Gegen die Benachteiligung von Photovoltaik-Dachanlagen beim Repowering

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Großflächige Photovoltaik-Dachanlagen auf Bürogebäuden, Lagerhallen und Fabriken können beim Ausbau der erneuerbaren Energien eine große Rolle spielen. Dazu muss in den kommenden Jahren allerdings einiges passieren. So müssen bislang ungenutzte Dachflächen künftig noch schneller mit Solarmodulen ausgestattet werden. Dieses Riesenprojekt jedoch lässt sich nicht unbegrenzt beschleunigen: Die Planung, Implementierung und Netzintegration neuer Anlagen braucht Zeit. Um schnellere und stärkere Effekte zu erzielen, müssen parallel bereits existierende, ältere Photovoltaik-Anlagen schnell und unkompliziert durch neue, leistungsstarke Systeme ausgetauscht werden.

Repowering als effektive Maßnahme

Das Potenzial dieser Repowering-Maßnahmen ist beachtlich: So kann die Leistung mancher Anlagen durch eine entsprechende Aufrüstung mehr als verdoppelt werden – und zwar mit viel weniger Aufwand als beim Neubau einer Anlage anfiele. Während hier Dächer zuerst geprüft und präpariert werden müssen, ist das beim Repowering nicht mehr notwendig, da bereits Photovoltaik-Module installiert wurden. Der Austausch der Module kann somit ohne lange Vorbereitungen angegangen werden.

So können vor allem in der Planungsphase viele der üblicherweise notwendigen Schritte wegfallen. Wenn die Anlage nicht vergrößert wird, muss bei einem Repowering zum Beispiel die Statik des betreffenden Gebäudes nicht erneut geprüft werden. Das verkürzt und erleichtert die Machbarkeitsanalyse deutlich. Obendrein können nach einem Repowering häufig bereits existierende Netzanschlüsse weiterverwendet werden, wenn sie für die zusätzliche Leistung ausgelegt sind. Angesichts des enormen Aufwands, der heutzutage mit der Realisierung neuer Netzanschlüsse einher geht, werden Repowering-Maßnahmen so zu einer extrem attraktiven Option.

Leider ist ein solcher Austausch alter Module nach aktuellen EEG-Regelungen nach wie vor nur dann erlaubt, wenn die alten Solarmodule kaputt sind, gestohlen wurden oder signifikant an Leistungsfähigkeit eingebüßt haben. Die Folge: Viele Dächer werden durch alte Anlagen blockiert und liefern deutlich weniger Energie, als nach einem Repowering möglich wäre.

Es tut sich was bei der Gesetzgebung

Im März 2022 verfasste der Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V. (bne) ein Positionspapier, in dem es den Bund dazu aufrief, Repowering-Maßnahmen künftig zu erleichtern. Die Bundesregierung nahm sich kurz darauf des Themas an und behob das Problem im Herbst mit einer entsprechenden Gesetzesnovelle.

Nach dem Beschluss dürfen ab 2023 auch voll funktionstüchtige Module getauscht werden, um so die Leistung zu erhöhen und mehr aus jedem Quadratmeter solar genutzter Fläche herauszuholen. Dabei ist wichtig, dass der Betreiber die EEG-Vergütung weiterhin nur für die ursprüngliche Leistung erhält – er profitiert also nicht doppelt von der Förderung. Die zusätzliche Leistung kann jedoch etwa über PPAs vermarktet werden.

Klingt sinnvoll – und ist es auch. So begrüßt bne-Geschäftsführer Robert Busch die Novelle auch ausdrücklich und spricht von einem „großen Schritt in die richtige Richtung.“ Weiter erklärt Busch, dass die ausgewechselten Module keineswegs verschrottet werden müssen. Er betont stattdessen die Möglichkeiten, die alten Module etwa für Photovoltaik-Balkon-Anlagen weiter zu nutzen.

Warum werden Photovoltaik-Dachanlagen benachteiligt?

Der Einschätzung des bne können wir bei Enviria uns nur anschließen. Was wir an der aktuellen Entwicklung jedoch erstaunlich finden, ist, dass Dachanlagen explizit davon ausgenommen sind. Und das keineswegs zufällig. Schon das bne-Positionspapier hebt Solarparks gezielt als „niedrig hängende Früchte“ hervor und regt an, „Freiflächenanlagen mit leistungsschwachen alten Modulen (…) durch leistungsstarke Module“ zu ersetzen. In dem Gesetzgebungsvorschlag, den die Kanzlei Becker Büttner Held in diesem Zusammenhang erarbeite, kommt das Wort „Freifläche“ dann auch 16 mal vor, das Wort „Dach“ an keiner Stelle. Die Bundesregierung übernahm diesen Fokus dann augenscheinlich, ohne ihn groß zu hinterfragen.

