Der Weltklimarat hat versagt, die Menschheit richtig über die Dramatik der Klimakrise zu informieren

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Seit Jahrzehnten hat zwar der Weltklimarat (IPCC) immer die Menschheit gewarnt, dass die Erderwärmung katastrophale Auswirkungen haben wird. Doch wie schnell die Krise voranschreitet und wie dramatisch die Lage ist und noch werden wird, hat der IPCC bislang nicht in aller Konsequenz prognostiziert. Erneut, wie schon früher von Bericht zu Bericht hat er sich auch im heute vorgelegten ersten Teil des sechsten Sachstandsberichts erneut korrigieren müssen.

So zeigt der IPCC heut auf: 1,5 Grad Celsius kommen 10 Jahre früher als er noch vor 3 Jahren in 2018 (!) prognostizierte. Mit seiner jahrzehntelangen Botschaft, die Welt könne noch weiter CO2 emittieren, hat auch er die heutigen schon längst vernichtende Dimensionen erreichenden Katastrophen (Hitzewellen, Dürren, Waldbrände, Hochwasser, Stürme, Hunger) mit zu verantworten.

Natürlich haben einzelne Forscher und Organisationen wie die WMO oder die NASA seit vielen Jahren wesentlich klarer die schnelle Geschwindigkeit der Klimakatastrophenentwicklung beschrieben.

Das war auch vielen klar und die Forderungen nach einem radikaleren Klimaschutz liegen nicht erst seit dem Auftreten von Fridays for Future oder Extinction Rebellion auf dem Tisch. Auch die Energy Watch Group (EWG) oder der Thinktank Break Through aus Australien haben schon vor Jahren klar belegt, dass die aus den IPCC-Erkenntnissen abgeleitete Politik vollkommen unzulänglich ist.

Doch all das wurde als zu radikal insbesondere in den Medien und politischen Schaltzentralen abgetan. Man habe ja noch genug Zeit, tue doch schon genug und müsse ja nicht so schnell handeln, man habe ja noch ein Kohlenstoffbudget, das bis 2050 reiche. Gerade die heute korrigierte Botschaft des IPPC von 2018 hat zu den im letzten Jahr gefassten vollkommen unzulänglichen Regierungsbeschlüssen der Klimaneutralität bis 2050 geführt beispielsweise in der EU und Deutschland, in China gar bis 2060.

Der Weltklimarat hat sich in seinen von den Regierungen beeinflussten Kernbotschaften nicht an den sich klar abzeichnenden Katastrophenentwicklungen orientiert, sondern eher beschwichtigend prognostiziert und insbesondere bei den Klimaschutzforderungen seit Jahren versagt.

Die Erkenntnisse und Aufrufe des IPCC und der daraus resultierende Beschluss auf der Weltklimakonferenz in Paris die Erderwärmung erst bei 2 Grad Celsius, möglichst bei 1,5 Grad Celsius zu stoppen, war schon ein großer Fehler. Heute bei 1,2 Grad Celsius sehen wir mit aller Brutalität von Sibirien über die USA, Kanada, die Türkei, Griechenland, Australien, Deutschland, Madagaskar, Indien und China, wie Wälder großflächig brennen, Hochwässer menschliche Existenzen vernichten und extreme Dürren lebensbedrohliche Hungersnöte auslösen. Die Empfehlung des IPCC, die Erderwärmung erst bei 2 Grad Celsius zu stoppen ist damals schon unverantwortlich gewesen, denn bei 2 Grad Celsius schon werden große Teile der menschlichen Zivilisation dies nicht überleben oder ihre Existenzen verlieren, so wie es bei kleineren Teilen schon heute bei 1,2 Grad Celsius der Fall ist. Die jahrzehntelangen Empfehlungen des Weltklimarates die Treibhausgasemissionen lediglich zu reduzieren, statt sie völlig zu stoppen, hat zur höchsten CO2-Konzentration seit 2 Millionen Jahren geführt. Schon 1990 war die Treibhausgaskonzentration der Atmosphäre viel zu hoch. Dennoch hat der Weltklimarat auf Grund der ihm vorgelegten umfangreichen Studien und Szenarien vorgelegt, welches Kohlenstoffbudget der Welt noch zur Verfügung steht, statt klar zu sagen: Die Menschheit hat kein Kohlenstoffbudget mehr.

Jahrzehntelang hat also der Weltklimarat die Menschheit nicht so informiert, wie die tatsächliche Erderwärmungs- und Katastrophenentwicklung tatsächlich gekommen ist. Jahrzehntelang hat er die Regierungen damit auf eine vollkommen unzulängliche Klimaschutzentwicklung geführt. Dabei gab es schon vor Jahrzehnten genügend politische Forderungen ganz anderer Art, als sie von Regierungen dann ausgeführt wurden. So haben wir mit Eurosolar (Hermann Scheer und seine Vizepräsidenten unter anderem ich selbst) schon in den 90er Jahren die Forderung nach 100 Prozent erneuerbaren Energien erhoben, womit die Hauptemissionsquelle gestoppt worden wäre. Ich kann mich sehr gut erinnern, wie ich und andere damals persönlich vom damaligen IPCC-Präsidenten Pachauri aus Indien schon um 2004 herum gefordert hatten, 100 Prozent erneuerbare Energien in den Mittelpunkt der IPCC-Empfehlungen zu setzen. Das aber hat das Diktat der Regierungen von Deutschland über die USA, Saudi-Arabien, bis Russland, Australien, China u.a. als Verantwortliche für die Aufgaben der IPCC haben genau mit ihren Interessen für Erdöl, Erdgas, Kohle und Atom bis heute verhindert.

So ist es kein Wunder, dass sich Medien und Regierungen immer hinter den unzulänglichen Klimaschutzempfehlungen des IPCC versteckten und die Welt bis heute auf 1,2 Grad Celsius aufheizten. Die ganze Politik der angeblichen Klimaschutzkanzlerin Merkel ist schon seit ihrer Zeit als Umweltministerin für dieses Versagen das beste Beispiel, wie ich es kürzlich analysiert hatte.

Doch auch jetzt legt der IPCC nicht die Klimaschutzempfehlungen auf den Tisch, die wenigstens dazu führen 3 Grad Celsius noch zu verhindern: Eine Politik, die es schafft, die drei Kernziele zu verwirklichen: 100 Prozent Erneuerbare, eine kohlenstoffsenkende Land- und Forstwirtschaft, sowie eine emissions-, abfall- und giftfreie Kreislaufwirtschaft und das alles bis 2030.

Es bleibt abzuwarten, ob er mit dem in wenigen Monaten zu erwartenden 3. Bericht, der die Empfehlungen beinhalten endlich diese Klimaschutzmaßnahmen aufgreift.

Nur so können wenigstens ab 2030 alle Treibhausgasemissionen gestoppt und zusätzlich große Kohlenstoffmengen aus der Atmosphäre entzogen und so das gänzliche Auslöschen der menschlichen Zivilisation noch verhindert werden.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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