Beide Alt-Parteien haben und hatten noch immer Angst, den Wählern zu sagen, dass der Klimawandel und die Energiewende riesige Chancen für die Zukunft bieten. Der Strukturwandel in den Kohleregionen kann konstruktiv gestaltet werden.
Die Wahlforschung sagt ganz eindeutig, dass in Sachsen die Themen Umwelt und Klima und in Brandenburg das Thema Verkehrswende neben der Asylpolitik wahlentscheidend waren. Soziale Sicherheit und Bildungspolitik waren in beiden Ländern weniger wichtig. Vor allem bei der Altersgruppe der unter 44-jährigen stand Klimaschutz ganz vorn. Doch CDU und SPD setzten im Wahlkampf andere Akzente.
Auch das katastrophale Abschneiden der Linkspartei in beiden Bundesländern zeigt, dass soziale Gerechtigkeit nicht das ganz große Thema war wie es die Alt-Parteien vermutet hatten und im Wahlkampf favorisierten.
Wie Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit in künftigen Wahlkämpfen zusammen erfolgreich diskutiert und gestaltet werden können, zeigt die Entwicklung im Landkreis Rhein-Hunsrück in Rheinland-Pfalz. Noch vor 25 Jahren herrschten dort hohe Arbeitslosigkeit, geringe kommunale Finanzkraft und Abwanderung. Doch inzwischen ist im Hunsrück ein ökologisches Wirtschaftswunder passiert.
Wie und warum? Weil kommunale und regionale Politiker den Mut hatten, ihren Wählern die ökologische Wahrheit über den Klimawandel und die Notwendigkeit einer erneuerbaren Energiewende zu erklären und die Dringlichkeit des entsprechenden Strukturwandels in den Mittelpunkt ihrer Politik zu stellen. Die Ökologie ist die modernere Ökonomie.
Heute werden im Hunsrück weit mehr erneuerbare Energien produziert als dort gebraucht werden. Die gesamte Region profitiert vom Export erneuerbarer Energie in die Nachbarregionen. Davon konnten die Hunsrück-Kommunen Kapitalrücklagen von 86 Millionen Euro bilden und in dörfliche Infrastrukturen investieren. Es kommen dort – trotz der vielen Windräder – mehr Touristen als früher, die Wirtschaft wächst und es besteht Vollbeschäftigung.
Qualifizierte Arbeitskräfte haben hier beste Chancen auf einen Job. Junge Familien kehren wieder in die Hunsrückdörfer zurück und finden Kitas für ihre Kinder. Von wegen Wertverlust der Grundstücke durch die vielen Windräder! Das Gegenteil ist der Fall. Die Grundstückspreise sind gestiegen. Die Kommunen haben hohe Gewerbesteuer-Einnahmen.
Der frühere Landrat Fleck (CDU) sagt heute: „Dieses ökologische Wirtschaftswunder haben wir dem Umstieg auf Sonne, Wind und Biogas zu verdanken. Viele Hunsrücker fahren bereits elektrisch mit selbst erzeugtem Strom“.
Dies alles wäre in den Kohleregionen der neuen Bundesländer in wenigen Jahren ebenso möglich. Und zwar lange vor dem von der Großen Koalition in Berlin im Jahr 2038 geplanten Kohleausstieg. Wer die Chancen der Energiewende begreift, muss sich auch vor künftigen Wahlen nicht fürchten. Dazu braucht es freilich mutige, innovationsfreudige und zukunftsorientierte Politiker. Mit den ewig Gestrigen und ihren Parolen von vorgestern sind auch künftig keine Wahlen mehr zu gewinnen.
Den früheren saarländischen Ministerpräsidenten Peter Müller habe ich schon in den Neunzigern mal gefragt wie er im Kohleland Saarland damals die Wahl gewonnen habe: Seine Antwort: „Mit dem Slogan: Kohle hat keine Zukunft“. Das war vor 25 Jahren. Warum tun sich Politiker so schwer, zu lernen?
