Schweiz: Beschleunigter Photovoltaik-Ausbau schafft mehr Versorgungssicherheit als längere AKW-Laufzeiten

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In der Schweiz sind derzeit vier Atomkraftwerksblöcke am Netz. Die beiden ältesten davon, Beznau 1 und Beznau 2, sollen bis spätestens 2035 abgeschaltet werden. Wie wirkt es sich auf die Versorgungssicherheit der Schweiz aus, wenn dafür die Laufzeit der beiden Atommeiler Gösgen und Leibstadt verlängert wird – und wie, wenn stattdessen die Photovoltaik stärker ausgebaut wird? Um diese Frage zu beantworten, hat die Schweizerische Energie-Stiftung SES beim Berliner Wirtschaftsforschungsinstitut DIW eine Studie in Auftrag gegeben. Die Experten kommen zu einem eindeutigen Ergebnis: Der Photovoltaik-Ausbau ist sicherer als die Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke.

Das DIW-Team um Christian von Hirschhausen hat vier Szenarien zur Dekarbonisierung des Schweizer Stromsystems bis 2035 modelliert. Einer Szenario-Variante mit längeren Laufzeiten der Atommeiler stellen sie eine Szenario-Variante gegenüber, in der verstärkt Photovoltaik-Anlagen zugebaut werden. Darüber hinaus werden für die zur Verfügung stehende Austauschkapazität mit dem Ausland zwei Szenario-Varianten angenommen, mit einem geringen sowie einem intensiven Austausch.

Im März und April kann’s kritisch werden

Die Schweizer Kernkraftwerke weisen zwar im internationalen Vergleich relativ hohe Produktionswerte auf, so die Forscher. Allerdings unterlägen sie aber auch erheblichen Unsicherheiten durch ungeplante Ausfälle, verlängerte Reparaturzeiten und sicherheitsbedingte Reaktorschnellabschaltungen. Eine Laufzeitverlängerung bedeute deshalb ein Versorgungsrisiko.

Durch den hohen Anteil der Speicherwasserkraftwerke an der Erzeugung ist die Versorgungssicherheit in den Monaten März und April besonders kritisch, da dann durch den saisonal bedingten geringeren Zufluss im Winter der Speicherstand sehr niedrig ist. Hier bedeutet nach Einschätzung der Forscher insbesondere das Ausfallrisiko von Atomkraftwerken („Klumpenrisiko“) einen Unsicherheitsfaktor. Ohne die Berücksichtigung einer strategischen Energiereserve in Form von Wasserkraft oder zusätzlicher Leistungsreserven, etwa Gaskraftwerke, würde bereits ab Anfang März zu wenig Erzeugungsleistung zur Verfügung stehen, um einen AKW-Ausfall von einem Monat in den Szenario-Varianten mit Laufzeitverlängerung abzufangen.

Die durch Abschaltung aller Kernkraftwerke wegfallende Stromproduktion könnte 2035 bei einem beschleunigten Ausbau der Erneuerbaren, insbesondere der Photovoltaik, ersetzt werden, heißt es in der Studie. Dabei müssten allerdings mehr Speicher – Batteriespeicher wie Pumpspeicher – genutzt werden, hinsichtlich der Gesamtmenge wie der Spitzenleistungen.

Im Vergleich zu einem verlängerten Betrieb der Atomkraftwerke ist ein auf Photovoltaik basierendes Energiesystem weniger anfällig dafür, dass große Erzeugungsmengen ungeplant ausfallen, lautet das Fazit der Studie. Deshalb sind auch weniger teure Reserven in Form von Speicherwasser nötig. «Auf Reserve-Gaskraftwerke könnte sogar ganz verzichtet werden», erklärt DIW-Forscher Mario Kendziorski.

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