Historischer Moment: Ab jetzt machen die alten Photovoltaik-Anlagen den Strom günstig

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Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern ein gesundes neues Jahr. 2021 hat mit einem historischen Moment begonnen: Als sich am 1. Januar nachmittags die Sonne senkt, geht der erste Sonnentag in diesem Jahr zu Ende, an dem viele kleine Photovoltaik-Anlagen Strom ohne jede Förderung produziert haben.

Ich habe diese Zeitwende bereits in meinem Kommentar kurz vor Weihnachten als Teil der Ergebnisse der EEG Novelle 2021 beschrieben. Aufgrund der hohen Bedeutung dieses Moments und einiger Kommentare direkt zum Thema, aber auch meiner generellen Haltung möchte ich das Thema weiter vertiefen und dafür zunächst in meine persönliche Geschichte mit diesen Anlagen einsteigen.

Am 11.2.1992 hatten wir ein echtes Garagen-Business neben der Uni gegründet, um unter anderem Solaranlagen zu verkaufen und zu bauen. Zunächst auch wegen der Kosten und Nachfragen verkauften wir auch Solarthermie, hatten aber rasch die ersten Kunden die auch Photovoltaik wollten. Und es gab einige wenige Förderungen im Rahmen des 1000 Dächer-Programms. Damals wurden 70 Prozent der Anschaffungskosten mit 70 Prozent gefördert. Als wir 1993 mit wackligen Knien eine 3 Kilowatt PV-Anlage (für 81.000 D-Mark) verkauft haben, konnten wir dank der Kunden das gerade so finanzieren.

An einem Wochenmarkttag standen wir dann im Frühjahr 1994 mit einem Heizungsbauer als Partner nebst Solarmodul dann in Oranienburg auf dem Markt und haben an diesem Tag tatsächlich zwei 5 Kilowatt-Anlagen verkauft, an einen Landwirt und einen Zahnarzt der in der Mittagspause vorbeikam und sich was zu essen gekauft hatte. Das Ganze konnten wir dann nur dank eines sehr progressiven und damals noch in seiner Entscheidung freien Chef der lokalen Sparkasse umsetzen – es waren zusammen 250.000 D-Mark Umsatz für 10 Kilowatt. Trotz der Förderung von 70 Prozent und der Möglichkeit des Eigenverbrauchs (damals ca. 30 Pfennig pro Kilowattstunde wert) hat sich das Ganze nicht so wirklich gerechnet. Das wusste auch der Zahnarzt, der die Anlage für seinen hohen Stromverbrauch gekauft hat und meinte: „Herr Remmers, die Solaranlage wird sich für mich irgendwann rechnen.“

Was sie dann auch tat, denn als mit dem EEG 2000 die nun ausgelaufene Vergütung von 99 Pfennig beschlossen wurden, konnten auch die Anlagen aus den 1990-iger Jahren davon noch profitieren – die oftmals große Pionierleistung auch im Hinblick auf technische Probleme wurde honoriert.

Alle die schon lange dabei sind, können sich an die schwierigen Zeiten nach dem 1000- Dächer-Programm in den neunziger Jahren erinnern. Jede realisierte Photovoltaik-Anlage war wie ein Fest. Auch die 99 Pfennig pro Kilowattstunde des EEG 2000 reichten nur wegen der Kreditmittel aus dem noch parallel laufenden 100.000 Dächer-Programm. Als dies auslief, erhöhte sich die nötige EEG-Vergütung ab 2004 für kleine Anlage sogar auf über 57 Eurocent/Kilowattstunde.

Und so kommen auch nur maximal etwa 70 Megawatt aus den Jahren 1990 bis 1999 zu den im Jahr 2000 rund 45 Megawatt installierten Photovoltaik-Anlagen nun seit dem 1. Januar 2021 mit ungefördertem Strom ins Netz. Zusammen mit den langsam mehr werdenden förderfreien großen Freilandsolaranlagen, die seit 2020 gebaut werden, ist Solarstrom noch so billig, dass er mit der weiterhin massiv verzerrten Marktbepreisung (CO2, andere Giftstoffe, Atommüll, usw.) im Wettbewerb bestehen kann.

Was für ein Erfolg. Und vielleicht verstehen Sie mit den persönlichen Geschichten aus den neunziger Jahren auch besser, wie stark ich diesen Erfolg empfinde.

Und alle gemeinsam haben das geschafft, denn die EEG-Umlage wird ja von allen Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes bezahlt. Also ja: Alle Menschen dieses Landes, auch wenn sie das oft nicht wissen (oder vielleicht auch blöd finden), haben Solarstrom billig gemacht mit dem EEG. Das sollten wir allen und deutlich sagen – bevor die nächste Runde Streiten und Diskutieren um die Energiewende weitergeht. Auch Deutsche können einen Moment des Lobs und Stolzes auf ihre Leistungen gut vertragen. Verbunden mit der klaren Ansage: Das hat das Parlament damals durchgesetzt und daher ja: Man kann gestalten, wenn man den Mumm dazu aufbringt, das System gibt es her.

Das sieht man nun auch schwarz auf weiß bei Anlagen, von denen seinerzeit aus den Protagonisten kaum einer geglaubt, aber viele Millionen gehofft haben, dass sie zukünftig nicht nur die stärkste, sondern auch billigste Energiequelle werden.