Die Windradgegner waren vor 25 Jahren, als ich im Hunsrück die ersten Windräder einweihen durfte, recht zahlreich. Heute spielen sie faktisch keine Rolle mehr. Die überwiegende Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger ist von den Vorteilen und der Notwendigkeit der solaren Energiewende überzeugt.
Der Hunsrück kann überall werden. Hier ist konkret und praktisch bewiesen, dass Klimaschutz und höherer Wohlstand gut zusammen passen. Und dass die Menschen diese Klarheit auch bei Wahlen honorieren.
Vom Mangel an Zukunftsperspektiven in den Alt-Parteien profitiert nur die AfD. In Brandenburg waren es dieses Mal 24.5% und in Sachsen bereits 27.5%. Ob die Alt-Parteien den Warnschuss wenigstens jetzt begreifen?
- Agentur für Erneuerbare Energien e.V.: „Interkommunale Solidarität: Mörsdorf teilt Pachteinnahmen aus Windenergie mit Nachbardörfern„
— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —
Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion(at)pv-magazine.com
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Riesige Chancen? Wenn die Sonne nicht scheint und der Wind nicht bläst, stehen kaum Energiespeicher zur Verfügung. Im Gegenteil, der Aufbau privater Energiespeicher wird durch die Regierung behindert, da Strom dort, egal aus welcher Quelle, von Grün zu Grau umetikettiert und somit entwertet wird. Die Energie kommt dann lieber aus französischen oder tschechischen Kernkraftwerken. Heuchelei und Ideologie sind dabei, nüchterne Betrachtungen, wie die kürzlich von Physikern der Universität Heidelberg zur Energiewende veröffentlichten Gedanken abzulösen.
https://www.physi.uni-heidelberg.de/energiewende/belege/files/Energiewende_Web_2019.pdf
In dem Pamphlet der Heidelberger Physiker (Schande über sie, ich habe auch mal in HD Physik studiert, bei einem der Unterzeichner, Elementarteilchenphysiker, jetzt 75 Jahre alt, habe ich noch Vorlesungen gehört) wird aber ganz massiv Politik gemacht. Schon das erste Diagramm hat es in sich: Als Ausgangbasis für die 100% wird das Jahr 2009 genommen, das nicht zufällig, sondern wegen eines 5%-igen Wirtschafteinbruchs (Finanzkrise, einen ebenso starken Einbruch hatten wir zuletzt unmittelbar am Ende des zweiten Weltkriegs) eines mit verhältnismäßig geringen CO2-Emissionen war. Bei jedem anderen Jahr als Basis fünf Jahre davor oder 5 Jahre danach ergäbe sich für 2018 eine deutliche CO2-Reduktion. Außerdem sank in dem dargestellten Zeitraum die Stromproduktion der CO2-emissionsfreien Kernkraftwerke um die Hälfte – kein zufälliger Effekt, wie im Text behauptet, sondern eine politisch gewollte, gute Entwicklung, die freilich das Ziel einer Senkung der CO2-Emissionen erheblich erschwert hat. Aller Zubau an CO2-freien Stromerzeugern in dieser Zeit musste diesen ebenfalls CO2-freien Strom aus Kernkraft ersetzen. In den vergangenen 10 Jahren wurden also durchaus Fortschritte bei der Energiewende erzielt, sie sind nur noch nicht im CO2-Ausstoß sichtbar, weil dem Abbau der Kernenergienutzung Vorrang eingeräumt wurde, um die Produktion des schwer beherrschbaren Atommülls möglichst schnell zu beenden.
Das ist allerdings nicht im Sinne der Autoren: Die empfehlen den Bau von „nachhaltigen“ (meinen sie damit den noch lange strahlenden Müll?) Kernkraftwerken mit Brutreaktoren.
