Studie: Versorgungssicherheit in kalten Wintern sinkt bis 2030

Teilen

Köln, 7. September 2020 | Mit Grünstrom betriebene Wärmepumpen sollen die Energie­wende im Gebäudesektor vorantreiben. Doch bei Kälte treiben sie die Lastspitzen nach oben. Um Versorgungslücken in Nordwesteuropa zu vermeiden, sind robuste und gut koordinierte Ausbaupläne gefragt. In kalten Wintern, wie zuletzt im Jahr 2012, könnte künftig eine Lücke von bis zu 3,2 TWh Strom auftreten. Das zeigt die Studie „2030 Peak Power Demand in North-West Europe“ des Energiewirtschaftlichen Instituts (EWI) an der Universität zu Köln und des französischen Beratungsunternehmens E-CUBE Strategy Consultants im Auftrag des französischen Energieversorgers ENGIE.

EWI und E-CUBE haben untersucht, wie das Stromsystem in Deutschland, Frankreich, Dänemark und den Benelux-Staaten auf Kälteperioden im Jahr 2030 reagieren könnte. Die Autor*innen haben drei Szenarien für die Stromnachfrage definiert, die von unterschied­lichen Elektrifzierungsgraden im Gebäude- und Verkehrssektor ausgehen. Das Ergebnis: Das Risiko von Lücken in der Stromversorgung bei Kälte steigt bis zum Jahr 2030.

Wärmepumpen werden ineffizienter, je kälter es wird

„Wärmepumpen sind eine Schlüsseltechnologie für die Energiewende“, sagt Dr. Eglantine Künle, Managerin und Chief Modeller am EWI. „In der Studie haben wir untersucht, wie sie am besten ins System integriert werden können.“ Denn Wärmepumpen spielen in kalten Wintern eine besondere Rolle. „Zum einen müssen sie dann besonders viel Raumwärme bereitstellen. Zum anderen sinkt der Wirkungsgrad von Wärme­pumpen, je kälter es wird.“, sagt Dr. Künle. „Es muss also überproportional viel Strom zum Heizen eingesetzt werden.“ Für die Versor­gungssicherheit ist es zentral, wie groß dieser Effekt genau ist. Doch die Abschätzung ist mit vielen Unsicherheiten verbunden.

  • Es hängt von mehreren Parametern ab, wie leistungsfähig Wärmepumpen tatsächlich sind. Ihre reale Effizienz ist in der Regel geringer als die Effizienz, die während der Zertifizierung festgestellt wird. Das liegt u.a. an sich ändernden Betriebspunkten, Über- oder Unterdimensionierung von Wärmepumpen, Feuchtigkeit, Über- oder Unterladung des Arbeitsmittels.
  • Es ist wichtig, welche Wärmepumpen genau eingesetzt werden, da der Wirkungsgrad und somit die benötigte Strommenge je nach Situation und Technologie variiert. So beeinflussen Erdwärmepumpen die Spitzenlast weniger als Luftwärmepumpen, da ihre Effizienz weniger empfindlich auf die Außentemperatur reagiert. Hybrid-Wärmepumpen senken den Strombedarf bei niedrigen Temperaturen, indem ein gekoppelter Gaskessel oder eine Pellet-Heizung einen Teil des Wärmebedarfs deckt.
  • Es spielt eine Rolle, welche Flexibilität Wärmepumpen bieten können, also wieviel Last innerhalb eines Tages verschoben werden kann.

Drei Wege für mehr Versorgungssicherheit

„Da die Investitionszyklen insbesondere im Gebäudesektor sehr lang sind, hängt die Versor­gungssicherheit bei Kälte im Jahr 2030 von Entscheidungen ab, die heute getroffen werden“, sagt Dr. Künle. Bis zum Jahr 2050 könnte sich das Problem der Spitzenlast in kalten Wintern noch verschärfen.

Neben der Erhöhung der disponiblen Kapazität, etwa durch Gas-Kraftwerke, ergeben sich drei zentrale Handlungsoptionen. Erstens müssen Szenarien auch sehr kalte Winter sowie die reale Effizienz von Wärmepumpen besser abbilden. Das gilt insbesondere für Szenarien in der Netzplanung. Zweitens kann die Spitzenlast gezielt durch einen bestimmten Mix von Heiztechnologien gesenkt werden. So könnten weniger elektrische Widerstandsheizungen und mehr Hybrid-Wärmepumpen mehr Flexibilität liefern. Drittens sind Koordinierungs­mechanismen wichtig, um das Flexibilitätspotenzial von Wärmepumpen zu entfalten. Intelligente Zähler und zeitvariable Strompreise können unter anderem für weitere Flexi­bilität sorgen. Dann reduziert sich das Risiko einer Versorgungslücke in sehr kalten Wintern.

Die vollständige Studie „2030 Peak Power Demand in North-West Europe“ sowie weitere Informationen finden Sie unter https://www.ewi.uni-koeln.de.