Laut offiziellen Angaben haben weltweit 1,6 Milliarden Menschen immer noch keinen Zugang zu elektrischer Energie. Sind diese Angaben überhaupt einigermaßen verlässlich?
Nein, ich gehe davon aus, dass weltweit mindestens zwei Milliarden Menschen ohne Zugang zu Strom leben müssen, mit allen bekannten negativen Folgen wie einem schlechteren Gesundheitszustand oder schlechterer Bildung. Viele Regierungen geben zu hohe Werte bei dem Elektrifizierungsgrad ihrer Länder an und rechnen damit die Situation schöner, als sie ist, um politisch das Gesicht zu wahren. So wurde beispielsweise in Mosambik, einem Land, das ich sehr gut kenne, vor drei Jahren die Elektrifizierungsrate mit 15 Prozent angegeben, in diesem Jahr mit 25 Prozent. Mir fällt es schwer, zu glauben, dass dies stimmt. Zudem werden bei den offiziellen Zahlenangaben beispielsweise im Photovoltaikbereich alle Systeme mitgezählt, die in den vergangenen Jahren verkauft oder installiert wurden, egal ob diese noch in Betrieb sind und funktionieren oder nicht. So sind beispielsweise in Indonesien von den 300.000 PV-Anlagen, die innerhalb der vergangenen 20 Jahre zumeist von der Regierung verschenkt wurden, nach meiner Einschätzung weniger als fünf Prozent in Betrieb.
Als einer der Hauptgründe dafür, dass bisher nicht mehr Menschen in weniger entwickelten Ländern Photovoltaik nutzen, werden oft die vergleichsweise noch zu hohen Preise von Offgrid-Systemen genannt. Stimmt das?
Nein, in sehe in der Finanzierung der Anlagen für die Endkunden kein Problem, Sie können jede Familie in Ländern wie Äthiopien oder Mosambik mit Solar ausstatten. Ich kenne nur ganz wenige Fälle, wo der heutige Preis eines Photovoltaiksystems das Haupthemmnis für die Nutzung ist. Schon für 15 bis 100 Euro können heute kleine Solarsysteme zum Betrieb von Lampen, Radios oder Handys realisiert werden, die sind innerhalb weniger Monate abgeschrieben. Und auch Familien aus der untersten Schicht ohne Zugang zu Strom geben heute meist pro Monat drei bis zehn Euro für Licht (Kerosin, Kerzen) und den Betrieb von Kommunikationsmitteln aus, dies gilt auch für Länder wie Mosambik oder Äthiopien.
Wo liegt dann aus Ihrer Sicht das Haupthemmnis für den Kauf von Photovoltaik?
Hier gibt es eine Reihe von Gründen, doch lassen Sie mich die wichtigsten nennen. Ein zentrales Problem ist, dass Photovoltaik in Ländern mit einer nur schwach ausgebauten Infrastruktur wie Äthiopien oder Mosambik nicht flächendeckend zur Verfügung steht. Die wenigen Händler sitzen meist in den Hauptstädten. Auf dem flachen Land, das meist nur schwer zu erreichen ist, gibt es nur wenige Verkaufs- und Servicestellen. Und deshalb kennen viele potenzielle Kunden das Produkt Photovoltaik noch gar nicht. Doch es gibt auch positive Beispiele, an erster Stelle Bangladesch. Dort ist es in den vergangenen Jahren gelungen, ein flächendeckendes Netz von über 2.000 Händlern und Servicestellen aufzubauen, wo die Leute auf dem flachen Land die Systeme kaufen und warten lassen können. Und dies auf privatwirtschaftlicher Basis ohne Subventionen.
Aber sind denn Subventionen nicht sinnvoll und wichtig, um den Offgrid-Markt in Schwung zu bringen?
Nein, denn gerade Subventionen sind hochschädlich und hemmen die Entwicklung der Märkte. So ist beispielsweise ein existierender Offgrid-Markt in Marokko nahezu zusammengebrochen, nachdem vor einigen Jahren die Weltbank sowie die KfW große, subventionierte Programme eingeführt haben. Private kleinere Unternehmen wurden so kaputt gemacht. Ein negatives Beispiel ist auch Indonesien, wo mit hohen staatlichen Subventionen eine Marktentwicklung verhindert wurde. Oft schaden auch die Aktivitäten einzelner NGOs, die die Systeme meist billig in China einkaufen und dann sehr stark verbilligt abgeben, beispielsweise Pico-Systeme statt für 100 für 30 US-Dollar. Auf diese Art und Weise kann sich nur schwer ein Marktpreisentwickeln. Niemand ist mehr bereit, Photovoltaik zu normalen Preisen zu kaufen. Doch die NGO-Budgets sind nicht so groß, dass sie ausreichen würden, das gesamte Land damit auszustatten, und oft werden die Anlagen auch nicht richtig gewartet und instand gehalten.
Wo legen Sie denn den Schwerpunkt in Ihrer Projektarbeit?
Unser Ansatz ist privatwirtschaftlich orientiert und zielt auf die Ausbildung von Entrepreneuren. Hierbei bieten wir vor Ort Kurse an und versuchen vor allem, Kleinunternehmer und bestehende Firmen dazu zu bringen, Solarprodukte anzubieten, oder zu Unternehmensgründungen zu motivieren. Dies ist auch ein guter erster Schritt, um das jeweilige Land besser kennenzulernen. Wir sind gerade dabei, entsprechende Kurse in Uganda vorzubereiten. In einer zweiten Stufe bilden wir dann Trainer und Dozenten aus, die ihr Wissen vor Ort an andere weitergeben. In Afrika, wo es kaum Berufsschulen gibt, arbeiten wir hierbei meist mit Hochschulen, Universitäten oder Ingenieuren, die für NGOs arbeiten, zusammen.
