Origami Solar

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Das Gewerbegebiet des kleinen Orts Spreitenbach, 15 Kilmeter westlich von Zürich, erscheint zunächst wie ein weiterer Klon der typischen Vorort-Einkaufszentren auf der grünen Wiese. Rechtwinklige Kisten mit Bau- und Discountermärkten auf der einen Seite, auf der anderen ein Gebäude mit Tonnendach, das einen Supermarkt beherbergt.
Doch dazwischen steht ein dynamisches Gebilde, das an einem solchen Ort niemand erwartet hätte und das trotzdem sehr gut passt. Es hat schräg gestellte Glasfassaden und ist überspannt von einer mehrfach gefalteten, riesigen Dachkonstruktion. Die Umwelt Arena soll anders sein, will provozieren und informieren – gerade in dieser Umgebung.
Dazu gehört auch Photovoltaik. 33 unterschiedlich ausgerichtete dreieckige und trapezförmige Dachflächen aus Solarmodulen geben der Umwelt Arena ein außergewöhnliches Antlitz. Etwas von der Aufbruchstimmung und den Zukunftsvisionen, die den Besucher im Inneren erwarten, soll sich bereits außen manifestieren. Das wünscht sich zumindest der Züricher Architekt René Schmid. Sowohl der Landeanflug eines Vogels als auch die Klarheit kristalliner Strukturen hätten ihn beim Entwurf dieser ungewöhnlichen Gebäudeform inspiriert. So weit das abstrakte Gedankengerüst.
Konkret zeigt sich dort nicht nur, wie eine komplizierte Dachform mit Photovoltaik belegt werden kann, sondern auch, wie umwelt- und ressourcenschonend Haushaltsgeräte, Haustechnik und Fahrzeuge hergestellt und betrieben werden können. Diese Themen möchte der Bauherr Walter Schmid, Vater des Architekten, in seiner Umwelt Arena für alle Verbraucher transparent machen.
Die eigentliche Arena ist eine ins Untergeschoss versenkte Veranstaltungshalle mit etwa 1.500 Sitzplätzen. Umgeben ist die bis zum Dach offene Halle von Galerien, die zu Schulungsräumen führen und gleichzeitig Raum für Dauer- und Wechselausstellungen bieten. Über 45 Millionen Euro nimmt der Züricher Bauunternehmer und Umweltaktivist in die Hand, um den Schweizern ein umweltschonendes Konsumverhalten nahezubringen. Am eigenen Objekt demonstriert Walter Schmid bereits, wie ein Gebäude CO2 -neutral errichtet und betrieben werden kann. Zum Beispiel mit recyceltem Beton und Baufahrzeugen, die mit Gas aus Küchenabfällen angetrieben werden.
Die Wärme und Kälte für die Umwelt Arena kommen aus dem Boden und von der Sonne. Temperiertes Wasser zirkuliert in den Betondecken, und Wärme wird so gleichmäßig im Gebäude verteilt. Die Wärme für die Wintermonate produzieren Solarkollektoren, die Kälte für den Sommer kommt aus der Erde – aus einem neun Kilometer langen Rohr, das dort in Schlangenlinien verlegt ist. Zusätzlich setzten die Haustechniker eine Absorptionskältemaschine ein, die mit Solarwärme und Solarstrom betrieben wird. Dafür stehen zwei 70.000 Liter fassende Wasserspeicher zur Verfügung. Auch die Wärmepumpe, der Pelletofen und ein gasbetriebenes Blockheizkraftwerk sind sowohl in die Haustechnik der Umwelt Arena als auch in deren Ausstellungskonzept integriert, so dass die Besucher alle Techniken während des Betriebs erleben können.

