Was ist eigentlich netzdienlich oder Netzdienlichkeit – der „Passierschein A 38“ für Speicher?

Hans Urban vor Eco Stor

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„Wir befinden uns mitten in einem Transformationsprozess“ – Diese Aussage können wir momentan in vielen politischen Stellungnahmen zu vielen Themen hören. Ganz zutreffend ist dieser Begriff aber zweifellos für unser Energiesystem. Ausgehend von Vereinbarungen auf Landes- und Bundesebene über Europa bis hin zu völkerrechtlichen Verträgen wie dem Pariser Klimaabkommen gibt es verbindlich vereinbarte Klimaziele. Und diese Ziele können nur mit einem konsequenten Umbau des Energiesystems hin zu erneuerbaren Energien erreicht werden. Bei einem Anteil von über 50 Prozent erneuerbarer Energie im Stromnetz ist dafür ein dynamischer Ausbau von Flexibilitäten und insbesondere auch von Batteriespeichern notwendig.

Die Praxis zeigt jedoch, dass viele Netzbetreiber diese Speicher momentan noch sehr kritisch betrachten und deswegen oft die Anschlüsse verweigern. Von einem Ausbau in der erforderlichen Dynamik kann deswegen trotz großer Fortschritte in der Speichertechnologie momentan keine Rede sein. Es muss die Frage gestellt werden: Steckt nun die weitere Energiewende in der Sackgasse?

Natürlich müssen die Erfahrungen und Erfordernisse und auch die Ängste der Netzbetreiber ernstgenommen, diskutiert und gemeinsame Lösungen erarbeitet werden, das ist unbestritten. Weiterhin müssen auch Möglichkeiten gefunden werden, eine Flut von oftmals unrealistischen Anschlussanfragen zu priorisieren.

Momentan könnte man aber an vielen Stellen den Eindruck gewinnen, dass weniger über technische Lösungen, sondern mehr über Begriffe und Formulierungen diskutiert und dadurch vieles blockiert und wertvolle Zeit vergeudet wird.

Im Fokus steht dabei immer wieder ein Begriff: die Netzdienlichkeit.

Bei aller Diskussion ist wissenschaftlicher Konsens: Nur Speicher ermöglichen den weiteren Erneuerbaren-Ausbau und damit die Energiewende. Und bei aller Diskussion über Netzkosten oder Netzdienlichkeit zeigen neutrale Gutachten: Die Netzkosten werden durch den Speicherausbau bereits jetzt nicht erhöht, sondern sogar real gesenkt. Und darüber hinaus kann in Zukunft durch ein intelligentes Anreizsystem ein noch viel höheres Kostensenkungspotential für die Netzkosten erschlossen werden. Jetzt Warten und über Begriffsdefinitionen zu diskutieren wäre also der schlechteste Rat, die Energiewende darf nicht ins Stocken geraten.

Netzdienlichkeit – was ist das?

Über kaum einen Begriff ist in den letzten Monaten so viel diskutiert worden wie über die sogenannte Netzdienlichkeit. Gerade im Zusammenhang mit Batteriespeichern wird dieser Begriff momentan fast inflationär verwendet. Dabei leidet allerdings die Diskussion sehr darunter, dass es eine exakte begriffliche Definition überhaupt nicht gibt. Und das führt wiederum leider dazu, dass jeder diesen Begriff mehr oder weniger so verwendet, wie es den eigenen Interessen am besten entspricht. Darüber hinaus werden von bestimmten Netzbetreibern neue Begriffe wie „netzneutral“ oder „netzwirksam“ geschaffen und teilweise auch gleich mit einer ganz eigenen Definition versehen.