Auch dass die neuen Bundesländer „deindustrialisiert“ worden wären, stimmt so nicht: Gleichzeitig mit dem Abbau der alten, sehr energieineffizienten Industrieanlagen wurden auch neue nach den neuesten Standards aufgebaut. Man soll eine Sache nicht schlechter reden, als sie ist. Es gibt immer Leute, die das dann glauben.
Ansonsten sind da wichtige Klarstellungen drin, die alle Zweckoptimisten dreimal lesen sollten. An einer drastischen Erhöhung der Energieeffizienz (vulgo: Sparen) führt kein Weg vorbei! Das bedeutet in einem ersten Schritt: Nur noch halb so oft nach Malle, und diesen Schritt mehrmals wiederholen. Gleiches mit Autos: kleiner, langsamer, schwächer und mit Häusern: kleiner, besser gedämmt, wärmer. (NB: Wer sich bei dem letzten Wort die Augen verwundert reibt: Im Passivhaus ist es im Durchschnitt wärmer, weil die Sonne in der Übergangszeit durch große Fensterscheiben mitheizt. Wenn sie das nicht tut, dann ist es auch nicht wärmer.)
Bei aller berechtigten Skepsis, was die bisherige Energiewende angeht: Der polemische Satz „Ein Weiter so mit mehr vom Gleichen wird nur wenig am CO2-Verlauf ändern“ ist falsch. Wir haben keine bessere Alternative. Wenn man die hat – gut. Bis dahin weiter so, mit mehr Elan als die bisherige Regierung.
Wenn man denn Politik machen möchte, sollte man eher auf folgenden Umstand hinweisen: Für die Reduktion der Stromproduktion aus Kernkraft um die Hälfte hatten wir jetzt 8 Jahre. Für die zweite Hälfte bleiben noch vier Jahre. Gleichzeitig wurde der Ausbau der Windkraft massiv abgewürgt, für die PV steht das gleiche im Raum. Wann wird Altmaier den Wunsch nach Laufzeitverlängerung wegen drohenden Blackouts vorbringen? Sicher wieder ganz kurz vor knapp. Dann werde ich zum ersten Mal in meinem Leben auf die Straße gehen!
Meine Kritik vom 3.9. scheint bei den HD-Physikern auf fruchtbaren Boden gefallen zu sein: Mit Datum vom 4.9. haben sie eine überarbeitete Stellungnahme ins Netz gestellt, in der nicht mehr von „zufälligen“ Schwankungen, sondern von „konjunktur- und wetterbedingten“ die Rede ist. Auch die Tatsache, dass auch Brutreaktoren nicht ohne Atommüll bleiben („nur wenig“), findet jetzt in einem Halbsatz Erwähnung. Und dass die ehemalige DDR deindustriealisiert worden sei, wird auch nicht mehr behauptet. Jetzt ist nur noch von Strukturwandel die Rede.
Immerhin: Respekt für die Lernfähigkeit!
Die Stellungnahme der Heidelberger ist jetzt wesentlich besser genießbar, wenn es auch Meinungsverschiedenheiten geben wird, ob Brutreaktoren wirklich als tragfähige Lösung des CO2-Problems angesehen werden können. Die wesentlich weniger Kernkraft-kritischen Franzosen scheinen sich mittelfristig auch von ihrer Nutzung verabschieden wollen. Der Mensch ist einfach noch nicht reif, eine so gefährliche Technik zu beherrschen, und die Erde ein zu unsicherer Untergrund, um den Müll so loszuwerden, dass er auch in 10.000 Jahren keine Gefahr darstellt.
In der CDU ist diese Stellungnahme offensichtlich dankbar aufgenommen worden: Dort ist jetzt von den „CO2-freien Techniken“ die Rede, die „weiterentwickelt“ werden müssten. Ein Schelm, wer böses dabei denkt.