Dabei wäre es schon interessant gewesen, die Argumente für solch eine Unterscheidung zu hören. Aus unserer Sicht gibt es für diese Ungleichbehandlung nämlich keine Rechtfertigung. Fakt ist: Fast alle Pro-Repowering-Argumente, die sich im Zusammenhang mit Solarparks anbringen lassen, gelten genauso auch für Dachanlagen. Auch hier würde man durch eine entsprechende Neuregelung deutlich mehr grünen Strom auf bestehenden Flächen generieren. Auch hier könnte das mit weniger baulichem und bürokratischem Aufwand geschehen als bei der Installation neuer Photovoltaik-Anlagen. Und auch hier könnte man die ausgemusterten Module problemlos neuen Zwecken zuführen. Dennoch sind Photovoltaik-Dachanlagen explizit von der Neuregelung ausgenommen.

Und das obwohl Dachanlagen zum Beispiel in Gewerbegebieten allgemein besser von der Gesellschaft akzeptiert werden als große Solarparks auf grünen Freiflächen. Welchen Grund könnte es also geben, Dachanlagen weniger zu fördern?

Versuch einer Rechtfertigung

Ein mögliches Argument, das in diesem Zusammenhang denkbar wäre, zielt auf die begrenzte Verfügbarkeit von Fachkräften ab. Statt wertvolles Personal beim Repowering alter Dachanlagen zu binden – so könnte man argumentieren – sollte der Fokus zuerst auf die Installation neuer Photovoltaik-Anlagen sowie das Repowering großer Freiflächenanlagen gesetzt werden, weil sich dort bessere Skaleneffekte erzielen lassen.

Aber auch dieses Argument fällt bei genauerem Hinsehen in sich zusammen. Zum einen ist die zugrundeliegende Annahme, dass Freiflächenanlagen grundsätzlich größer sind als Dachanlagen und dadurch über ein größeres Potenzial zur Leistungssteigerung verfügen, schlichtweg nicht richtig. Die Photovoltaik-Anlagen auf den Dachflächen großer Lagerhallen und Fabriken können es in Sachen Leistung ohne weiteres mit mittelgroßen Solarparks aufnehmen. Zweitens sind vor allem kleinere Solarunternehmen entweder auf Freiflächen- oder auf Dachanlagen spezialisiert. Mal so eben Kapazität von der einen zur anderen Seite zu verlagern, ist in der Regel nicht möglich.

Nicht zuletzt gilt es zu bedenken, dass bei der Renovierung maroder Dächer ganz automatisch alte Solaranlagen ab- und wieder aufgebaut werden müssen. Dazu werden immer entsprechende Fachkräfte benötigt, und zwar unabhängig davon, ob man die Anlagen – wie es momentan leider meist der Fall ist – genauso wieder aufbaut, wie sie waren, oder ob man die Gelegenheit nutzt, um alte Module durch neue, leistungsstärkere zu ersetzen.

Dachanlagen verdienen Gleichberechtigung

Die Aussicht auf eine Anpassung der Regelung für Dachanlagen hätte unmittelbare Konsequenzen für die gesamte Branche. Denn dann könnte man sie bereits so konzipieren, dass die Möglichkeit eines künftigen Repowerings in neuen Anlagen mitgedacht wird. Beim Bau der Infrastruktur für eine 4,5-Megawatt-Anlage könnte man dann zum Beispiel gleich einen Netzanschluss installieren, der auch für 5,5 oder 6 Megawatt Leistung geeignet ist. Einige Jahre später wäre das Repowering dann umso unkomplizierter, schneller und kostengünstiger.

Es wäre deshalb wünschenswert, dass die Bundesregierung ihren Umgang mit Repowering-Maßnahmen zeitnah vereinheitlicht. Dabei könnte die Formulierung der EU-Kommission als Vorlage dienen. Im „Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien“ heißt es nämlich wie folgt: „Das Repowering bestehender Anlagen im Bereich der erneuerbaren Energien kann einen großen Beitrag dazu leisten, die Stromerzeugung aus erneuerbaren Energiequellen rasch zu steigern und so den Gasverbrauch zu senken. (…) Es sollten daher Maßnahmen zur weiteren Straffung der Genehmigungsverfahren für Repowering-Projekte im Bereich der erneuerbaren Energien eingeführt werden.“ Es fällt auf: Hier wird kein Unterschied zwischen den unterschiedlichen Standorten von Photovoltaik-Anlagen gemacht.

Und das zurecht. Denn wenn wir das Energie-Potenzial nutzen wollen, das auf den Dächern deutscher Unternehmen wartet, müssen wir nicht nur möglichst viele ungenutzte Dächer mit Photovoltaik-Anlagen ausstatten. Wir müssen auch dafür sorgen, dass alle Solardächer die größtmögliche Leistung bringen. Oder anders gesagt: Bei der Energiewende können wir uns „Halbe Leistung voraus!“ einfach nicht leisten.

— Der Autor Matthias Lingg sammelte nach seiner Ausbildung im Bereich Automatisierungstechnik in der Industrie mehrere Jahre Erfahrung im Bereich der Hochgeschwindigkeitszüge in China und Großbritannien – unterbrochen wurde dieser Weg durch ein Elektrotechnik-Studium in Berlin. Als Head of Engineering ist er seit Sommer 2018 bei Enviria tätig und verantwortet die Bereiche AC-Planung und Projektleitung, Netzanschlüsse, Anlagenzertifikate und den internen technischen Know-how-Aufbau und -Transfer. —

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