Netzdienlichkeit als Genehmigungsvoraussetzung für Speicherprojekte

Die Diskussion von Begriffen wäre nun an sich nicht tragisch, würden nicht diese Begriffe dann sozusagen als notwendige Zugangsvoraussetzung, insbesondere bei Genehmigungsverfahren, verwendet. Und weil eine verbindliche und allgemeingültige Definition fehlt, entscheiden Behörden im Zweifelsfalle vorsichtshalber zunächst negativ. Projekte können deswegen oft nicht weiterentwickelt werden. In der Folge werden die Speicherprojektierer oder Investoren dann wie der sprichwörtliche „Buchbinder Wanninger“  in eine Endlosschleife geschickt, in der die Genehmigungsbehörde einen Nachweis  der Netzdienlichkeit verlangt. Der Netzbetreiber wiederum teilt mit, dass er die Anfrage ohne einen positiven Bescheid der Genehmigungsbehörde gar nicht bearbeitet. Wer den vom legendären Karl Valentin geschaffenen „Buchbinder Wanninger“ nicht mehr kennt, für den sei auf den „Passierschein A38“ aus der einschlägigen Asterix-Literatur verwiesen – auch der drängt sich hier als Vergleich förmlich auf.

Diese Beispiele klingen im ersten Moment vielleicht recht amüsant, aber die tatsächliche Tragweite dieser Unklarheit darf nicht verharmlost werden: Die fehlenden Definitionen und Anwendungsregeln können dazu führen, dass die dringend notwendige Speicherwende komplett blockiert wird, dass Willkür an die Stelle von Rechtssicherheit tritt und damit der Erneuerbare-Energien-Ausbau mehr oder weniger zum Erliegen kommen würde.

Jegliche Klimaziele würden damit in weite Ferne rücken!

Einzelprojekte können dynamischen Speicherausbau nicht ersetzen

Immer wieder gibt es Meldungen von Einzelprojekten mit bestimmten Begrifflichkeiten wie etwa „Einspeisesteckdose“  oder bestimmte „netzdienliche“ Speicher nach der Definition eines einzelnen Netzbetreibers. Hier werden Speicher an ganz bestimmten Stellen errichtet und dann nach einer genau vorgegeben Definition des jeweiligen Netzbetreibers betrieben. Weil diese Betriebsweisen aber oft per se nicht wirtschaftlich sind, muss der Betrieb vom Netzbetreiber gegebenenfalls incentiviert werden. Die Vergabe solcher Projekte erfolgt oft nach vorherigen Ausschreibungsverfahren des Netzbetreibers.

Diese Klasse von Projekten ist ganz ohne Zweifel sinnvoll und kann zur Energiewende beitragen. Wegen der eingeschränkten Wirtschaftlichkeit dieser Speicher müssen aber die Kosten oft wieder auf die Netzkunden umgelegt werden.

Eine Skalierung auf den erforderlichen dynamischen Speicherausbau ist deswegen bei solchen Projekten nicht zu erwarten.

Wieso sollte man denn eigentlich „dem Netz dienen“?

Ein Stromnetz ist ein Teil der Infrastruktur und wurde dafür geschaffen, Energie vom Erzeuger zum Verbraucher zu bringen. Man könne es mit dem Schienennetz, dem Straßennetz oder mit dem Telefonnetz vergleichen. Nun käme aber wohl niemand auf die Idee, zu fordern, dass ein Auto „straßendienlich“, ein Zug „schienendienlich“ oder ein Telefon „Telefonnetz-dienlich“ sein müsste?

Vielmehr brauchen alle das Netz als notwendige Infrastruktur. Sei es eine Kommune, eine Stadt, ein Industriebetrieb oder ein Rechenzentrum. Aber auch beispielsweise ein Kraftwerk – oder eben auch ein Batteriespeicher.

Also sind Stromnetze eine notwendige infrastrukturelle Voraussetzung, die für eine generelle Weiterentwicklung geschaffen und erhalten werden müssen.

Grundsätzliches  Ziel ist natürlich, dass auch die Kosten dieser Infrastruktur verursachungsgerecht umgelegt werden sollen. Von dieser verursachungsgerechten Umlage gibt es aber in der Regel bei allen Netzen auch große Ausnahmen unter dem Oberbegriff des gesellschaftlichen Gleichbehandlung beispielsweise von Land und Stadt. Ansonsten wäre es gar nicht möglich, dünn besiedelte Gebiete mit Straßen, Wasser, Strom oder Internet bezahlbar zu versorgen.

