Neuer Pragmatismus im Denkmalschutz

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Wie die Diskussion um den Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses gerade wieder gezeigt hat, besteht in Deutschland ein weit verbreitetes Bedürfnis nach dem Erhalt, aber auch nach Wiederherstellung einer historischen, kulturellen Identität. Von den insgesamt 22 Millionen Gebäuden der Republik stehen zwei Prozent unter Denkmalschutz. Das sind immerhin 440.000 Gebäude. Viele andere sind durch den Ensembleschutz an denkmalpflegerische Auflagen gebunden. Immer häufiger kann der Eigentümer die Kosten für eine denkmalgerechte Sanierung und vor allem für die Unterhaltung des historischen Gebäudes nicht mehr tragen. Angesichts der aktuellen Energiepreisentwicklung ist deshalb auch bei der Denkmalpflege ein Umdenken angezeigt. Aber nicht alle Denkmalpfleger sind bereit, sich neuen Themen zuzuwenden.

Frust in Bayern

„Ich mache dieses Theater schon seit mehr als sieben Jahren mit“, berichtet Oskar Wolf von der Solarberatungsstelle Solid in Fürth frustriert. Dass die Denkmalschutzbehörde ihre meist negativen Entscheidungen wenigstens schriftlich begründen muss, ist ein bescheidener Erfolg seiner Arbeit. In den Städten sei es besonders schwer, die Denkmalschützer argumentativ zu erreichen. Auch die Politiker der Grünen-Fraktion in Nürnberg bekommen das zu spüren. Seit Jahren versuchen sie, Solarzellen aufs Rathaus zu bringen. Aber von Seiten der Denkmalpflege ist die Altstadt tabu. Dabei gibt es im Umland Beispiele, die belegen, dass es auch anders geht.

Aufgeschlossener zeigt man sich im Südosten. „Der Druck wächst. Wir können uns diesem Thema nicht verschließen“, stellt Ralf-Peter Pinkwart vom Sächsischen Landesamt für Denkmalpflege pragmatisch fest. Deshalb setzt er auf Kooperation statt Konfrontation und arbeitet in engem Kontakt mit den bauwilligen Gebäudeeigentümern. Einige große Photovoltaikanlagen sind in der Sächsischen Schweiz mit seiner Zustimmung bereits realisiert worden. Dabei achtete er besonders auf Materialwahl, Farbigkeit und eine schlanke technische Einbindung in den Bestand.

Solarpflicht keine Lösung

Dass die deutschen Denkmalschützer sehr unterschiedlich mit der Fragestellung nach einer Solartechnikintegration am Baudenkmal umgehen, kann Susanne Rexroth, Architektin und Dozentin für Umwelttechnik an der FHTW Berlin, aus eigener Erfahrung bestätigen. Einige seien sehr aufgeschlossen und kennen die technischen Möglichkeiten, andere lehnen das Thema grundsätzlich ab. Als Architektin äußert sie klare Bedenken gegenüber jeder Form von solarer Baupflicht, wie sie in Marburg gerade verabschiedet wird. „Das Gesetz ist okay für die unsäglichen Neubaugebiete, für Gewerbe und Industrieparks.“ Im Innenstadtbereich finde sie es problematisch. Denn Photovoltaik passt einfach nicht zu jedem Gebäude.

Besonders gute Voraussetzungen bietet beispielsweise die Architektur der 50er und 60er Jahre durch den Baustoff Glas und die Konstruktion der Vorhangfassade.

Bei den Wiesbadener Denkmalschützern will man das Marburger Gesetz, das die Installation von solarthermischen oder photovoltaischen Anlagen bei Neubau und Sanierung vorschreibt, eher als Neubaugesetz verstanden wissen, das den denkmalgeschützten Altstadtbereich ausklammert. Ausgeklammert von einer möglichen Solarenergienutzung werden auch die Baudenkmäler Niedersachsens. Theoretisch unterstützt Reiner Zittlau, Referatsleiter beim niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover, den Gedanken der Solarenergienutzung. „Die Installation von alternativen Energien zum Schutz unserer Umwelt steht als Anliegen ganz dicht neben denen des Denkmalschutzes. In diesem Sinne sind wir geborene Partner“, hebt er hervor. Dennoch möchte er technische Bauteile, wie Photovoltaikmodule und Solarkollektoren, am liebsten weit weg von der historischen Bausubstanz installiert sehen, „am besten auf dem Boden“. In Niedersachsen sind demnach laut Zittlau keine positiven Beispiele von Photovoltaikanlagen an denkmalgeschützten Gebäuden auszumachen.

