In der Warteschleife

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„Tausche Module gegen Wechselrichter“, stand im Betreff der Rundmails. Ende des Jahres war die Auftragslage zum Bau von Photovoltaikanlagen so gut wie nie, aber es gab keine Wechselrichter mehr. Verzweifelte Installateure hofften, per E-Mail Kollegen aufzutreiben, die weniger Aufträge oder ein größeres Lager hatten. Die Lage hat sich nicht gebessert. Egal, ob kleiner String- oder großer Zentralwandler, die Regale sind leer und die Hersteller haben wochenlange Lieferfristen.
„Ab Herbst gab es ganz überraschend Lieferzeiten von sechs bis acht Wochen“, sagt Anja Kurt von Stuhlmacher Solartechnik im niedersächsischen Putensen. Das war neu. „Vorher waren Wechselrichter nie das Problem.“ Stuhlmacher baut alles: von der kleinen Dachanlage auf dem Einfamilienhaus bis zu 200 Kilowatt in der Freifläche. Das Unternehmen verwendet Wechselrichter von Kaco oder SMA. Aber das will nichts heißen, denn im Moment sind für keine Leistungsklasse Wechselrichter auf die Schnelle erhältlich. Von niemandem. Stuhlmacher bestellt den Großteil seiner Wandler bei einem Großhändler in Süddeutschland. Der begründet den Engpass mit der sprunghaft gestiegenen Nachfrage. Wann sich die Lage wieder normalisieren wird, kann er allerdings nicht sagen. Das ist verständlich, denn der Grund liegt ganz am Anfang der Prozesskette.
„Manchen Herstellern mangelt es an ganz einfachen Elektro-Bausteinen“, sagt Bruno Burger vom Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). „Transistoren oder Drosselspulen, die nicht so schnell nachgeliefert werden können, wie sie gebraucht werden.“ Allerwelts-Komponenten, über die normalerweise niemand nachdenken würde. „Ganz kleine Widerstände, die nur ein bis zwei Cent kosten, können die ganze Produktion lahmlegen“, sagt Burger.
Bei einigen Herstellern hat der Einkauf mittlerweile freie Hand, um das nötige Material einzuholen, ohne starren Blick auf die Kosten. Aber neue Komponenten bringen auch neue Probleme mit sich. „Wir können beispielsweise Bauteile anderer Lieferanten nicht blind verwenden“, erklärt Andreas Schlumberger von Kaco. „Sie müssen in allen Betriebszuständen der Wechselrichter getestet werden, damit wir sicher sein können, dass sie vor Ort nicht ausfallen.“ Das wiederum nimmt Ressourcen und Personal in Anspruch, die eigentlich in der Produktion gebraucht werden, um das normale Soll zu schaffen. Die Lieferverzögerungen gelten in vielen Fällen für die große Zahl zusätzlicher Bestellungen. Langfristige Verpflichtungen können in der Regel erfüllt werden. Einer der Komponentenhersteller, die ihre Produktionsmengen nicht so einfach dem gestiegenen Bedarf anpassen können, ist Kaschke Components.
„Wir sind Mitverursacher am Engpass, weil wir nicht genügend Bauteile zur Verfügung stellen können“, sagt Vertriebsleiter Josef Postert. Das mittelständische Unternehmen stellt Elektronik-Bauteile für viele unterschiedliche Abnehmer her: von der Automobilindustrie bis zur Kommunikationsbranche.
Für die Solarindustrie produziert Kaschke Components Drosselspulen. Sie sitzen unter anderem vor dem Wechselstrom-Ausgang und glätten die Spannung zu einer sinusförmigen Welle. Zwei bis drei davon stecken in jedem Wechselrichter. Seit drei Jahren fertigt das Göttinger Unternehmen diese Kupferspulen. „Wir haben wenig Wettbewerber, die so gut sind wie wir. Fast die gesamte deutsche Wechselrichterindustrie baut mit unseren Teilen“, sagt Postert; von Kostal über Kaco bis Fronius.
Das macht sich jetzt für einige Hersteller unangenehm bemerkbar, denn die meisten haben keinen Zweitlieferanten. Kaschke hat seine Produktion bereits gesteigert. Aber: „Wir haben nicht genug Ressourcen, um über Nacht die dreifache Kapazität bereitzustellen.“ Denn auch Kaschke ist auf Zulieferer angewiesen. Vor allem auf die Hersteller von Kupferdraht, die selber eine Lieferzeit von 20 Wochen haben. Dass die Absätze bei Wechselrichtern im vergangenen Jahr stark schwankten, hat es nicht einfacher gemacht.

