieder neue Vorschriften, neue hemmende Bürokratie.

Auch die viel gelobte Erhöhung der Höchstwerte für Vergütungen in den Ausschreibungen sind in Wirklichkeit ein Offenbarungseid. Die Einführung der Ausschreibungen unter Abschaffung der gesetzlich garantierten, festen Einspeisevergütung wurden ja vor allem damit begründet, dass der Wettbewerb innerhalb der Ausschreibungen zu einer schnellen Kostensenkung führen soll. Das Gegenteil ist der Fall: eine deutliche Erhöhung der Höchstwerte der Vergütungen und gleichzeitig sind gerade die letzten Ausschreibungen massiv unterzeichnet.

Ein deutlicheres Zeugnis für das komplette Versagen des Systems der Ausschreibungen kann es nicht geben. Daher müssen die Ausschreibungen – zugunsten einer modernen festen Einspeisevergütung – endlich wieder abgeschafft werden. Damit das EU-rechtlich durchsetzbar wird, braucht es eine EEG-Umlage II, aus der alle neuen Anlagen vergütet und wieder von den Stromkunden bezahlt werden soll.

Dies wäre einer der ganz wichtigen Gesetzesänderungen.

Doch selbst die Verbände der erneuerbaren Energien halten blind an den Ausschreibungen fest. Sie fordern nur innerhalb der Ausschreibungen Verbesserungen, was, wie man deutlich sieht, nicht funktionieren kann.

Ich erinnere gerne daran, dass wir Abgeordnete unter Rot-Grün im Jahre 2000 auch nicht am alten – weitgehend unwirksamen – Stromeinspeisegesetz aus der Ära Kanzler Kohl herumgedoktert haben. Wir haben das Stromeinspeisegesetz abgeschafft und mit dem EEG ein neues Gesetz geschaffen.

Genau diesen Mut des Parlamentes braucht es auch heute für neue, große gesetzliche Initiativen: Abschaffen der Ausschreibungen, Einführung einer Kombikraftwerksvergütung, Erlaubnis eines unbürokratischen und abgabefreien Energysharings nach der EU-Richtlinie RED II; neues Strommarktdesign – am besten mit einer eigenen Grünstrombörse – sowie Einführung des Klimaschutzes als kommunale Pflichtaufgabe.

Und es braucht auch eine Start-up-Offensive für alle vielversprechenden Innovationen im Klimaschutzsektor, sowie eine industrielle Offensive für den Bau von Fabriken in den Technologiebereichen: Solar, Windanlagen, Speicher, Bioenergie, Wasserkraft, Geothermie, Wärmepumpen, dezentraler grüner Wasserstoff aus Elektrolyse und Algen, elektrische Antriebe auch bei Bussen, LKW, Landmaschinen, Baumaschinen und vieles anderes mehr.

Hier zeigt die Ampelkoalition noch große Schwächen, die sie beim Ausbau der LNG Terminals oder Verträgen für den Import von blauem (also höchst klimaschädlichen) Wasserstoff eben nicht zeigt.

Unter dem Strich muss man daher leider feststellen, dass die Ampelkoalition bisher in der Verfestigung der klimaschädlichen Erdgas- und Kohleenergie mehr geschaffen hat, als beim beschleunigten Ausbau der erneuerbaren Energien.

Das Verfehlen der schon vollkommen unzulänglichen nationalen Klimaziele auch im Jahre 2022 ist bezeichnend.

Damit ist auch die Ampelkoalition nicht auf dem Boden der Verfassung, denn die Verfassungsrichter stellen ja längst fest, dass der Klimaschutz Verfassungsrang hat und die Klimaschutzmaßnahmen erheblich angeschärft werden müssen.

Das genau muss sich in diesem Jahr 2023 ändern, ansonsten geht auch die Ampelkoalition unter Bundeskanzler Olaf Scholz in die Geschichte als die großen Klimazerstörer ein, ähnlich wie die Regierungen unter den Kanzlern Angela Merkel und Helmut Kohl.

— Der Autor Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group. Er war 1998-2013 MdB für Bündnis/Die Grünen und ist Mit-Autor des Entwurfs des Erneuerbare-Energien-Gesetzes von 2000. http://hans-josef-fell.de —

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