Mehr Erneuerbare gegen hohe Strompreise – aber wie?

Teilen

Angesichts hoher und noch steigender Strompreise wird über Maßnahmen zur Abhilfe diskutiert. Der französische Finanzminister hat sich – nicht ganz uneigennützig – für die Rückkehr zum Prinzip der Durchschnittskosten, das vor der Liberalisierung der Strommärkte galt, ausgesprochen.

Damals wurden alle Kosten der notwendigen Kraftwerke aufsummiert und dann entsprechend ihrer Anteile der Durchschnitt gebildet. Die Effizienz dieses Verfahrens war bekanntermaßen eher gering, es kam zu Überkapazitäten und dies führte zu hohen Erzeugungskosten.

Auf staatlicher Seite gab es nur eine schwache Kostenkontrolle. Heute würde eine Rückkehr zu diesem Prinzip unteranderem der teuren Atomkraft helfen, weil sie den Marktkräften nicht mehr zwingend ausgesetzt würde. Die Verbraucher müssten allerdings die Zeche zahlen.

Nach dem sogenannten Grenzkostenprinzip bestimmt das teuerste, noch benötigte Kraftwerk den Preis für alle Erzeugungsarten. Die sehr teure Stromproduktion mit Gaskraftwerken treibt daher den Preis für Wind – und Solarstrom auf ein Zigfaches in die Höhe.

Bei den Verbrauchern kommt allerdings bisher nur ein geringer Teil dieser hohen Preise an, da die Energieunternehmen einen Großteil der Strommengen langfristig einkaufen. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass bei anhaltend hohen Börsenpreisen diese Lieferungen teurer werden.

Im Strommarkt entsteht nun eine paradoxe Situation, denn Wind- und Solarenergie weisen kaum variable Kosten auf. Wenn sie einmal gebaut sind, verursachen sie anders als fossile und nukleare Kraftwerke kaum noch Kosten, da sie keine Brennstoffe benötigen.

Langfristige Stromlieferverträge mit erneuerbaren Energien werden daher immer attraktiver. Der Investor kann sicher sein, das eingesetzte Kapital zu erwirtschaften, der Abnehmer hat beispielsweise über 20 Jahre einen festen Strompreis. Angesichts des 100-Prozent-Ziels für erneuerbare Energien ist das Risiko für beide gering.

Wenn der Anteil der erneuerbaren Energien weiter steigt, orientiert sich der langfristige Preis immer mehr an ihren Kosten. Ein wachsender Teil der Stromrechnung wird dadurch stabilisiert. Niedrigere Strompreise erhalten die Verbraucher um so schneller, je zügiger der Ausbau der erneuerbaren Energien erfolgt.

Gleichzeitig nimmt der Umfang der notwendigen Flexibilität zu, um das schwankende Angebot der zunehmenden Strommenge aus Wind und Sonne auszugleichen. Dazu braucht es die koordinierende Preisfunktion des Strommarktes, für allem für die kurzfristige Beschaffung.

Der starke Zuwachs bei Elektro-Fahrzeugen wird das Angebot an Speicherkapazitäten erheblich ausweiten. 40 Millionen Elektroautos mit einer Batterie mit einer Mindestreichweite von 500 Kilometern erlauben die Aufnahme von unfassbaren 4 Terawattstunden, das Dreifache des heutigen durchschnittlichen Tagesbedarfs.

Auch Heimspeicher und Speicher im Netz weisen fast nur einmalige Kosten auf. Längerfristige wirksame Flexibilitäten stehen in Gestalt von Wasserstoff betriebenen Kraftwerken, die gleichzeitig Wärme abgeben, zur Verfügung. Hier überwiegen ebenso die fixen Kosten, da sie nur wenige Stunden im Jahr laufen.

Am Ende könnten die verschiedenen Investitionskosten aufaddiert und in Form einer Art Fixkosten-Flatrate in Rechnung gestellt werden. Um Ineffizienzen und hohe Kosten zu vermeiden, muss es einen Wettbewerb um den Markt über Ausschreibung der notwendigen Anlagen geben.

Zunehmend werden die Ausschreibungen der Bundesnetzagentur durch bilaterale Lieferverträge mit erneuerbarem Strom ergänzt. Diese beiden Stränge könnte man mittelfristig durch eine verbindliche Mengensteuerung zusammenfassen und damit Bürokratie abbauen.

Die bisher nur indikativen Regierungsziele würden damit verbindlich, entweder gegenüber den Stromanbietern oder den Abnehmern. Eine staatliche Aufgabe bestünden darin, stets mehr Flächen zur Verfügung zu stellen als für die Erfüllung der Quote erforderlich ist.

Die Erfüllung der Quote läge im öffentlichen Interesse. In den Abwägungen mit anderen Belangen wögen deren Gewicht deutlich höher, in den Verwaltungsgerichtsverfahren mögliche Abwägungsfehler geringer. Die Adressaten der Quote hätten Anspruch auf die Bereitstellung der notwendigen Flächen.

Um zu gewährleisten, dass der Strom auch physisch transportiert werden kann, kommt es auch auf eine optimale regionale Verteilung sowie einen ausgewogenen Mix von Wind- und Solaranlagen an. Daher muss es eine integrierte Netz- und Erneuerbaren-Ausbauplanung durch ein Bundesamt für Energie geben.

Unterstützt wird der Ausbau der Solaranlagen durch eine bundesweite Photovoltaik-Pflicht für Dachanlagen. Lediglich für kleinere Dach- und für Fassadenanlagen sowie innovative Konzepte sind Kostenzuschüsse etwa im Rahmen eines Bundesprogramms effiziente beziehungsweise klimaneutrale Gebäude erforderlich.

Die Vorbereitung einer verbindlichen Quote könnte ein Zukunftsmodell für eine öko-sozial-liberale Koalition sein. Mehr Klimaschutz, weniger kleinteilige Bürokratie, mehr Markt und ein Staat, der die notwendigen Rahmenbedingen durch koordinierende Planung sowie bei der Bereitstellung der Flächen schafft.

— Der Autor Holger Krawinkel ist Energieexperte, Stadt- und Regionalplaner und bisher in Verwaltung, Forschung, Politik und Unternehmen tätig. Er sieht den größten Engpass für Ausbau der erneuerbaren Energien in der unzureichenden Verfügbarkeit der notwendigen Flächen. —

Die Blogbeiträge und Kommentare auf www.pv-magazine.de geben nicht zwangsläufig die Meinung und Haltung der Redaktion und der pv magazine group wieder. Unsere Webseite ist eine offene Plattform für den Austausch der Industrie und Politik. Wenn Sie auch in eigenen Beiträgen Kommentare einreichen wollen, schreiben Sie bitte an redaktion@pv-magazine.com.

Dieser Inhalt ist urheberrechtlich geschützt und darf nicht kopiert werden. Wenn Sie mit uns kooperieren und Inhalte von uns teilweise nutzen wollen, nehmen Sie bitte Kontakt auf: redaktion@pv-magazine.com.