Ein Jahr extremer Schwankungen

Nach dem Einbruch des spanischen Marktes sei der Bedarf sogar so stark gesunken, dass „die Zulieferer die Produktion erst einmal heruntergefahren haben“, so Postal. Mit dem Regierungswechsel setzte die Angst vor Verschlechterung ein, und der Bauboom begann. Werden die Vorschläge von Umweltminister Norbert Röttgen zur Kürzung der Solarvergütung umgesetzt, werden bis Juli voraussichtlich sogar noch mehr Anlagen gebaut werden. Wenigstens in der Theorie, denn ohne Wechselrichter kommt jede Planung zum Erliegen, und auch das Handwerk ist an der Grenze des Machbaren angelangt. „Gibt es einen neuen Run, haben wir ein richtiges Problem“, sagt Anja Kurt von Stuhlmacher Solartechnik, „wir kriegen unsere Sachen jetzt noch nicht einmal fertig.“ In dem kleinen Zeitfenster, das die Politik bis zur nächsten Kürzung vorgeben will, sieht auch Postert das Problem. Denn für die Zulieferer und Hersteller lohnt es sich nicht, große neue Kapazitäten aufzubauen, wenn sie nur für wenige Monate ausgelastet sein werden. Seit mehreren Monaten diskutiert er mit der Geschäftsführung, was der beste Weg ist. 200.000 Euro hat Kaschke investiert. Das entspricht zwar einer Steigerung von 30 Prozent, reicht aber nicht aus, um der Nachfrage Herr zu werden. „Wir investieren nicht ein halbe Million Euro, nur um in einem halben Jahr überschüssige Kapazitäten zu haben“, sagt Postert. Einige Hersteller würden gerne das Vierfache ihrer bisherigen Bestellmengen ordern, aber darauf will sich das Unternehmen nicht einlassen.

Nachhaltig wachsen

Für die Wechselrichter-Hersteller stellt sich die gleiche Frage: Wie viel Vergrößerung ist jetzt gesund? Zum Jahresende hatte die Bestellwut fast hysterische Ausmaße angenommen. „An einem einzigen Tag gingen bei uns so viele Bestellungen ein wie sonst in zwei bis drei Wochen“, sagt Schlumberger von Kaco. „Wir konnten gar nicht mehr einschätzen, ob diese Nachfrage überhaupt real war.“ Oder ob die Händler auf Reserve bestellten, um für alle Fälle gerüstet zu sein. Einige Hersteller gehen Kompromisse ein, um ihre Kunden nicht auf dem Trockenen sitzen zu lassen. SMA beispielsweise ist laut Postert nicht auf Spulen von Kaschke angewiesen. Sie haben dafür andere Engpässe und liefern ihre Wechselrichter ohne Displays aus. Diese sollen nachgeliefert werden, wenn sich die Lage wieder entspannt hat. Das heißt im Klartext wohl, wenn die Zulieferer wieder liefern können.
SMA will die Kapazität seiner Fünf-Gigawatt-Wechselrichterfabrik in den nächsten Monaten auf neun bis zehn Gigawatt ausbauen. Wenn sich die Nachfrage hält, will man eine weitere Fabrik bauen. Auch bei Kaco arbeitet man mittlerweile rund um die Uhr und sucht nach langfristigen Lösungen. „Irgendwann muss man die Leute ja wieder nach Hause lassen.“ Wie viel Ausbau ist also gut? Mit der neuen Einspeisevergütung wird der Bedarf wohl schnell wieder abflachen. „Die falsche Balance kann ein Unternehmen gegen die Wand fahren“, sagt Schlumberger. Wenn der deutsche Markt sich wieder beruhigt hat, gibt es zahlreiche andere Länder mit wachsendem Markt. Dann gilt es, sich deren Schwankungen anzupassen.

Fink Bedachungen, Hartmut Berner, Geschäftsführer

Wir hatten keine Probleme mit Lieferschwierigkeiten. Bei uns hat alles geklappt, weil unser Händler genügend Wechselrichter vor Ort hatte und wir rechtzeitig vorgesorgt haben. Wir beziehen die Wechselrichter seit drei Jahren vom gleichen Großhändler. Bestehende Geschäftsbeziehungen sind natürlich besser, als wenn man erst kommt, wenn alles brennt.
Wir haben im letzten Jahr Aufträge abgelehnt, wenn die Kunden Ende November die Bedingung gestellt haben, dass die Anlagen noch 2009 ans Netz gehen sollten. Das war in einigen Fällen nicht mehr machbar. Wenn wir Aufträge abgelehnt haben, lag das also weniger an den Wechselrichtern, sondern daran, dass unsere Arbeitskapazitäten ausgereizt waren. Momentan scheint es sich etwas zu entspannen, aber mit der Änderung der Einspeisevergütung gehen wir von einem neuen Schub bis Ende März aus. Manche Wechselrichter werden ohne Display ausgeliefert. Hier werden wir dann im Laufe des Jahres die Displays nachrüsten.