An diesen Vergleichen ist eigentlich erkennbar, dass der Begriff Netzdienlichkeit eigentlich für eine Infrastruktur wie das Stromnetz überhaupt nicht geeignet ist. So wird ein neues Rechenzentrum niemals dem Stromnetz „dienen“, sondern es ist genau umgekehrt: Das Stromnetz wird dazu gebaut, um erforderliche Einrichtungen wie etwa ein Rechenzentrum ausreichend zu versorgen. Hier müsste also die Frage eigentlich lauten: Wollen oder brauchen wir das Rechenzentrum? Dient es der wirtschaftlichen und technologischen Entwicklung, der Resilienz oder dem Arbeitsmarkt? Die Frage müsste also lauten: Welche Einrichtungen beurteilen wir als systemdienlich? Und für diese Einrichtungen muss in der Folge das Stromnetz als Voraussetzung geschaffen werden.

Diese Systemdienlichkeit müsste also das eigentliche Maß der Dinge sein. Und wenn wir zum Beispiel einen Batteriespeicher als systemdienlich ansehen, dann sollten wir dafür sorgen, dass er von der Infrastruktur des Stromnetzes auch ausreichend angebunden wird.

Die eigentliche Frage müsste also lauten: Sind Batteriespeicher systemdienlich?

Und die Antwort darauf ist ohne Zweifel: Batteriespeicher sind für unser zukünftiges Stromsystem nicht nur systemdienlich, sondern sogar alternativlos. Denn ohne Speicher wird es trotz anderer sinnvoller Flexibilisierungsmaßnahmen niemals möglich sein, das fluktuierende Angebot der Erneuerbaren mit dem Lastgang zeitlich in Einklang zu bringen.

Dabei stellt sich zunächst auch nicht die Frage, ob so ein Batteriespeicher auch alle Stunden einer Dunkelflaute versorgen kann. Dafür werden wir zusätzliche Elemente brauchen. Trotzdem gilt: Ohne dynamischen Batteriespeicherausbau wird ein CO2-neutrales Stromsystem basierend auf erneuerbaren Energien ganz einfach nicht möglich sein. Oder anders gesagt: Wer den dynamischen Batteriespeicherausbau infrage stellt, der stellt gleichzeitig die Energiewende und damit den weiteren Pfad zur Klimaneutralität infrage.

Abwägung zwischen Systemdienlichkeit und Netzkosten

Nun muss man ehrlicherweise auch feststellen, dass sich natürlich Strommarkt und Stromnetz auch nicht ganz unabhängig voneinander betrachten lassen, denn beides muss funktionieren, um die Kunden oder Anschlussnehmer (also auch Kraftwerke oder Batteriespeicher) bedienen zu können. Und wie bei jeder wirtschaftlichen Abwägung kann die Bewertung eines sinnvollen Systems letztendlich nur nach den Gesamtkosten, also Energiekosten plus Netzkosten, erfolgen. Aus diesem Grund kann es auch nicht sinnvoll sein, das Netz beliebig auszubauen und an jedem Ort jede Anschlussleistung zur Verfügung zu stellen.

Deswegen müssen Speicher, auch wenn sie systemdienlich agieren, natürlich trotzdem an jedem Ort immer möglichst wenig netzbelastend betrieben werden, um den volkswirtschaftlichen Investitionsbedarf des Gesamtsystems zu minimieren.

Denn zweifellos gilt: Systemdienlichkeit kann in gewissen Fällen durchaus kontraproduktiv sein und die Netzbelastung an gewissen Stellen sogar erhöhen.

Können Batteriespeicher Netze auch überlasten?

Die Antwort auf diese provokante Frage ist ohne Zweifel: Ja, Batteriespeicher können Netzüberlastsituationen noch zusätzlich verstärken! Denn sie sind ein sehr universelles Werkzeug der Energiewende, das zum Nutzen, aber durchaus auch zum Schaden angewendet werden kann.