Das Leeren des „EEG-Rucksack“ hat am 1. Januar 2021 begonnen. Klaus Töpfer hat das Wortspiel mit dem EEG-Rucksack für die hohen resultierenden Vergütungsverpflichtungen aus den Jahren bis etwa 2012 geprägt. Um damit auch klarzumachen, dass es eben eine Diskussion aus der Vergangenheit ist, die leider noch immer einer mutigeren Energiewende oft im Wege steht. Bis 2032 werden in immer größeren Schritten nun immer mehr Mittel „aus dem Rucksack“ frei, um neue Projekte der Energiewende zu finanzieren oder den Strom billiger zu machen.

Und genau diese Aussage sollten die gesamte Solarbranche wie eine Monstranz bei jeder Gelegenheit vor sich hertragen.

Der Moment ist gekommen, wie versprochen. Und noch viel mehr als je versprochen wurde, denn auch die trotz verzerrter Märkte förderfreien Neuanlagen sind Realität in Deutschland geworden. Die alten Anlagen geben nun den Vertrauenskredit der Bevölkerung zurück und alle profitieren von diesen und neuen Anlagen massiv.

Vergessen wir bei allem Erfolg der Solarenergie die Windkraft nicht, denn 100 Prozent Erneuerbare geht in Deutschland und der EU nur mit Wind und Solar als Hauptstandbein. Und das Ziel einer 100 Prozent erneuerbaren Energieversorgung für alle Sektoren ist allein auf Basis der Potenziale für Wind und Solar in der EU billiger realisierbar als die Energieversorgung aus dem heutigen System. Dieses Ziel kann bis 2040 erreicht werden Ja, es geht und wir haben alle Legitimation erarbeitet, das auch zu fordern. Denn wir können es umsetzen. Auch der Wind ist günstig geworden und wird immer billiger – dank es EEG. Auch beim Wind sind am 1. Januar 2021 viele Anlagen aus der Förderung gefallen. Dort ist es mit dem aktuell verzerrten Markt allerdings oft schwer, die Anlagen im Netz zu halten, da die laufenden Betriebskosten der seinerzeit errichteten Generation höher ist. Mit einer starken eigenen Botschaft können wir leichter Verbündete finden, um die dicken Bretter der schon lange nicht mehr passenden Märkte und Regeln anzupacken.

Aber kommen wir nochmal zu den sogenannten „Ü20“-PV- Anlagen. Strom nun auf fossil/nuklearem Marktpreis und/oder Eigenverbrauch sowie weitere kommende Vermarktungsoptionen werden eine neue Landschaft in den nächsten Jahren gestalten. Grob geschätzt werden mit den vor 2000 errichteten Anlagen 48 Millionen Euro pro Jahr an Mitteln aus der an die Betreiber bisher ausgezahlten EEG-Umlage frei.

Da wir eine gleitende Marktprämie haben, wurden die vor 2000 errichteten Anlagen pro Kilowattstunde im Jahr 2019 mit knapp 47 Cent/Kilowattstunde,  2018 mit knapp 46 Cent/Kilowattstunde unterstützt.  Die „Vor-2000“-Anlagen hatten 2019 etwa 46,7 Cent/Kilowattstunde Unterstützung aus dem „EEG-Topf“ erhalten. Diese Werte errechnen sich aus der Vergütung abzüglich des Marktwertes Solar (https://www.netztransparenz.de/EEG/Marktpraemie/Marktwerte)

Neue Freilandanlagen in den Ausschreibungen des EEG lagen teilweise schon auf der Höhe des Marktwertes oder etwas darüber – dieser war im Mittel 2018 bei 4,55 Cent/Kilowattstunde und 2019 bei 3,77 Cent/Kilowattstunde. 2020 kann man kaum als Maßstab nehmen, es ging durch die Corona-Pandemie bekanntermaßen alles drunter und drüber ging, vor allem auch beim gesamten deutschen Stromverbrauch. Ende 2020 lag der Marktwert Solar aber schon wieder bei 3,98 Cent/Kilowattstunde. Wohlgemerkt. Alles ohne realistische CO2-Bepreisungen!

Auf Basis des Jahres 2019 erhalten viele Freilandzuschläge in den Ausschreibungen eine Unterstützung aus dem EEG von 0,5 Cent/Kilowattstunde. Diese Werte sind wegen der gleitenden Marktprämie natürlich Schwankungen unterlegen, offerieren allerdings eine mögliche Berechnungsbasis für den massiven Effekt auf neue Mengen, die der Wegfall der Vergütung für die Ü20 Anlagen haben kann.  geringer. Hatte man bisher 46,7 Cent/Kilowattstunde für 114 Megawatt gezahlt, so kann man nun mit diesem Geld also in dem Beispiel etwa 10.600 Megawatt mit 0,5 Cent/Kilowattstunde an neuen Anlagen unterstützen und dass trotz der nach wie vor massiven Bevorteilung der fossil-nuklearen Energiewelt.

Wow, ich wiederhole mich.

Und wir haben gezeigt das es geht und mehr gehalten als versprochen. Niemand kann Innovation besser gestalten als wir. Denken Sie an die Monstranz, auch wenn Sie nicht kirchlich geprägt oder interessiert sind.

Und der Klimakrise zeigen wir damit die rote Karte.

Sagen wir das stolz und klar gerade im Superwahljahr 2021.

— Der Autor Karl-Heinz Remmers war von 2008 bis 2015 Herausgeber von pvŽ magazine, bevor er den Stab weiter an den heutigen Herausgeber Eckhart Gouras übergeben hat. Er ist CEO der Solarpraxis AG und seit fast drei Jahrzehnten in der Solarbranche aktiv. —

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