33 unregelmäßige Flächen

Spektakulär wirkt das enorme Photovoltaikdach mit seinen 5.300 Quadratmetern. Die 33 unregelmäßigen polygonalen Dachflächen formen die Hülle des 20 Meter hohen Gebäudes. An manchen Stellen reichen sie fast bis auf den Boden herunter. „Wir wollten zeigen, dass Photovoltaik ein Bauelement ist, das nicht einfach nur auf Gebäude oben draufgeklebt wird“, sagt Architekt René Schmid. Sein Ziel war es, das Gebäude mit dem Dach zu schützen und gleichzeitig Strom zu erzeugen.
Für die Dacheindeckung wählte er Glas-Glas-Module mit kristallinen Zellen des Schweizer Herstellers 3S. Anfangs sollten nur die am meisten besonnten Flächen mit Photovoltaikmodulen belegen werden, berichtet Schmid junior. Den Rest wollten die Planer mit dunklen Glaselementen füllen. Dem Architekten zuliebe hat der Photovoltaikplaner trotzdem einmal nachgerechnet, wie es wäre, wenn das gesamte Dach photovoltaisch belegt würde. Dabei hat er Erstaunliches festgestellt: Selbst auf der Nordseite produzieren die kristallinen Module noch 60 Prozent der möglichen Erträge. Insgesamt erreicht die 750-Kilowattpeak-Anlage über 80 Prozent.
Auch die zahlreichen angeschnittenen Dachbereiche, die sich durch die verschachtelte Dachform ergeben, standen während der Planungsphase zur Disposition. Alle Flächen so weit wie möglich mit rechteckigen Standardmodulen zu belegen und dann die Randbereiche der unregelmäßig geschnittenen Dachflächen mit Dummys zu füllen wäre eine Variante gewesen. Doch die Planer entschieden sich für die Vollbelegung. „Wenn alle Randbereiche inaktiv sind, dann fällt uns zu viel Leistung weg“, sagt Projektkoordinator Paul Rüedi vom Bauunternehmen Walter Schmid, „das sind insgesamt 1.300 Quadratmeter.“ Unter den insgesamt 5.239 Modulen, die 3S herstellte, sind über 1.000 Module Sonderanfertigungen. Das Ergebnis: maximale photovoltaische Leistung auf dem Dach der Umwelt Arena. Und viele Wechselrichter. Denn nicht nur Form und Größe der Dachflächen sind unterschiedlich.

Umwelt Arena

Seit August unterstützt die Umwelt Arena in der Nähe von Zürich Verbraucher bei der Wahl von Produkten mit unabhängigen Informationen.

www.umweltarena.ch

Jede der 33 Flächen ist außerdem in einem anderen Winkel zur Sonne hin ausgerichtet. Das bedeutet, dass 66 Wechselrichter für die gesamte Anlage notwendig sind – pro Dachfläche je einer für die rechteckigen Standardmodule und einer für die kleineren Randelemente. Die Randelemente hat 3S erst produziert, nachdem alle rechteckigen Module bereits auf dem Dach installiert waren und das Dach noch einmal aufgemessen wurde. Mit diesem Schritt gingen Planer und Modulproduzenten auf Nummer sicher, dass die solare Dacheindeckung die komplizierte Dachform exakt ausfüllt.