Meist wird als Beispiel dafür das „Worst Case“-Szenario genannt, bei dem im Norden ein großes Windangebot und im Süden gleichzeitig eine hohe Stromnachfrage herrscht. In diesem Fall sind die Übertragungsnetze oft schon überlastet und können die Nachfrage im Süden gar nicht mehr bedienen. Um weitere Netzüberlastungen zu vermeiden, müssen dann Windenergieanlagen im Norden abgeregelt und gleichzeitig konventionelle Kraftwerke im Süden hochgefahren werden, ein typischer Fall für den Redispatch.

Batteriespeicher können solche Engpass-Situationen durchaus noch verstärken, denn sie orientieren sich am bundesweit einheitlichen Börsenstrompreis: Der ist in diesem Beispiel wegen der hohen Erzeugung sehr niedrig und würde damit beispielsweise einen Batteriespeicher im Süden anreizen, auch noch Energie zu beziehen, und dadurch den Netzengpass noch zu verstärken.

Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass der Netzbetreiber das Verhalten des Batteriespeichers bei einem echten Engpass natürlich jederzeit – ebenfalls durch einen Redispatch – beeinflussen kann.

Der Batteriespeicher: Ein Spiegel des derzeitigen Systemdesigns

Batteriespeicher sind (zumindest beim Laden) definitionsgemäß flexible Lasten und reagieren deswegen zunächst genauso wie andere preisgesteuerte flexible Lasten.

Bezogen auf das oben geschilderte Worst Case-Szenario heißt das zum Beispiel:

  • Flexible Lasten (wie V2G-Elektroautos) im Süden fangen an zu laden
  • Kunden mit flexiblen Stromtarifen ziehen möglichst viel Last
  • Kunden mit flexiblen Stromtarifen laden sogar noch interne Speicher
  • Flexible Industrieverbraucher beziehen möglichst viel Strom
  • Industrie-Speicher in Kundennetzen fangen an zu laden
  • Pumpspeicher in südlichen Nachbarländern fangen an, Strom zu beziehen
  • Kraftwerke im Süden gehen preisgesteuert sogar zunächst vom Netz

Der Batteriespeicher macht also in diesem Szenario ganz einfach genau dasselbe wie auch alle anderen flexiblen Verbraucher: Alle reagieren auf den bundeseinheitlichen Börsenstrompreis und damit auf das aktuelle Systemdesign.

Der Batteriespeicher könnte ohne weiteres so gefahren werden, dass er den Netzengpass nicht verstärkt. Im Gegensatz zu den anderen Verbrauchern könnte er diese Mangelsituation sogar durch zusätzliche Einspeisung entschärfen. Dafür müsste er aber die richtigen Anreize bekommen.

Nicht die Speicher sind das eigentliche Problem, sondern Lücken im Strommarktdesign

Der einzige Grund, warum Batteriespeicher in manchen Fällen zur Netzüberlastung beitragen können, ist das derzeitige Strommarktdesign: Denn ein Batteriespeicher kann – genau wie alle anderen flexiblen Verbraucher – nur auf das momentan einzige zur Verfügung stehende Signal reagieren: den Börsenstrompreis!

Die Netzüberlastungen und Ungleichgewichte im beschriebenen Szenario entstehen ja nur dadurch, dass das sonst geltende Prinzip von „Angebot und Nachfrage“ derzeit in Deutschland sozusagen durch Planwirtschaft ersetzt wird. Denn die einheitliche deutsche Strompreiszone bildet die reale Marktsituation nicht ab, ignoriert die Transportkosten und führt damit zu Fehlreaktionen aller Marktteilnehmer und in der Summe zur Netzüberlastung.

Diese einheitliche Strompreiszone ist aber momentan trotz zahlreicher Gegenbeispiele anderer Länder eindeutig politisch gewollt, deswegen macht eine weitergehende Diskussion hier wenig Sinn. Trotzdem muss klar sein: Netzbelastende Fehlreaktionen von Speichern sind einzig und allein die Folge des derzeitigen Marktdesigns.