Ein sehr schöner Link da zu dem mit seinen Nachbarn solidarischen Mörsdorf. Hier in Bayern wäre das nicht möglich: In der CSU regiert immer der Egoismus, da wird herausgeholt, was geht, mit Schadenfreude auf die geschaut, die eben Pech haben, und die anderen Parteien machen es dann dem Platzhirsch nach.
Die grundsätzliche Frage ist, ob die Steuerstruktur der Gewerbesteuer nach dem ganzen Strukturwandel der letzten 70 Jahre noch zeitgemäß ist, oder ob man immer auf dieses Handeln mit Augenmaß und Gerechtigkeitsgefühl, wie es die Mörsdorfer vormachen, angewiesen sein wird. Beides ist wahrscheinlich richtig. Über die Reform der Gewerbesteuer wird schon seit 40 Jahren diskutiert und es kommt nichts voran, weil die, die vom Status Quo profitieren, auf ihre Vorteile nicht verzichten wollen. Und beim AfD-Wähler kann man mit solch trockener Materie schon gar keine Punkte machen.
JWC, warum die Aufregung?
ja die Heidelberger hätten ein anderes Jahr für die 100% Normalisierung wählen können.
Die Darstellung auf 100% Normierung ist für die Anstrengungen der Alternativen Energieen nicht gerade vorteilhaft.
Aber
Ich lese das Heidelberger Pamphlet auch als Brandbrief gegen ein „Weiter so“ und „wir haben ja Grüne Energie“.
allerdings dürften die Schlussvolgerungen in den Endpassagen unter leichter Einwirkung einiger alkoholischer Getränke zustande gekommen sein und wirken nicht ganz so schlüssig; na ja.
Es ist richtig, dass der Verkehr seit über 10 Jahren ungehindert die Reccource Öl verbraucht und damit einen gehörigen Sockel an Co² Emissionen zu verantworten hat.
Es ist richtig, dass die vossilen Kraftwerke weiterhin ebenfalls ungehindert ihre Primär-Energie verbraten; diese können nicht herruntergeregelt werden, nur wenn die Photovoltaik mal 2 Hochleistungs-Sonnenstunden hat. Da wird der produzierte Strom an das umliegende Ausland verkauft.- CO² Emission – leider gleichbleibend trotz Aktivitäten vieler Enthuiasten und Fördergelder. Absolut schlecht organisiert.
Ja eine nüchternde und auch schmerzhafte Bilanz.
Nein, wir müssen den Faden der Heidelberger aufgreifen, um ein mehr an Modellen und Aktionen einzufordern.
Für die Stromerzeugung ist seit vielen jahren die Leistungsfähigkeit von PV und Wind bewiesen worden. Ein zeitlicher Abgleich z. Produktion und Verbrauch wurde auf Kosten des Grids leider ausgeblendet. Das muss sich ändern. Bei den Großverbrauchern heist das bisher Lastmanagement. Im privaten Bereich wabert seit Jahren der Begriff von intelligenten Stromzählern durch. Wirklich passiert ist offensichtlich NICHTS.
Speichermanagement auf Verbraucher- und Erzeugerseite mit entsprechender Tarifstruktur scheinen mir unausweichlich.
Mit dem politisch erzeugtem Hype auf E-Mobility könnte damit grundlegend eine Initialzündung erfolgen.
Nur ein Viertel des Stromverbraues ist auf den privaten Bereich anzusetzen!
Und die anderen75%???? werden seit 20 Jahren als Produzierendes Gewerbe von der EEG-Umlage so gut wie ausgenommen und verspüren damit keinerlei Anreiz zur Reduktion des eigenen Energieverbrauches. Handlungsbedarf!