Verschachteltes Solardach

Die steilsten Dachbereiche haben über 60 Grad Dachneigung, andere Flächen hingegen sind nicht mehr als sechs Grad geneigt. Für die flachen Bereichen war es notwendig, eine dichte Unterdachfolie auf der Dachkonstruktion zu installieren. „Bei nur sechs Grad Dachneigung können die Module allein das Dach nicht dichten“, sagt Paul Rüedi, „auch mit einer Ziegeleindeckung wäre das Dach nicht ganz dicht gegen drückendes Wasser.“ Trotz der verwinkelten Dachform haben die Planer die Montage der Module auf Grundlage des Montagesystems Megaslate von 3S umgesetzt. Nur für einige Teilbereiche mussten spezielle Befestigungslösungen konstruiert werden.
Die Kehlbereiche, dort wo zwei Dachflächen aufeinandertreffen, sind mit Blechen eingedichtet, damit das Regen- und Schmelzwasser sicher abfließen kann.
Den unteren Abschluss der Dachkonstruktion bildet eine große, rechteckige Regenrinne, die von außen mit dunklem Blech eingekleidet ist. Mit schweren Stahltragbügeln ist die Rinne in die Holzkonstruktion eingeschraubt. „Die muss sehr viel Gewicht aushalten“, sagt Paul Rüedi. Denn von solch großen Dachflächen kann je nach Wetterlage enorm viel Regenwasser herunterströmen. Außerdem haben die Planer die Regenrinne auch als letzten Schneefänger konzipiert. Einzelne Schneestopper innerhalb der Anlage halten die weißen Massen zurück. Schnee vom unteren Dachteil kann in der breiten Wanne am unteren Dachrand aufgefangen werden. Dass das funktioniert, hat der letzte Winter bereits gezeigt.
Interessant: Einen Großteil der Photovoltaikmodule haben Lehrlinge des Energieunternehmens Axpo unter der Anleitung von BE Netz installiert. Die Idee dazu stammte von Greenpeace. Die Umweltorganisation ist mit diesem Projekt auf den Energieversorger Axpo zugegangen, der zuerst gar nicht begeistert war. Schließlich haben rund 100 Axpo-Lehrlinge für jeweils eine Woche direkte Erfahrungen mit der Solartechnik sammeln können. „Greenpeace und Axpo haben sich schließlich die Hand gegeben“, sagt René Schmid, „ganz im Sinne der Plattform Umwelt Arena, die Akteure zusammenbringen soll.“ Seit Ende 2011 ist die größte gebäudeintegrierte Solaranlage der Schweiz ans Netz angeschlossen. Der Ausstellungsbereich öffnete Ende August seine Pforten. Anfang Dezember verlieh Eurosolar dafür den Europäischen Solarpreis in der Kategorie „Eigentümer oder Betreiber von Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien“.

Europäischer Solarpreis 2012

Anfang Dezember verlieh Eurosolar den Europäischen Solarpreis in der Kategorie „Eigentümer oder Betreiber von Anlagen zur Nutzung Erneuerbarer Energien“. In der Würdigung heißt es:
Konstruktion und Inhalt der Umwelt Arena im schweizerischen Spreitenbach bringen ihren Verwendungszweck auf den Punkt. Seit der Eröffnung im Sommer 2012 können sich die Besucher über ein breites Spektrum an Energie- und Umweltfragen informieren. Die Integration vieler innovativer Technologien in die Gebäudehülle und die Haustechnik machen energetische und ökologische Aspekte sichtbar und verständlich.
Das Gebäude besticht durch Eleganz, Dynamik und Effizienz. Die Dachfläche ist das wichtigste architektonische Bauteil und verleiht ihm seine eindrucksvolle Identität. Wie die Schuppen von Reptilien bilden speziell geformte Photovoltaikmodule die Gebäudehülle. Ihre Facetten und der dunkle Glanz erinnern an einen Kristall. Mit einer Leistung von 760 Kilowattpeak erzeugt die Photovoltaikanlage 540.000 Kilowattstunden Strom im Jahr. Zusätzliche Energie wird durch ein Blockheizkraftwerk, eine Solarthermieanlage sowie einen Biogas-Fermenter produziert.
Statt mit einer herkömmlichen Kältemaschine wird mit Solarenergie im Sommer gekühlt und im Winter geheizt. Dank der Kombination der vorbildlich integrierten Photovoltaikanlage mit innovativer Gebäudetechnik produziert die Umwelt Arena fast das Doppelte des benötigten Energieverbrauchs. Dies entspricht einer Eigenenergieversorgung von 203 Prozent.
In der Umwelt Arena werden die zentralen Themen Umwelt, Energie und Nachhaltigkeit für alle erlebbar und begreifbar. Der Plusenergiebau präsentiert auf beispielhafte Weise, wie Architektur, Ästhetik und Ökologie optimal vereint werden können. Er ist damit zukunftsweisend für den Kohlendioxid-neutralen Gebäudebetrieb.

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