Denn: Ein Batteriespeicher ist ein universelles Werkzeug. Er kann immer dann das Richtige tun, wenn er dafür die richtigen Signale erhält.

Abhilfemaßnahmen – flexible Netzentgeltsteuerung

Die eigentlich sinnvolle Gegenmaßnahme zur Behebung der beschriebenen Fehlreaktionen wäre eine Trennung in verschiedene Strompreiszonen, die wiederum auch die Transportkosten abbilden würde.

Wird dies aber politisch weiterhin abgelehnt, sind alternative Abhilfemaßnahmen notwendig:

  • Die langfristig zukunftsfähige Maßnahme wird sicherlich eine flexible Netzentgeltsteuerung sein. Zusätzlich zum Börsenstrompreis fällt für Transaktionen ein Preis an, der die jeweilige Netzbelastung repräsentiert. Sind die Netze „frei“, kann Energie günstig übertragen werden, bei beginnender Überlastung kommt ein Preissignal hinzu und wahrt das Gleichgewicht.
  • Um die Netze physikalisch sicher zu machen, müssen trotzdem die Tradings eines Speichers bereits vorab beim Netzbetreiber in die Redispatchplanung eingetaktet werden. Zulässige Abweichungen von dieser Vorab-Planung verkleinern sich, je näher der vorgesehene Handelszeitpunkt rückt.
  • Zusätzlich zu all diesen Maßnahmen bleibt immer noch die Möglichkeit, den Speicher durch den Netzbetreiber komplett abzuregeln (Speicher-Redispatch).

Schnelle Rampen – Vorteil oder Nachteil eines Batteriespeichers?

Neben der Angst vor Netzüberlastungen gibt es noch einen weiteren Vorbehalt gegen die Batteriespeicher: Die Angst vor zu steilen Rampen, die das Netzgleichgewicht gefährden können. Auch diese Vorbehalte sind natürlich technisch vollkommen verständlich und nachvollziehbar.

Trotzdem gilt: Eigentlich ist die Fähigkeit, kurzfristig reagieren zu können, ein großer Vorteil der Speicher. Sie muss nur geeignet und kontrolliert eingesetzt werden! Es gibt bereits mehrere Beispiele aus den letzten Jahren, bei denen am Primärregelleistungsmarkt beteiligte Batteriespeicher bei extremen Frequenzschwankungen das europäische Verbundnetz stützen konnten. Dabei geht der Trend auch dazu, noch schnellere Leistungsreserven der Speicher zu nutzen bis hin zur Realisierung von „synthetischer Trägheit“. Bei all diesen sinnvollen Dienstleistungen entstehen aber im Netz steile Rampen, die auch übertragen werden müssen.

Gerade bei Batteriespeichern, die im Arbitragemarkt eingesetzt werden, besteht meist ein Vorbehalt gegen schnelle Rampen. Aber wo kommen diese Rampen her? Auch hier kann man wieder auf das Systemdesign verweisen, denn die Rampen sind einzig und allein Reaktionen auf den diskontinuierlichen Stromhandel in Viertelstunden–Einheiten (früher eine Stunde), bei denen der Strompreis am Übergang zwischen zwei Handels-Zeiträumen meistens springt. Auch hier ist also die Rampe eigentlich keine Eigenschaft des Batteriespeichers, sondern nur die Reaktion auf das momentane Strommarktdesign.

Der Weg zu einem geeigneten Systemdesign: Verursachungsgerechte Kostenverteilung

Die Energiewende muss weitergehen, deswegen ist die Einbindung von Speichern in das Gesamtsystem eine schlichte Notwendigkeit. Damit die erforderliche Dynamik überhaupt erreicht werden kann, ist dazu privates Kapital notwendig. Es müssen also rentable Speicher gebaut werden, die marktlich betrieben und refinanziert werden. Geförderte Einzelprojekte oder ausgeschriebene Projekte können den Zubau vielleicht ergänzen, aber niemals ersetzen.

