Was ist das Ziel der Solarpflicht: vollbelegte Dächer oder die Energiewende?

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CAN Europe hat ein durch das Öko-Institut ausgearbeitetes Grundsatzpapier vorgelegt, in dem eine europaweite Pflicht zur vollständigen Belegung aller geeigneten Dachflächen mit Solartechnik gefordert wird. Die Solarpflicht soll für alle Neubauten gelten sowie für Bestandsgebäude, deren Dachflächen erneuert werden. Das Papier des Öko-Instituts sieht auch die Solarthermie als sinnvolle Erfüllungsoption vor, wird jedoch der hohen Flächeneffizienz von Sonnenkollektoren nicht gerecht. Diese liefern bei passender Dimensionierung und Anlagentechnik jährlich dreimal mehr CO2-freie Nutzwärme, als eine gleich große Photovoltaik-Anlage an elektrischer Energie erzeugt.

Die Bundesregierung hat das Ziel, bis 2030 sechs Millionen Heizungen auf elektrische Wärmepumpen umzustellen. Damit bleiben in Deutschland ungefähr doppelt so viele Heizungsanlagen bis 2030 und darüber hinaus auf fossile Brennstoffe angewiesen. Für diese Anwendungen bietet die Solarthermie eine höchst effektive Lösung, indem die Solarwärme einen beträchtlichen Teil des Verbrauchs an fossiler Energie verdrängt. Gleichzeitig bringen Sonnenkollektor-Anlagen nach dem heutigen Stand der Technik Pufferspeicher, exergieoptimierte hydraulische Schaltungen und digitale Regelungstechnik in die Häuser, durch die weitergehende Effizienzgewinne erreicht werden. Genau diese Technik bietet – unter Weiternutzung des Sonnenkollektors – eine gute Grundlage für die baldige Umrüstung auf einen Wärmenetzanschluss oder eine Wärmepumpe.

Die Investition in eine Solarthermie-Anlage ist für die meisten Hauseigentümer finanzierbar und angesichts der stark gestiegenen Energiepreise wirtschaftlich sinnvoll. Wenn jedoch zusätzlich eine das gesamte übrige Dach bedeckende Photovoltaik-Anlage verpflichtend vorgeschrieben wird, übersteigt das häufig die finanzielle Leistungsfähigkeit der Haushalte. Dient es wirklich dem Klimaschutz, wenn am Schluss nur die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach installiert wird, die in der alten Heizungstechnik kaum Ansatzpunkte hat, um mit Überschussstrom den Verbrauch fossiler Brennstoffe zu vermindern?

Auch die Anbieter hochwertiger Photovoltaik-Module sollten ein Interesse daran haben, dass die Flächeneffizienz der eingesetzten Technologie bei der Solarpflicht berücksichtigt wird. Es bringt mehr für die Energiewende und den Klimaschutz, bei möglichst vielen Gebäuden vorrangig die am besten geeigneten Teile der Dachflächen zu nutzen: mit Sonnenkollektoren, wo das eine wesentliche Energieeinsparung der Heizungstechnik erreicht, mit Photovoltaik, wo andere Kriterien  dafür ausschlaggebend sind. Das ist zum Beispiel der Fall, wenn im Sommer überhaupt kein Wärmebedarf gegeben ist oder die Dachflächen schlecht auf die Wintersonne ausgerichtet sind. Das kann auch der Fall sein, wenn ein Gebäude durch Anschluss an ein Geothermie-Wärmenetz weder Brennstoff noch Strom für seine Wärmeversorgung benötigt.

Die Politik sollte besser durch Anreize dafür sorgen, dass beide Solartechnologien sowohl auf den einzelnen Gebäuden als auch im gesamten Energiesystem ihre Ausbaupotenziale schnell erreichen.

– Der Autor Axel Horn ist seit 1992 als Fachingenieur für Solarthermie tätig. Er studierte Versorgungstechnik an der Fachhochschule München. Im Zuge seiner Diplomarbeit entstand das Simulationsprogramm „GetSolar“. www.ahornsolar.de – 

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