Aber auch die Politik sollte Wahrheiten nicht verschweigen und bitte logische Ansätze diskutiert werden: mit welchem Verständnis soll ein Pendler, wie in der aktuellen Diskussion der CO²Besteuerung, von einer, wie auch immer gestalteten höheren Besteuerung des Energievervbrauches seines Fortbewegungsmittels verschont werden, nur weil er 20 oder 50 km täglich zur Arbeitsstelle fährt und damit bei einer weiteren Besteuerung seines Energieverbrauches eine nicht sozialverträgliche Härte erleiden würde! Dieser Mensch wohnt in einem eventuell idyllischem Umfeld, mit weniger Verkehrslärm und geringen Kosten für Miete oder Immobilien. Er hat die freie Wahl!
Er soll aber in der Einschränkung für eine geringere Klimaerwärmung aus geklammert werden.
Wer diesen Ansatz in die Welt gebracht hat, hat bislang die Wirklichkeit verpennt.
Nein, ein Ansatz könnte es sein, dass Betriebe an einer betriebsnahen Unterbringung Ihrer MA interessiert sein sollten und durch Vorgaben der Politik dazu gebracht werden. Da könnte ein Malus-System sein, in dem mehr als 50 Km Einzugsgebiet mit irgend etwas Beaufschlagt wird und Jahr für Jahr dieser Radius bis auf..20 km herrunter gezogen wird. Wir müssen das Surren und Schnurren der Motoren auf den Verkehrwegen verringern!
Innerstättischer Lieferverkehr wirklich bitte nur noch mit E-Cars!
Auch jeder Pizza-Bote, warum nicht?
Ich höre jetzt lieber auf.
Stephan l, danke für die Mitteilung über die Veröffentlichung der Heidelberger
VG
Thomas
Da sind Sie aber nicht mehr auf dem aktuellen Stand: Wenn heute die Sonne kräftig scheint, laufen nicht mehr die Kohlemeiler ungerührt durch und ihre Produktion oder die der PV-Anlagen (je nach Sichtweise) muss dann exportiert werden, sondern Gaskraftwerke, die vorher die Erzeugungslücke von PV und Wind gefüllt haben, werden abgeschaltet. Damit wird weniger exportiert und dramatisch weniger CO2 emittiert – dieser Effekt, der erst 2019 sichtbar wurde, ist in dem Blatt der Physiker auch noch nicht berücksichtigt. Alles allerdings nur beim Strom – da haben die Physiker recht. Das weiß aber auch jeder, dass Verkehr und Wärme bisher schmälich vernachlässigt wurden. Da gibt es aber auch ein systemisches Problem: In diesen Märkten greift der Staat wesentlich weniger ein als in den Strommarkt, deshalb ist es auch schwieriger, lenkend tätig zu werden, es geht fast nur über den Preis.
Das Demand-Side-Management im Privatbereich wird allenfalls für Großverbraucher wie Wärmepumpen oder Ladestationen sinnvoll sein. Um die zu steuern, würde aber auch die gute alte Rundsteuerung reichen. Ansonsten hat kaum ein Verbraucher Lust, seinen Stromverbrauch an das Angebot im Netz anzupassen. Insofern würden die von ihnen geforderten intelligenten Stromzähler nichts bringen außer Kosten und einem großen Datenschutzproblem. Hoffentlich lassen sie noch länger auf sich warten.
Die Idee mit dem Malus für einen großen Einzugsbereich der Arbeitnehmer ist diskussionsfähig. Ich habe schon vorgeschlagen, ob man Ballungsraumzulagen im öffentlichen Dienst nicht davon abhängig macht, dass die Empfänger auch in Arbeitsplatznähe wohnen. Die Verantwortlichen hatten aber Angst vor Ungleichbehandlung, obwohl höhere Mietkosten und höhere Fahrtkosten steuerlich ganz eklatant ungleich behandelt werden – da wehrt sich keiner. Eigentlich ist auch ein weit entfernter Wohnort eine Sache der privaten Lebensführung, trotzdem kann man die Fahrtkosten von der Steuer absetzen. Ein bis zwei Jahre nach Arbeitsplatzwechsel hätte ich dafür ja noch Verständnis, aber danach sollte es wirklich Privatsache sein. Dann würden weniger Leute von ihrem Arbeitsplatz wegziehen, um weniger Miete zu zahlen. Hier im Raum München ist das mehr die Regel als die Ausnahme.