Welche Art von Kleinunternehmern ist denn die wichtigste Zielgruppe ihrer Entrepreneurausbildung?
Gut geeignet sind Kleinunternehmer, die Handys verkaufen und reparieren, oder Leute, die Radios verkaufen und reparieren. Sie sind ja auch auf dem flachen Land fast überall präsent und haben meist schon Grundkenntnisse in Elektrotechnik und unternehmerische Erfahrungen, die sie dann sehr erfolgreich im Solarbereich einsetzen, wie unsere Erfahrungen aus Äthiopien zeigen.
Was konnten Sie denn schon vor Ort erreichen?
In Äthiopien konnten wir innerhalb der vergangenen zwölf Monate über 100 Entrepreneure schulen und motivieren, in den Verkauf und Service von Solarsystemen einzusteigen, bisher klappt das sehr gut. Sie haben insgesamt schon über 10.000 kleine Systeme verkauft. Und es hätten noch mehr sein können, wenn die Rahmenbedingungen noch günstiger wären.
Woran klemmt es?
Ein großes Problem ist, dass die Importeure von Photovoltaiksystemen und -komponenten nur sehr schwer an Devisen und günstige Darlehen kommen. So ist beispielsweise die Äthiopische Nationalbank hierbei sehr restriktiv und stellt nur wenige Mittel für den Einkauf von Importgütern bereit, aber das gilt auch für andere nationale Banken in ganz Afrika. Und selbst wenn die Devisenbeschaffung weniger problematisch ist, haben viele Großhändler meist nicht genügend Geld, um größere Mengen, sprich Containerware, einzukaufen. Denn die Systeme werden containerweise importiert. Bisher gibt es nur wenige afrikanische Länder, die vor Ort Photovoltaikkomponenten produzieren, vor allem in Südafrika. In Westafrika wird fast alles importiert. In einzelnen Fällen sprangen nun NGOs wie „Menschen für Menschen“ in Äthiopien mit Krediten für Solarimporteure ein, doch das sind nur punktuelle Aktionen.
Können denn internationale Förderbanken nicht in die Bresche springen?
Bisher nur schwer, denn Förderbanken wie die African Development Bank oder die deutsche KfW denken meist „big“ und tun sich schwer damit, kleinere Kredite unter zehn Millionen US-Dollar zu vergeben. Meine Idee ist es nun, einen Fonds zu schaffen, der durch eine Förderbank bedient wird und der bezahlbare Kredite in einer Höhe von 100.000 bis 300.000 US-Dollar vergibt. Es gibt hierfür auch schon interessierte Partner, ich kann allerdings derzeit noch keine Namen nennen.
Wie sieht es mit kleineren Händlern vor Ort aus? Haben die nicht auch Finanzierungsprobleme? Und wer könnte denen helfen?
Ja, da setzt sich dann die Kette fort. Viele kleine Händler, beispielsweise in Äthiopien, haben meist nur Geld, um drei bis fünf kleine Solarsysteme kaufen zu können. Doch die Gewinnmarge brauchen sie meist schon für deren langen Transport von der Hauptstadt Addis Abeba aufs flache Land, oft leben sie ja mindestens 500 bis 800 Kilometer von der Hauptstadt entfernt. Ihnen fehlt das Kapital, um beispielsweise sechs bis sieben Systeme kaufen zu können und mit deren Verkauf Gewinne zu erzielen und das Geschäft weiter auszubauen. Ein Ansatz, um dies zu ermöglichen, ist der Aufbau von lokalen Warenhäusern.
Wie sollen die funktionieren?
Die Idee ist es, den örtlichen Entrepreneuren übergangsweise unter die Arme zu greifen, indem sie sich in lokalen Warenhäusern zu gleichen Konditionen wie in der Hauptstadt kleinere Mengen an Solarsystemen kaufen können. Um zu verhindern, dass hierdurch eine dauerhafte Hilfe entsteht und die Märkte verzerrt werden, ist diese Unterstützung zeitlich auf zwei Jahre beschränkt. Zudem gibt es eine Mengenbeschränkung auf den Einkauf von maximal 50 Systemen. Wenn ein Entrepreneur sich so erfolgreich hochgearbeitet hat, dass er diese Menge kaufen kann, kann er selbst zum Einkauf in die Stadt zum Großhändler fahren, dann braucht er ja das lokale Warenhaus nicht mehr. In Äthiopien hat ebenfalls „Menschen für Menschen“ etliche solcher lokalen Warenhäuser finanziert. Mir geht es nun darum, diesen Ansatz zur Selbsthilfe mit Hilfe eines Förderfonds auf breitere Beine zu stellen.
Wie finanzieren Sie denn Ihre eigene Projektarbeit vor Ort?
Hauptsächlich über Projektmittel der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), der Vereinten Nationen sowie über Projektzuschüsse von NGOs wie „Menschen für Menschen“ in Äthiopien.
Nochmals zum Stichwort Importe: Wäre es nicht sinnvoll, wenn Photovoltaik verstärkt in Afrika vor Ort produziert würde?
Ich halte es für sehr begrüßenswert, wenn lokal produziert wird, doch dies muss wirtschaftlich nachhaltig und wettbewerbsfähig sein. Nur dann wird wirklich lokale Wertschöpfung erhöht.
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