Die Einbindung der Speicher in die Netze ist also eine notwendige infrastrukturelle Maßnahme, die nicht infrage gestellt werden kann. Gleichzeitig muss sich der Betrieb der Speicher aber auch an der Netzbelastung orientieren, um den Investitionsaufwand in die Infrastruktur zu begrenzen.

Die Integration kann langfristig gelingen, wenn ein Kostengleichgewicht hergestellt wird. Voraussetzung ist nicht eine beliebig subjektiv definierte Netzdienlichkeit, sondern eine  quantitative Kostenbetrachtung.

Ein Batteriespeicher ist dabei niemals alleine netzdienlich oder netzschädlich, sondern ein Speicher verursacht auf der einen Seite Kosten im Netz und auf der anderen Seite Einsparungen. Diese Posten müssen gegeneinander abgewogen und berücksichtigt werden.

  • Beim Laden und Entladen kann ein Speicher grundsätzlich das Netz belasten. Diese zusätzliche Belastung durch den Speicher richtet sich nach dem betrachteten Zeitpunkt, dem betrachteten Ort und dem momentanen Lastfluss im Netz – inklusive der Lastflussrichtung. Immer dann, wenn der Speicher den bereits bestehenden Lastfluss vergrößert und dabei die Auslastungsgrenzen des Netzes erreicht werden, entstehen Kosten für einen notwendigen zusätzlichen Netzausbau.
  • Der Speicher kann durch das Laden oder Entladen aber auch den Lastfluss reduzieren und dadurch das Netz entlasten. In manchen Fällen wird durch diese Entlastung ein Redispatch verhindert, der sonst, ohne den Einfluss des Speichers, notwendig gewesen wäre. Diese Redispatchkosten sind zwar keine Kosten für den Netzausbau, sie werden aber zu den Netzkosten hinzugerechnet und müssen über Netzentgelte vergütet werden. Deshalb werden in diesen Fällen die Netzkosten durch den Speicherbetrieb verringert.

Diese Mehrkosten und Minderkosten können berechnet und gegeneinander abgewogen werden. Der Speicherbetreiber und -EPC Eco Stor hat dafür 2025 ein Gutachten in Auftrag gegeben, das unter anderem dieses Kostengleichgewicht im Detail betrachtet.

Die Ergebnisse sind kurz zusammengefasst:

  • Im realen Betrieb überwiegt bereits jetzt die Kostenentlastung für die Netze durch den Speicherbetrieb. Vereinfacht gesagt: Großbatteriespeicher verursachen in der Summe keine zusätzlichen Kosten für die Netzbetreiber und die Netzkunden!
  • Durch intelligente Kostensignale für die jeweilige Netzauslastung können weitere Netzkosten in erheblichem Umfang eingespart werden.
  • Die größte Kostensenkung und damit der größte volkswirtschaftliche „Wohlfahrtseffekt“ entsteht dann, wenn die Speicher zukünftig nicht mit fixen Netzkosten belegt werden, sondern wenn beim Betrieb des Speichers dynamische Kostensignale einfließen, die die jeweilige Netzauslastung verursachungsgerecht abbilden.

Weiterentwicklung der Netzentgelte im AgNES-Prozess

Die Weiterentwicklung der Netzentgelte wurde und wird derzeit durch die Bundesnetzagentur im AgNES-Prozess betrachtet. Ziel ist dabei, auch die Speicher langfristig verursachungsgerecht in die Netzentgeltsystematik einzubinden. Das oben zitierte Gutachten liefert für diesen Prozess wertvolle Inputs.

  • Definitionsgemäß gibt es keine netzdienlichen, netzneutralen, netzbelastenden Speicher. Die Netzbelastung durch Speicher ist vielmehr ein dynamischer Effekt, der je nach Ort, Zeit, momentaner Netzbelastung und Lastflussrichtung quantitativ betrachtet werden muss.
  • Speicher sparen auch im regulären Betrieb als „Marktwertspeicher“ Redispatchkosten in den Netzen und reduzieren damit die Summe der Netzkosten.
  • Die Kosten der Netzbelastung und der Netzentlastung durch die Speicher können verursachungsgerecht kalkulatorisch gegeneinander abgewogen und zukünftig in einem Kostensignal abgebildet werden. Hier entsteht damit die beste Grundlage für die Berücksichtigung der Speicher im Zuge des AgNES-Prozesses.
  • Momentan überwiegt laut dem zitierten Gutachten die Kostenentlastung. Es ist also derzeit kein Problem, den dynamischen Speicherausbau fortzusetzen, solange die Systematik der Netzentgeltverteilung noch nicht verbindlich feststeht.

