Erneuerbare kompensieren Abschaltung von AKW Grafenrheinfeld

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Am Wochenende geht das AKW Grafenrheinfeld endgültig vom Netz. Der fehlende Atomstrom wird aber keine Lücke in die deutsche Stromversorgung reißen, da sind sich der Bundesverband Erneuerbare Energie (BEE), die Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) und Agora Energiewende einig. „Das Plus beim Wind- und Solarstrom im ersten Halbjahr beträgt mehr als das doppelte der Stromproduktion des Kernkraftwerks im gleichen Zeitraum“, wie die aktuelle Auswertung der Stromdaten durch Agora Energiewende zeigt. Die Erneuerbaren-Energien-Anlagen hätten demnach 10,7 Terawattstunden Strom mehr ins Netz eingespeist als noch im ersten Halbjahr 2014. Die Stromproduktion des AKW Grafenrheinfeld habe hingegen nur bei etwa 5,3 Terawattstunden gelegen.

Auch mit Blick auf die weiteren geplanten Abschaltungen deutscher AKWs bis 2022 im Zuge des Atomausstiegs befürchten die Experten keine Lücke. So sei die Produktion von Atomstrom zwischen 2010 und 2014 um 43,5 Terawattstunden im Jahr zurückgegangen, während die Produktion von Strom aus Erneuerbaren Energien um 55,8 Terawattstunden zulegte, heißt es bei Agora Energiewende weiter. „Erneuerbare Energien kompensieren den Wegfall des Stroms aus Kernenergie nicht nur komplett, es gibt sogar einen deutlichen Überschuss. Dieses Wachstumstempo muss beibehalten werden, damit 2022, wenn die letzten großen Kernkraftwerke mehr oder weniger gleichzeitig abgeschaltet werden, weiterhin genügend grüner Strom als Ersatz produziert wird“, sagt Patrick Graichen, Direktor von Agora Energiewende.

Nach Angaben des BEE würden die zehn Milliarden Kilowattstunden, die das AKW Grafenrheinfeld jährlich produziert habe, durch eine installierte Leistung von entweder 10.000 Megawatt Photovoltaik oder 6.250 Megawatt Windenergie an Land, 1.667 Megawatt Bioenergie oder 2.000 Megawatt Wasserkraft ersetzt werden. Der BEE weist auch auf den großen Stromüberschuss hin, den Deutschland jedes Jahr aufweist. Allein mit dem exportierten Stromüberschuss im Jahr 2014, der 35,5 Terawattstunden betragen habe, hätten zehn Millionen Haushalte versorgt werden können. Mit fortschreitendem Umbau des Energiesystems übernehmen die Erneuerbaren zudem immer mehr die Verantwortung, die früher von den Atom- und Kohlekraftwerken übernommen wurden, wie es beim BEE weiter heißt.

Die AEE weist mit Blick auf die regionale Verteilung darauf hin, dass die Bundesländer mit Atomkraftkapazitäten den Ausstieg aber größtenteils nicht allein ausgleichen könnten, sondern sind auf Ökostrom-Importe aus anderen Bundesländern angewiesen seien. So könne etwa Bayern durch den großen Zuwachs an erneuerbarem Strom die Abschaltung des AKW Grafenrheinfeld nun kompensieren. Insgesamt lag dem BEE zufolge der Anteil der Erneuerbaren 2014 bei 35 Prozent an der bayerischen Stromproduktion. Aber es sei auch erst das zweite AKW, das im Freistaat stillgelegt wird. Es sollen auch noch die AKW Isar2 und Grundremmingen folgen. Dann werde Bayern den wegfallenden Atomstrom voraussichtlich nicht mehr nur durch die eigenen Erneuerbaren-Energien-Anlagen kompensieren können, sondern müsse erhebliche Mengen aus anderen Bundesländern importieren, heißt es bei der AEE. Mit der Thüringer Strombrücke und dem weiteren Netzausbau werde die Versorgungssicherheit in Bayern aber zusätzlich gesteigert und somit die Versorgungssicherheit in dem Freistaat gewährleistet bleiben, ergänzt der BEE.

Mit dem Atomausstieg vermindert Deutschland aber auch die versteckten Folgekosten für die Atomkraft. „Mit dem Wechsel von Atom- auf Ökostrom verabschiedet sich Deutschland von einem Energieträger mit sehr hohen Voll- und Folgekosten für Steuerzahler und Gesellschaft, wie nicht erst in der aktuellen Endlager-Debatte deutlich wird“, sagt AEE-Geschäftsführer Philipp Vohrer. Die konventionellen Energieträger Atomenergie, Steinkohle und Braunkohle profitierten seit Jahrzehnten in großem Umfang von staatlichen Förderungen in Form von Finanzhilfen, Steuervergünstigungen und der Wälzung von versteckten Folgekosten auf die Steuerzahler sowie künftige Generationen. Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) hatte errechnet, dass die Gesellschaft im Jahr 2014 für eine Kilowattstunde Windstrom umgerechnet Kosten von 9,2 Cent trug. Die Gesamtkosten für Strom aus Atomkraft beliefen sich demnach auf mindestens 14,3 Cent je Kilowattstunde. Noch deutlicher wird der Unterschied, wenn die Vollkosten neuer Anlagen miteinander verglichen werden. Nach FÖS-Angaben kostet dann eine Kilowattstunde Windstrom aus neuen Anlagen 5,1 bis 8,7 Cent pro Kilowattstunde; bei der Atomenergie liegen die Vollkosten mit 18,5 bis 49,8 Cent pro Kilowattstunde. (Sandra Enkhardt)

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