Solarmarkt AG, Peter Fischer, Leiter Einkauf

Alle Hersteller waren von den Lieferverzögerungen betroffen, die ungefähr im September letzten Jahres begonnen haben. Betroffen sind im Wesentlichen String-Wechselrichter, aber auch die Lieferzeiten für Zentralwechselrichter haben sich erhöht. Die Hersteller gaben an, von der Nachfragewelle total überrollt worden zu sein. Bislang kann von einer Entspannung der Lage nicht die Rede sein. Viele Planer versuchen, Anlagen, die sie mit String-Geräten nicht mehr zeitnah realisieren können, nun mit zentralen Wechselrichterkonzepten umzusetzen. Die Solarmarkt AG konnte ihre Wechselrichterumsätze im Jahr 2009 zwar in einem hohen zweistelligen Bereich steigern, aber ohne Engpässe wäre wohl eine Verdoppelung möglich gewesen.
Für das Jahr 2010 haben wir Vorkehrungen getroffen, die unsere Lieferfähigkeit verbessern helfen; dazu gehören klare Vereinbarungen mit unseren Kunden und Forecasts an unsere Lieferanten, die deren Produktionsplanung erleichtern.

Centrosolar AG, Dr. Josef Wrobel , Vertriebsvorstand

Die Wechselrichter-Hersteller begründen ihre Probleme damit, dass ihre eigenen Zulieferer nicht pünktlich liefern können. Wir haben diese Probleme bei unseren Lieferanten zwar bemerkt, sind aber nicht so stark betroffen, da wir zwar einerseits Wechselrichter von SMA beziehen, aber auch unsere Eigenmarke Powerstocc haben.
Unter Powerstocc vertreiben wir Wechselrichter von zwei weiteren Herstellern. Durch langfristig fixierte Bestellungen haben wir gut vorgesorgt und sind jetzt nicht so unter Druck geraten wie einige andere Wettbewerber. Wir können daher grundsätzlich liefern, wenn auch nicht immer den gewünschten Wechselrichter-Typ. Im Zweifel bieten wir ein Alternativprodukt an. Deswegen gab es bei Projekten auch keine Verzögerungen.

Sputnik Engineering GmbH, Dr. Hans-Thomas Fritzsche, Geschäftsleiter

Das erste Halbjahr 2009 in Deutschland war schwierig. Insbesondere der Großanlagenbau und damit der Absatz an Zentralwechselrichtern lag weit unter den Erwartungen. Jetzt arbeiten wir daran, unsere Produktionskapazitäten kurzfristig zu erweitern, um den zusätzlichen Bedarf sowohl unserer Stammkunden als auch neuer Kunden befriedigen zu können.
Im Bereich der Stringwechselrichter stellte der rasante Anstieg des Marktbedarfes im zweiten Halbjahr noch größere Herausforderungen an die Flexibilität unserer Produktion. Wir bekennen nicht ohne Stolz, dass wir unseren Kunden zeigen konnten, was wir unter Verlässlichkeit verstehen; wenn auch nicht jeder Mehrbedarf befriedigt werden konnte und kann. Die vereinbarten Mengen aber sind mindestens erreicht, wenn nicht übertroffen worden. Der Markt könnte im ersten Halbjahr ein Volumen erreichen, wie wir es im gesamten Jahr 2009 hatten. Ich erwarte ein Wachstum für Solarmax-Wechselrichter von mehr als 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Im ersten Halbjahr wird das Segment der Freiflächenanlagen wie auch der größeren gewerblichen Anlagen höhere Bedeutung haben, als wir das aus der Vergangenheit kennen.

SMA Solar Technology AG, Volker Wasgindt, Leiter Presse- und Verbandsarbeit

Die Lieferschwierigkeiten betreffen die meisten Typen unserer Produktpalette und liegen in der in den vergangenen Monaten drastisch angestiegenen Nachfrage begründet und hier vor allem in Engpässen bei einigen unserer Zulieferer. SMA konnte im vergangenen Jahr die Produktionskapazitäten durch den Neubau der weltweit größten Wechselrichterfabrik stark ausweiten, und zusätzlich haben wir in den letzten Monaten auch unsere monatlichen Produktionszahlen noch einmal erhöhen können. Insgesamt haben wir damit unsere jährlichen Fertigungskapazitäten auf bis zu fünf Gigawatt ausgebaut.
Wir werden unsere Kapazitäten in den nächsten sechs Monaten noch einmal durch Interimslösungen auf rund neun bis zehn Gigawatt weiter ausbauen. Hierzu haben wir eine große Halle im Industriegebiet Waldau in Kassel angemietet. Insgesamt rechnen wir mit einer Normalisierung der Lieferzeiten gegen Ende des ersten Quartals.

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