Eine Illusion weniger

rauchende Schlote, Industrie, Abgase, Pixabay

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Es ist einige Zeit seit der Weltklimakonferenz COP28 in Dubai vergangen – da stellt sich ein Gefühl von Entspannung und Aufatmen ein.

Nein, nicht dass sich die Ergebnisse der Konferenz mit etwas zeitlichem Abstand als besser herausstellen würden, als sie zunächst schienen, ist der Grund. Im Gegenteil. Es wird immer klarer, dass in Dubai die fossile Energieindustrie ihr Ding vollständig so gemacht hat, wie es dem Umstand entspricht, dass die Leitung einem Ölmagnaten oblag.

Die von Vielen als Abschwächung des Begriffs „Ausstieg“ interpretierte „Abkehr“ von den fossilen Energien enthält vielleicht noch eine weitere Bedeutung: Im Vorfeld der COP28 verbreitete Konferenzleiter Al Jaber die Auffassung, dass zwischen den fossilen Energien und ihren Emissionen unterschieden werden müsse, da nur letztere schlecht wären, während die fossilen Energien an sich gut seien. Könnte mit der Abkehr der Aufmerksamkeit von den fossilen Energien daher die gleichzeitige Hinwendung zu deren Emissionen avisiert sein, also deren behauptete Unschädlichmachung durch Verpressung in den Untergrund? Im Abschlussdokument (Seite 5) folgen auf die „Abkehr“ jedenfalls unmittelbar die „Null- und emissionsarmen Technologien“, deren Ausbau ebenso beschleunigt werden soll wie die Abkehr von den fossilen Energien. CCS, Atomkraft und erneuerbare Energie werden hierbei als einträchtige Gemeinschaft hingestellt, deren Glieder alle gleichermaßen dem Klimaschutz dienen würden. Eine Betrachtung und Bewertung der Unterschiede unterbleibt.

In den 21 Seiten des Schlussdokuments dürfte „indigene Völker“ einer der am meisten wiederholten Begriffe sein. Ihnen sei stets besondere Rücksicht und Unterstützung zu erweisen. Diesen Worten steht die Tat gegenüber, dass das Schlussdokument zu einem Zeitpunkt abgestimmt wurde, als die von der Klimaerhitzung am meisten betroffenen Inselstaaten im Plenum nicht anwesend waren.

Im Übrigen hat die Konferenzleitung – um das von ihr gewünschte Abschlussdokument zu erhalten – einen alten auf Basaren, aber auch in allen möglichen sonstigen Verhandlungen üblichen Trick angewendet: Zuerst wird ein weit überhöhter Preis genannt. Der Käufer betrachtet es als Erfolg, wenn er diesen auf die Hälfte herunterhandelt und ist sich nicht bewusst, dass er immer noch weit mehr bezahlt, als die Ware wert ist. Mit dem ersten, empört zurückgewiesenen Entwurf hat Al Jaber erreicht, dass eine Version als wesentliche Verbesserung wirkte, die andernfalls kaum ohne Überarbeitungen durchgegangen wäre.

Welcher Art der Stein war, der der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock vom Herzen fiel, als CCS als Freibrief für fortgesetzte Verbrennung fossiler Energieträger und Atomenergie als Klimaschutzmaßnahme inauguriert waren, bleibt die Frage im Raum.

Nur ein Feigenblatt

Feigenblatt zur Verdeckung der klimapolitischen Blöße Deutschlands soll der Fonds zum Ausgleich klimawandelbedingter Verluste und Schäden sein, den Bundeskanzler Olaf Scholz gründete und mit 100 Millionen US-Dollar aus Deutschland beschickte – ohne einen Anflug von Scham angesichts der 15 Milliarden Euro, die allein für den Ausgleich der klimawandelbedingten Flutkatastrophe im Ahrtal bereitgestellt werden mussten.

COP28 steht da als ein Unterfangen, das seine Aufgabe nicht erfüllt hat – und zwar in einer solchen Weise nicht erfüllt hat, dass man auch von künftigen Konferenzen keinen Klimaschutz, der den Namen verdient, erwarten kann. Offensichtlich sind die Strukturen und Kräfte, die hinter den Klimakonferenzen stehen, hierzu nicht in der Lage. Für effektiven Klimaschutz müssen also andere Wege eingeschlagen werden. Dass dies nun klarer denn je geworden ist, bewirkt besagtes Aufatmen.

Konkrete Auswirkungen zeichnen sich bereits ab: Indem die die Konferenz dominierende Gas- und Öl-Lobby CCS als Rechtfertigung für die Weiterführung ihres Geschäftsmodells einsetzte, machte sie deutlicher als jede wissenschaftliche Studie, dass die CO2-Verpressung nichts mit Klimaschutz zu tun hat. Dies wurde in den Berichten und Kommentaren zur COP28 durchweg erkannt und benannt. Es macht einen erheblichen Unterschied zur Meinungslage vor einigen Monaten, als die Bundesregierung die Carbon-Management-Strategie mit dem Auftrag der CCS-Vorbereitung startete. Wünschenswert wäre, wenn auch in diesem Kontext von der „Erfahrung COP28“ gelernt würde!

Hans-Josef Fell hat bereits Anfang Dezember angedeutet, welcher Art, die aus Dubai zu ziehenden Konsequenzen sein sollten: Solange also auf der COP 28 weiterhin bis 2050 und darüber hinaus an der Nutzung fossiler Energien festgehalten wird … wird der Weg der Menschheit in die ‚Klimahölle‘ …  durch die COP 28 weiter massiv beschleunigt. Es sei denn, Milliarden Menschen und Unternehmen ergreifen selbstständig Maßnahmen und stellen schnell ihre eigene Energieversorgung auf 100 Prozent erneuerbare Energien um. In diesem Fall würde das fossile Wirtschaftssystem mit seinen exorbitanten Billionengewinnen zusammenbrechen und der Klimaschutz könnte trotz der Misserfolge der bisherigen Weltklimakonferenzen voranschreiten.“

David Goeßmann zeigt auf, welche Geldquellen für „Klimaschutz auf neuen Wegen“ zur Verfügung stehen: „Während Staaten bei der Energiewende versagen, lenken Kampagnen fossile Investitionen um. …  Über 1.600 Institutionen mit 41 Billionen Dollar ziehen Geld aus Kohle, Gas, Öl“.

COP28 hat sich als Illusion erwiesen. Je mehr Illusionen als solche erkannt werden, umso näher kommt man der Wahrheit.

— Der Autor Christfried Lenz politisiert durch die 68er Studentenbewegung, Promotion in Musikwissenschaft, ehemals Organist, Rundfunkautor, Kraftfahrer und Personalratsvorsitzender am Stadtreinigungsamt Mannheim, Buchautor. Erfolgreich gegen CCS mit der BI „Kein CO2-Endlager Altmark“, nach Zielerreichung in „Saubere Umwelt & Energie Altmark“ umbenannt und für Sanierung der Erdgas-Hinterlassenschaften, gegen neue Bohrungen und für die Energiewende aktiv (https://bi-altmark.sunject.com/). Mitglied des Gründungsvorstands der BürgerEnergieAltmark eG (http://www.buerger-energie-altmark.de/). Bis September 2022 stellvertretender Sprecher des „Rates für Bürgerenergie“ und Mitglied des Aufsichtsrates im Bündnis Bürgerenergie (BBEn). Seit 2013 100-prozentige Strom-Selbstversorgung durch Photovoltaik-Inselanlage mit 3 Kilowattpeak und Kleinwindrad. —

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