Temporäre Netzentgeltbefreiung für Erneuerbare und Speicher – ist das fair?

Bei der Diskussion um eine faire und verursachungsgerechte Aufteilung der Netzentgelte wird momentan erwogen, auch die Einspeisung aus erneuerbaren Energien mit Netzentgelten zu beaufschlagen.  Batteriespeicher sind noch bis 2029 von Netzentgelten befreit, beziehungsweise die Netzentgelte werden auch für zwischengespeicherten Strom auf dem Weg zum Verbraucher bisher nur einmal erhoben. Spätestens bis zum Ablauf dieser Frist muss das Design generell überarbeitet werden. Hier ist eine moderate Belastung der Batteriespeicher mit Netzentgelten sicher möglich.

Der Hauptfaktor ist aber, dass diese Netzentgelte so dynamisch gestaltet werden, dass in allen Fällen ein Anreiz zum systemdienlichen Verhalten und zur Minimierung der Netzbelastung besteht.

In der Übergangszeit bis zu einem neuen Netzentgeltdesign mag es gewissen Kundengruppen gegenüber ungerecht erscheinen, dass  Speicher oder Erneuerbaren-Anlagen bei der Aufteilung der Netzkosten bisher nur wenig beitragen. Was dabei aber stets berücksichtigt werden sollte, sind die CO2-Einsparungen dieser Technologien.

Eine wirklich faire Kostenaufteilung kann in Zukunft nur unter Berücksichtigung der realen Folgekosten für den CO2-Abdruck der jeweiligen Technologien erfolgen.

Da wir von einer wirklich verursachungsgerechten CO2-Bepreisung derzeit noch weit entfernt sind, ist eine temporäre Befreiung von Netzentgelten sicher nach wie vor auch volkswirtschaftlich richtig.

Fazit: Dynamischer Speicherausbau darf nicht stocken!

Während das ganze Land von Bürokratieabbau spricht, darf die Speicherwende und damit die Energiewende nicht an der Begriffsdiskussion für Netzdienlichkeit oder ähnlichen Formalien scheitern.

Es kann nicht akzeptiert werden, dass der Speicherausbau an Baugenehmigungen scheitert, die sich auf das Fehlen einer Netzdienlichkeit beziehen, für die es aber keinerlei allgemein gültige Definition gibt. Denn wo es keine Definition gibt, da ist der Willkür Tür und Tor geöffnet.

Diskutieren, Abwarten und Blockieren wäre momentan der schlechteste Rat!

Schon mehrmals wurde die Energiewende komplett abgewürgt und musste dann mit großem Mehraufwand wieder in Schwung gebracht werden. Die jeweiligen Arbeitsplätze waren aber nach diesen Phasen leider meist verloren.

Statt müßigen Begriffsdiskussionen über Netzdienlichkeit brauchen wir jetzt einen schnellen Einstieg in die Speicherwende. Die Zeit bis zu einem neuen und umfassenden Netzentgelt-Design muss mit pragmatischen Lösungen, mit Anschlussüberbauungen und mit individuellen flexiblen Netzanschlussverträgen überbrückt werden.

Machen statt Blockieren, das muss jetzt die Devise sein!

— Der Autor Hans Urban ist seit vielen Jahren im Bereich erneuerbare Energien tätig und berät Unternehmen. Unter anderem ist er freiberuflich für den Großspeicher-Hersteller Eco Stor GmbH tätig.  Seit mehreren Jahren ist er auch Jurymitglied für die pv magazine highlights. —

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