CDU/CSU: Ein Wahlprogramm für die Reichen

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„Kaltes Herz“ überschrieb die Süddeutsche Zeitung einen Leitartikel zum Wahlprogramm der Unionsparteien CDU und CSU.

Die SZ zitiert dabei eine Studie des Leibniz-Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW). Demnach sehen die Steuerpläne der deutschen Parteien zur Bundestagswahl im September so aus: SPD, Linke und Grüne kümmern sich eher um die Mehrheit der Bevölkerung, während sich die FDP und die Unionsparteien eher um die Gutverdiener bemühen.

Die Union will in ihrem Programm Haushalte, die über mehr als 12.000 Euro Monatseinkommen verfügen um die 5.000 Euro jährlich entlasten, aber Haushalte mit geringerem Einkommen sollen nur um einige wenige hundert Euro pro Jahr entlastet werden. Für „C“-Parteien ein erbärmliches Programm.

Und wie sieht es bei den Umweltthemen aus?

Das Zauberwort für christliche Parteien heißt hier „Bewahrung der Schöpfung“. Das steht formal zwar auch so im Programm der beiden christlichen Parteien. Doch zur praktischen Umsetzung ist so gut wie nichts Fortschrittliches zu finden. Am Kohleausstieg für 2038 wird festgehalten, obwohl alle Klimaforscher sagen, dass dies eine Katastrophe ist. Am Paris-Ziel von 1,5 Grad wird ebenfalls formal festgehalten, aber es werden keine konkreten Schritte zu dessen Erreichung aufgezeigt. Kein rascherer Ausbau von Solar- und Windenergie. Eine Vervierfachung des Ausbau-Tempos wäre notwendig, um das Paris-Ziel zu erreichen.

Das Zauberwort der Konservativen könnte heute heißen: Bewahren, was uns bewahrt. Konkret und praktisch hieße das: Die tot geprügelte Windenergie wieder zum Leben erwecken und verstehen, dass Solarenergie Energie von ganz, ganz oben ist, Energie vom Chef selbst. Kostenlose himmlische Energie, weil die Sonne und der Wind keine Rechnung schicken. Und umweltfreundlich und unendlich sind sie dazu. Welch ein konservatives marktwirtschaftliches Zukunftsprogramm! Hinzu kommt, dass Solarstrom inzwischen so preiswert ist, dass dieser Solarstrom Sozialstrom ist.

Was heute konservativ ist, habe ich mit großer Begeisterung und Zustimmung in der katholischen Soziallehre und in der evangelischen Sozialethik gefunden. Konservative orientieren sich an Maß und Mitte und sind nicht für den Brutal-Kapitalismus anfällig (Papst Franziskus: „Diese Wirtschaft tötet“)  oder sind nicht für sozialistische Massenmörder zu begeistern wie Mao Tse-tung oder Ho Chi min. So wie manche Verirrte der 68-er Generation es einst waren.

Doch von alldem ist im Unions-Programm nichts Konkretes zu finden.

Wertkonservativ statt strukturkonservativ?

Welchen Beitrag könnte oder müsste ein moderner Konservativismus heute in der öffentlichen Debatte leisten? Die parteipolitisch Konservativen haben – von Ausnahmen wie früher Herbert Gruhl in der CDU oder heute Josef Göppel in der CSU abgesehen – die Klimakrise sowie den Umwelt- und Artenschutz – verschlafen. Schon Heiner Geißler erkannte: „Wir hätten Herbert Gruhl in der CDU halten müssen.“

Erst durch die Ernsthaftigkeit und Denkklarheit der „Fridays For Future“-Bewegung scheinen auch viele Konservative aufzuwachen. Jetzt gibt es sogar eine Klima-Union von CDU/CSU-Mitgliedern, die ein fortschrittliches Konzept für die solare Energiewende vorgelegt hat. Leider ist aber davon im offiziellen Unions-Wahlprogramm nichts zu finden.

Maß und Mitte sind seit Sokrates, Aristoteles und Platon die Wesensmerkmale des Konservativen. Aber wo bleiben sie, wenn wir unsere Lebensgrundlagen zerstören? Ach wären die „Konservativen“ doch konservativ! Gerade heute! Konservative sagen gerne, dass sie ihre Kinder lieben. Das ist reine Heuchelei, wenn sie gleichzeitig die Zukunft ihrer Kinder verbrennen.

Das Unions-Wahlprogramm liest sich als käme „konservativ“ von Konservendose, aber es kommt vom lateinischen „conservare“ und heißt bewahren. In der heutigen Umwelt-Situation heißt konservativ: bewahren, was uns bewahrt.

Konservative setzen
  • auf Rechtstaatlichkeit, auf Frieden („Du sollst nicht töten“), auf Menschenrechte, Demokratie und Wahrheit („Du sollst nicht lügen“),
  • auf Gerechtigkeit, Umweltschutz und Klimaschutz,
  • kümmern sich um sozial Schwache, um Behinderte und Geflüchtete wie Angela Merkel,
  • setzen auf Arbeitsplätze für alle,
  • gestalten ein Europa des Friedens ohne Waffenexporte in Krisengebiete,
  • reduzieren – wie Helmut Kohl es einmal formulierte – die Militarisierung unserer Gesellschaft (Kohl: „Frieden schaffen mit immer weniger Waffen“) und wollen ein atomwaffenfreies Europa,
  • engagieren sich – wie Angela Merkel leider erst nach Fukushima – für den Ausstieg aus der Atomkraft. Weil sie wissen, dass jedes AKW ein Restrisiko hat und uns damit jeden Tag „den Rest“ geben kann.
  • arbeiten stattdessen an der solaren Energiewende, an einer ökologischen Verkehrs- und Bauwende sowie an einer biologischen Landwirtschaft.
  • brauchen keine Feindbilder, weil sie wissen, dass alle Menschen Brüder und Schwestern sind oder – religiös gesprochen – Kinder Gottes.
  • Sie haben ein Weltbild, dem die Idee der  e i n e n  Menschheit, auf der  e i n e n  Erde  unter e i n e r   Sonne zugrunde liegt.
  • Konservative sind geprägt von einem Menschenbild der Toleranz, der Freiheit und Völkerverständigung, das in den letzten 70 Jahren die „Europäische Union“ hervorbrachte. Noch nie hat innerhalb der EU ein Land gegen ein anderes Krieg geführt. Welch ein Vorbild für die heutige Welt.
  • Konservative wissen, dass die Ökologie die modernere und intelligentere Ökonomie ist, weil sie die Folgekosten mit bedenkt.

Wirkliche Konservative sind Wertkonservative und nicht Strukturkonservative, denen Institutionen und deren Strukturen wichtiger sind als Werte. Diese wesentliche Unterscheidung stammt vom wertkonservativen Christen und Sozialdemokraten Erhard Eppler.

Das Konservative darf freilich nicht zur Polit-Folklore wie dem zwanghaften Aufhängen von Kreuzen in bayerischen Amtstuben verkommen oder zur schieren Brauchtums-Pflege.

— Der Autor Franz Alt ist Journalist, Buchautor und Fernsehmoderator. Er wurde bekannt durch das ARD-Magazin „Report“, das er bis 1992 leitete und moderierte. Bis 2003 leitete er die Zukunftsredaktion „Zeitsprung“ im SWR, seit 1997 das Magazin „Querdenker“ und ab 2000 das Magazin „Grenzenlos“ in 3sat. Die Erstveröffentlichung des Beitrags erfolgte auf www.sonnenseite.com. —

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