Agri-PV erhält endlich mehr öffentliche Wahrnehmung

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Es hat in Deutschland vier Jahrzehnte gedauert, bis nach den ersten Vorschlägen insbesondere durch den Gründer des Fraunhofer Institut für Solare Energietechnik (ISE) in Freiburg, Professor Adolf Goetzberger, die Doppelnutzung auf dem Acker mit Feldfrüchten und solare Energiegewinnung eine ernsthafte gesellschaftliche Entwicklung aufgenommen hat.

Dabei liegen die Vorteile seit jeher auf der Hand: So können Flächen mit einer Doppelnutzung effizienter genutzt werden, Ausbaupotenziale für die Energiewende werden erschlossen, Wüsten können im Schatten von Photovoltaik-Anlagen wieder begrünt werden, der Wasserverbrauch in der Landwirtschaft kann durch Beschattung reduziert werden, der Solarstrom kann auch für Wassergewinnung etwa für Meerwasserentsalzung genutzt werden. Zudem bieten Solaranlagen über Feldfrüchten auch Schutz vor Hagel oder Starkregen oder in Sonderkulturen wie Gemüse, Obst und Wein vor den mit zunehmender Erderwärmung zunehmenden Hitze- und Sonnenbrandschäden.

Denkblockaden bestimmen zwar immer noch die Debatte, so sollen Agri-Photovoltaik-Anlagen dann doch nicht auf gute Ackerböden, was Unsinn ist, wenn man gerade auf guten Ackerböden die Synergien der Doppelnutzung findet: Stabilisierung der Ernteerträge, Schutz vor Extremwetterlagen wie Dürren oder Hagelgewitter verbunden mit einer Energiebereitstellung vom Acker beispielsweise für dort betriebenen E-Traktoren.

Allmählich findet die Agri-Photovoltaik auch Zugang in die politische Energiedebatte. So wurde im EEG in den Ausschreibungen ein winziges Segment für Agri-Photovoltaik aufgenommen. Immerhin ein Zeichen, dass die Vorteile der Agri-Photovoltaik in der Berliner Debatte angekommen ist. Aber mit einer einmaligen Ausschreibung in Höhe von 50 Megawatt installierter Leistung im April 2022 kann natürlich kein Markthochlauf geschaffen werden.

In Fachkreisen nimmt die Wahrnehmung zu. Immer mehr Unternehmen schaffen immer mehr an die landwirtschaftlichen Bedürfnisse angepasste Lösungsansätze und verwirklichen Agri-Photovoltaik-Anlagen. Der Stand der Entwicklung mit umfangreichen Empfehlungen für Anwender wie auch Politikempfehlungen ist nun in einem neuen Leitfaden des Fraunhofer ISE veröffentlicht worden. Er bringt umfangreiche Einblicke für alle, die sich mit der Agri-PV beschäftigen wollen.

Der gerade erschienene 88-seitige Statusbericht des Technologie- und Förderzentrum (TFZ) Straubing „Agri-Photovoltaik – Stand und offene Fragen“ beleuchtet darüber hinaus die verschiedenen Aspekte der Agri-Photovoltaik, von der Landnutzungsrate, den Installationskosten bis zur rechtlichen Lage. Auch in Österreich gibt es immer mehr Aufmerksamkeit. Wichtige Hinweise, worauf man als Anwender achten muss, finden sich im Interview mit Christoph Mayr vom Center for Energy des AIT Austrian Institute of Technology im pv magazine.

Max Trommsdorf, Leiter der Agri-PV-Forschung am ISE hat in einem Artikel den Stand der Entwicklung gut beschreiben. Doch all den großen Vorteilen, die die Agri-Photovoltaik auch der Landwirtschaft bietet, stehen noch große Hürden entgegen, die auf politischer Ebene ausgeräumt werden müssen. Das winzige Fördervolumen, das jetzt in den Ausschreibungen im EEG eröffnet wurde, muss stark erweitert werden.

Folgende vier Aufgaben müssen in die Spitze der politischen Agenda:

  • Agri-Photovoltaik-Anlagen müssen wie auch andere Erneuerbaren-Anlagen bis zu einer Größenordnung von 50 Megawatt von der Pflicht zur Ausschreibung befreit werden und wieder in eine feste Einspeisevergütung oder gleitende Marktprämie überführt werden.
  • Für Anlagenbetreiber, die direkt über private Stromlieferverträge (PPA) ihre Stromkunden beliefern, müssen die vielen Hemmnisse im Energiewirtschaftsgesetz und EEG beseitigt werden.
  • Die EU-Agrarförderung muss auch für Landwirtschaft unter Photovoltaik-Modulen gewährt werden, was im Moment nicht der Fall ist.
  • Im Baugesetzbuch braucht es eine Privilegierung für Agri-Photovoltaik, damit die Genehmigungsprozesse leichter werden.

Sollte es in der Politik gelingen, diese Hemmnisse zeitnah auszuräumen, dann kann der Ausbau der Agri-Photovoltaik schnell vorankommen und einen wesentlichen Beitrag für die Energiewende und den Klimaschutz leisten sowie für Ernährungsstabilität sorgen, die infolge der Erderwärmung immer gefährdeter ist.

— Der Autor Hans-Josef Fell saß für die Grünen von 1998 bis 2013 im Deutschen Bundestag. Der Energieexperte war im Jahr 2000 Mitautor des EEG. Nun ist er Präsident der Energy Watch Group (EWG). Mehr zu seiner Arbeit finden Sie unter www.hans-josef-fell.de. —

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