> Da sind Sie aber nicht mehr auf dem aktuellen Stand: Wenn heute die Sonne kräftig scheint, laufen nicht mehr die Kohlemeiler ungerührt durch und ihre Produktion oder die der PV-Anlagen (je nach Sichtweise) muss dann exportiert werden, sondern Gaskraftwerke, die vorher die Erzeugungslücke von PV und Wind gefüllt haben, werden abgeschaltet.
Schaut man sich den auf der Seite der Agora Energiewende veröffentlichten Energie-Mix über den Tag an, so fällt schon sehr auf, daß die konventionellen Stromerzeuger nahezu „flat“ durchlaufen und keineswegs absinken, wenn die Sonne planmäßig im Sommer um die Mittagszeit das tut, was wir uns alle so wünschen, nämlich PV ins Netz einzuspeisen. Wirft man dann noch einen Blick auf den Verbrauch, kann man leicht stutzig werden: der bleibt weit hinter der Erzeugung zurück. Die PV-Energie wird ins benachbarte Ausland exportiert. Einem Export von ca.100 TWh pro Jahr steht ein „nur“ Import von 30 TWh pro Jahr gegenüber. Gigantische Mengen erneuerbarer Energien gehen ins Ausland und werden dort nicht unbedingt gut genutzt. Ohne Speicher geht es nicht. Die Kupferplatte allein wird es nicht richten!
Was Sie da beschreiben, ist näherungsweise die Bilanz für 2018 (laut Statista eine Stromexportbilanz von -50TWh für 2018. Einen Nettoexport von 70 TWh hat es laut Statista noch nie gegeben). Was ich aber meine, ist der aktuelle Stand für 2019. Im Juni beispielsweise schlug die Bilanz sogar um von -1,7 TWh Nettoexport zu 0,3 TWh Nettoimport: https://www.pv-magazine.de/2019/07/17/fuel-switch-gas-statt-kohle-laesst-co2-emission-im-juni-um-33-prozent-sinken/?utm_source=Bibblio&utm_campaign=Internal
Insgesamt hatten wir bis August ein Saldo von -20 TWh, im gleichen Zeitraum war es im Vorjahr noch ein Saldo von -29 TWh (alles laut Energy Charts). Die Entwicklung geht also in die richtige Richtung und wird, wenn die planmäßige Verknappung der CO2-Zertifikate durchgehalten wird, auch weiter in diese Richtung gehen.
Die großen Strommengen exportieren wir übrigens nicht, wenn die Sonne scheint, sondern wenn der Wind weht. Daran müssen wir noch arbeiten.
Die nächste Stufe wird sein, dass das Erdgas, das jetzt die Erzeugungslücken von Sonne und Wind füllt, durch grünes Gas (eine der möglichen Speicherformen) ersetzt wird. Es wird sich ergeben, dass Batteriespeicher nur für den Ausgleich innerhalb des Tages und für das Netzmanagement (Momentanreserve) eingesetzt werden. Wo heute zur Deckung von Mittellast, Spitzenlast und Primärreserve Wärmekraftwerke nur temporär eingesetzt werden, wird in Zukunft durch Gaskraftwerke und Demand-Side-Management von Elektrolyseanlagen das Angebot an den Bedarf angepasst – wenn nicht noch jemand was besseres erfindet. Aber bisher weisen alle anderen neuen Entwicklungen zu hohe Investitionskosten für das Speichervolumen auf, um auch für die Langzeitspeicherung geeignet zu sein. Und die prinzipiell auch geeigneten Pumpspeicherwerke haben in Deutschland zu wenig Volumen, um einen substantiellen Beitrag leisten zu können.