Kontinuität und Visionen: Wie es mit dem Mieterstrom nach der Bundestagswahl weitergehen sollte

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Nur noch wenige Wochen sind es bis zur Bundestagswahl. Und damit rückt auch die inhaltliche Positionierung einer neuen Regierungskonstellation näher. Wie auch immer diese angesichts der derzeitigen Koalitionsfarbenspiele aussehen wird – ein Thema hat gute Chancen es in den nächsten Koalitionsvertrag zu schaffen: Mieterstrom.

Gemeinsame Schnittmenge in den Wahlprogrammen: Mieterstrom

Außer der FDP und der AfD betonen alle derzeit im Bundestag vertretenen Parteien in ihren Wahlprogrammen, dass sie Mieterstrom „voranbringen und noch bestehende Hemmnisse abbauen“ wollen (Union), „Mieterstromkonzepte einer hauseigenen Stromversorgung durch BHKWs im Keller oder Photovoltaik-Anlagen dem Dach“ unterstützen (LINKE), „Mieterstrom und gemeinschaftliche Eigenversorgung stärken“ (SPD) oder die „Mieterstrom-Regeln deutlich vereinfachen“ werden (GRÜNE). Das alles klingt gut, dabei braucht der Markt zunächst vor allem eines: Kontinuität.

Was der Mieterstrom-Markt braucht: Kontinuität

Es ist zwar richtig, dass die Menge der Photovoltaik-Zubauten, die einen Mieterstrom-Zuschlag in Anspruch nehmen, seit der Einführung des Mieterstromgesetzes 2017 mit zweistelligen Megawattzahlen nur minimal zum Ausbau der Photovoltaik beigetragen hat. Aber das Thema nimmt Fahrt auf. Wir erleben derzeit, dass viele namhafte Stadtwerke und große Immobilienunternehmen in das Segment einsteigen – und das nicht nur mit Pilotprojekten, sondern mit Plattformen, die auf eine Skalierung setzen.

Gerade für diese Marktakteure, auf die es ankommt, wenn das Segment in der Breite funktionieren soll, braucht es Planungssicherheit und Kontinuität. So sind mehrmonatige oder gar mehrjährige Planungshorizonte in der Immobilienwirtschaft Normalität. Und da hilft es wenig, wenn sich die Rahmenbedingungen Jahr für Jahr ändern oder wenn schon allein die Antizipation der Eventualität von nächsten Anpassungen die Managemententscheidungen beeinflussen. Denn das wiederholte Anpassen der Prozesse kostet Geld und sorgt für Planungsunsicherheiten.

Zudem ist Mieterstrom schon heute rentabel. Die zuletzt im EEG 2021 vorgenommenen Anpassungen leisten dazu sicherlich einen Beitrag. So hat sich die Wirtschaftlichkeit der Projekte nochmals verbessert. Von der Gefahr einer Überförderung ist man zwar weit entfernt, aber wenn man schlank und standardisiert arbeitet, dann lassen sich in der Regel allerorts profitable Projekte umsetzen. Klar ist aber auch: Das geht nur, wenn man auf digitalisierte und standardisierte Prozesse setzt.

Worauf es ankommt: Digitalisierte und standardisierte Prozesse

Mieterstrom wird gerne als „kompliziert“ beschrieben. Das liegt an den vielfältigen Aufgaben von der nötigen Objekt-, Energie- und Kundendatenverwaltung, über die Tarif- und Zählererfassung und die Verwaltung der Verträge bis hin zu den Abrechnungen oder den Wechselprozessen oder an der mit all diesen Punkten verbundenen Kundenkommunikation. Ja, all das ist durchaus kleinteilig. Es ist aber nicht komplex, wenn man es richtig macht.

Mieterstrom ist nichts weiter als ein klassisches One-to-many-Geschäft, das es gut zu managen gilt. Auch wir sind vor zehn Jahren noch mit selbst programmierten Excel-Tabellen in das Geschäft eingestiegen. Das war nicht nur aufwendig, sondern am Ende auch ziemlich fehleranfällig. Insofern war bald klar, dass eine Skalierbarkeit nur möglich ist, wenn man die Prozesse weitgehend automatisiert.

Seit 2011 haben wir nun über 500 Mieterstrom-Projekte umgesetzt. Wir führen unser Know-how in der Projektabwicklung und der Abrechnung von Mieterstromanlagen auf unserer Online-Plattform zusammen. Diese bietet vom Abrechnungs­modul, dem Dokumenten­management bis hin zum Mieterportal alles, was es braucht, um Mieterstrom effizient zu managen – und damit skalierbar zu machen. Wir wissen, dass die digitale Standardisierung der Königsweg ist, um lokale Versorgungskonzepte zum Erfolg zu machen. Und wir können heute sagen, dass wir uns zutrauen, aus nahezu jedem mieterstrominteressieren Unternehmen auch einen profitablen Mieterstrom-Anbieter machen zu können.

Wo die Reise hingehen muss: Vor-Ort-Versorgung

Was wir nach der Bundestagswahl nicht brauchen, ist also eine neue Regierung, die im Übereifer alles wieder umstellt. Mieterstrom funktioniert und nun sollte der Markt auch die Chance bekommen, Megawatt für Megawatt in die Umsetzung zu gehen.

Woran die politischen Entscheider aber arbeiten sollten, ist eine mittelfristig tragfähige Perspektive für lokale Versorgungskonzepte im Allgemeinen. Wer die Dekarbonisierung voranbringen will, sollte alles daran setzen, die Innovationspotenziale in den Gebäuden zu heben. In der Kopplung der lokalen Photovoltaik-Erzeugung mit dem lokalen Verbrauch liegt ein wichtiger Beitrag für den Erfolg der Energiewende. Ladesäulen, Wärmepumpen, Speicher und Photovoltaik-Anlagen – all das gilt es zusammen zu denken.

Aber damit dies vorankommt, müssen wir weg von einer komponentenorientierten Überregulierung und hin zu systemorientierten Regelungen kommen, die sich auf die Schnittstelle zwischen dem Gebäude und dem Netz konzentrieren. Wie die dezentrale Energieversorgung bis zu Zähler im Detail organisiert wird, sollte hingegen den Akteuren überlassen sein.

Folgt man dieser Vision, so werden Modelle des Eigenverbrauchs, des Mieterstroms und der Quartiersversorgung irgendwann einfach zur Vor-Ort-Energie. Dass das technisch-wirtschaftlich geht, das wissen wir. Nun wird es an der nächsten Bundesregierung liegen, dafür mit einem geeigneten regulativen Rahmen auch das Fundament zu liefern und so den Weg für einen Dekarbonisierungsschub in den Gebäuden frei zu machen.

— Der Autor Steffen Kühner ist Gründer und Geschäftsführer der Vor Ort Energie GmbH. https://www.vor-ort-energie.de/ —-

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