Blockadehaltung nervt

Das bringt Klaus Müller, Begründer der Solarinitiative Dögerode, auf die Palme. „Die Denkmalpfleger sollen doch die Gebäude schützen. Dazu gehört ganz einfach, dass neue Technologien eingebunden werden.“ Er sieht eine Menge Aufklärungsbedarf beim Denkmalschutz.

Und hat die Erfahrung gemacht, dass die Beamten sich gängiger Vorurteile bedienen, anstatt sich über neue Gestaltungsmöglichkeiten zu informieren. Dass im Zentrum des niedersächsischen Northeim dieser Tage eine Photovoltaikanlage per Beschluss des Lüneburger Oberverwaltungsgerichts entfernt werden muss, hilft in der Debatte kaum weiter. Der Eigentümer hatte die Anlage ohne Rücksprache mit dem Denkmalschutz installieren lassen. Dabei könne man mit den Erträgen einer Photovoltaikanlage so manches Baudenkmal retten, ist Müller überzeugt. Und obwohl die Kirchen häufig die Vorreiterrolle in Umweltfragen und der Nutzung erneuerbarer Energien einnehmen, teilt man bei der evangelischen Landeskirche in Hannover Zittlaus Standpunkt. Photovoltaik auf Baudenkmälern genehmige sie per se nicht, lässt eine Entscheidungsträgerin der Landeskirche verlauten, die nicht namentlich genannt werden möchte. Die Gemeindevertreter werden gebeten, nach Alternativen zu suchen, und in ihrem Engagement von der eigenen Verwaltung blockiert.

Diözese Rottenburg vorbildlich

Auffallend anders setzt sich die Diözese Rottenburg-Stuttgart mit den Möglichkeiten der Sonnenenergie für ihre sakralen und profanen Räume auseinander. Besonders die steigenden Heizkosten machen den rund 1.000 Gemeinden schwer zu schaffen. Deshalb nimmt Diözesanbaumeister Heiner Giese den Gesamtbestand aller Gebäude genau unter die Lupe. Mit Hilfe eines Standortentwicklungssystems loten er und seine Mitarbeiter die Potentiale für solare Gewinne aus und speisen alle Gebäudedaten in eine Datenbank ein. Auch Giese sieht die Problematik der Altstadtsatzungen und geht deshalb pragmatisch vor. „Bei der Photovoltaik spielt die Geschwindigkeit des Genehmigungsverfahrens eine große Rolle, wegen der degressiven Vergütung“, erklärt er. Deshalb nutzten die Katholiken im sonnigen Südwesten vorrangig die zahlreich vor handenen Gemeindehäuser und Kindergärten aus den 70er Jahren zur solaren Stromerzeugung. Anders sieht er die Potentiale der solar erzeugten Wärme. Für sonnengewärmte Kirchenbänke würde Giese sogar einige Kämpfe mit dem Denkmalschutz in Kauf nehmen und sich gegebenenfalls auf längerfristige Auseinandersetzungen einlassen. Da die Wirtschaftlichkeit solarthermischer Anlagen sehr gut sei, könne eine Gemeinde mit einer solarthermischen Anlage Jahr für Jahr ihre Heizkosten halbieren. Immerhin stellt Giese zufrieden fest, dass die Diskussion um Solaranlagen an Baudenkmälern mittlerweile sehr differenziert, sehr wenig ideologisch geführt werde, von Seiten aller Beteiligten. „Es hat sich viel getan in den letzten sieben bis acht Jahren“, stellt der Architekt fest. „Durch die hohen Energiepreise ist ein Umdenken unausweichlich.“ Es gebe einen eindeutigen Stimmungswandel in Richtung Pragmatismus.

„Die Diskussion ist vergleichbar mit der Dachfensterdebatte der 80er Jahre. Schließlich entschied man sich für eine Duldung von Dachfenstern in denkmalgeschützten Innenstadtbereichen, wegen der Wohnungsnot“, erinnert sich Klaus Barwig von der Akademie der Diözese Rottenburg. „Natürlich ist uns auch der Symbolwert einer solchen Anlage wichtig. Aber nicht mit der Brechstange. Wir wollen Lösungen zeigen, die übertragbar sind und uns durch eine optisch ansprechende Ausführung den Wünschen der Denkmalpfleger annähern.“

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