Schnellschuss ohne Halbwertzeit

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„Solar, Solar, Solar – das EEG ist doch nur für Solar gebastelt worden.“ Dieser Angriff kommt von CDU-Wirtschaftspolitiker Thomas Bareiß während der etwa dreistündigen Debatte im Bundestag über den Atomausstieg und die Energiewende. Er greift damit die bestehenden Bedenken seiner Parteifreunde auf, die während der gesamten Verhandlungen über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) versuchten, eine Begrenzung des Zubaus bei Photovoltaikanlagen oderwenigstens eine schnellere Absenkung der Solarförderung durchzusetzen. Für beide Punkte finden sie aber nicht genug Anhänger – weder in den eigenen Reihen noch beim Koalitionspartner FDP.
Ursprünglich wollte sich die Bundesregierung mit der Verabschiedung der EEG-Novelle bis zum Herbst Zeit lassen. Grund zur Eile gibt es eigentlich nicht, denn die Neuregelung tritt erst zum 1. Januar 2012 in Kraft. Doch nach der Atomkatastrophe in Japan änderte sichder Zeitplan radikal. Die Bundesregierung verkündete nicht nur die Abkehr vom Ausstieg aus dem Atomausstieg. Nein – sie will gleich die komplette Energiewende unter Dach und Fach bringen. Deshalb koppelt sie die Abstimmung über die EEG-Novelle an die neuen Atomgesetze. Für die erneuerbaren Energien erweist sich das erzwungene Eiltempo als nachteilig. Die große Chance für eine wirkliche Energiewende vergibt die Regierung.Gerade einmal ein Monat Zeit blieb den Parlamentariern, sich mit den verschiedenen Gesetzen des Energiepakets, darunter der Atomausstieg und die EEG-Novelle, vertraut zu machen. Am 6. Juni verabschiedet das Bundeskabinett die entsprechenden Verordnungen. Es folgt eine wahre Odyssee der Gesetzesvorlagen durch Fraktions-, Ausschuss-, Anhörungs- und Bundesratssitzungen. Alles geht Schlag auf Schlag – wirklich Zeit bleibt den Bundestagsabgeordneten jedoch nicht, tiefer in die Materie einzusteigen.

Historischer Tag

Der finale Akt im Bundestag vollzog sich so auch bereits am 30. Juni. Umweltminister Norbert Röttgen eröffnete die Debatte im Parlament. Seine Aufgabe ist es, die Energiepolitik der Regierung zu verteidigen. Röttgen ist überzeugt, dass der Umstieg auf die Erneuerbaren gelingt. Die historische Dimension der Entscheidung sieht auch Oppositionsführer Sigmar Gabriel. Der SPD-Chef geht davon aus, dass der Tag in die Geschichte eingehen wird. Allerdings bemängelt auch er die Eile, mit der die Regierung ihre Gesetze durchdrückt. Für die Novellierung dieses komplizierten Gesetzes blieben gerade einmal acht Wochen. Dabei greift Gabriel die Regierung frontal an. Er wirft ihr eine „Stop and Go“-Politik vor. „Wer diese hektischen Wendungen in der Energiepolitik betreibt, treibt die Strompreise in die Höhe“, sagt der SPD-Chef mit Blick auf die erst im Herbst beschlossene Laufzeitverlängerung der deutschen Atomkraftwerke. Diese wird nun wieder zurückgenommen.
Der Bundestag beschließt an diesem Tag nicht nur die EEG-Novelle. Mit den Stimmen von CDU, CSU, FDP, SPD und Grünen entscheidet das Parlament, dass bis Ende 2022 alle deutschen Atomkraftwerke vom Netz müssen. Doch an diesem Punkt endet die Harmonie zwischen Regierung und Opposition. Die Meinungen, wie der wegfallende Atomstrom kompensiert werden soll, gehen weit auseinander. Die Regierung setzt auf große Windparks auf hoher See und neue Kohlekraftwerke. Dabei hätte es eigentlich keinen besseren Zeitpunkt geben können, um die Weichen für eine rasche Wende zu einer dezentralen Energieversorgung in Deutschland zu stellen. Zumal im ersten Quartal 2011 der Anteil erneuerbarer Energien weiter gestiegen ist. Siedecken bereits 19 Prozent des Strombedarfs hierzulande.
Die dreieinhalb Wochen intensiver Beratungen haben wenig Veränderungen gebracht. Die Abweichungen gegenüber dem Entwurf von Röttgen sind marginal. Die versteckten Kürzungen für die Photovoltaik, die erst auf den zweiten Blick in der EEG-Novelle erkennbar werden, bleiben somit weitgehend erhalten (siehe photovoltaik 06/2011, Seite 20).

Marginale Nachbesserungen

Aus Sicht der Photovoltaikbranche ist nur die Verlängerung der bestehenden Eigenverbrauchsregelung um zwei weitere Jahre als kleine Nachbesserung erwähnenswert. Dafür machte sich zuvor der Bundesrat in einer seiner Empfehlungen an die Regierung stark. Ursprünglich sah die Novelle eine erhebliche Einschränkung beim Eigenverbrauch vor.
Alle anderen wichtigen Forderungen aus Sicht der Photovoltaik bleiben unerfüllt. Die Rufe der Projektierer, neue Freiflächen auszuweisen, finden keinen Niederschlag in der EEG-Novelle. Dabei räumte selbst die FDP bei ihrem jüngsten Parteitag in Rostock ein, dass der Ausschluss der Ackerflächen aus der Solarförderung ein Fehler war. Ebenfalls ohne Erfolg blieben die Einwände von Experten gegen eine rückwirkende Einbeziehung von Photovoltaikanlagen zwischen 30 und 100 Kilowatt in das Einspeisemanagement. Die starre Abregelung kleiner Photovoltaikanlagen bei 70 Prozent wird nun ebenfalls kommen.Die Einspeiseregelung selbst bleibt aber unverändert. Es ist allerdings die Frage, ob der Wirtschaftsflügel der Union so schnell aufgeben wird. Bis zum Tag der Entscheidung war er massiv für eine weitere Beschneidung der Solarförderung eingetreten. Selbst die Meldung der Bundesnetzagentur, dass der Photovoltaikzubau in den Referenzmonaten März bis Mai bei lediglich 700 Megawatt lag und somit der unterjährige Degressionsschritt zur Jahresmitte für Dach- und Freiflächenanlagen ausfällt, konnte CDU-Politiker wie Thomas Bareiß, Joachim Pfeiffer und Michael Fuchs nicht überzeugen. „Die Flaute ausgerechnet in den Referenzmonaten kommt nicht zufällig. Danach wird es wieder einen Ansturm geben. Diesen Effekt gab es bereits in der Vergangenheit“, sagt Unions-Fraktionsvize Michael Fuchs.
Die EEG-Novelle ist nun erst einmal beschlossene Sache. Aber es ist nicht gesagt, dass der Schnellschuss der Regierung wirklich von langer Halbwertzeit ist. Der Grünen-Energiepolitiker Hans-Josef Fell bringt es auf den Punkt. „Sämtliche Oppositionsfraktionen hätten sich gewünscht, dass die Koalition sich die gebührende Zeit genommen hätte, die ursprünglich auch vorgesehen war. Dies hätte es allen Abgeordneten ermöglicht, sich angemessen mit der Materie zu beschäftigen. Was die Regierungskoalition jetzt hingelegt hat, ist ein Erneuerbare-Murks-Gesetz mit Reparaturgarantie. Die nächsten Teilnovellen kommen bestimmt.“

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