POLIZERO: PSI-Projekt zeigt Wege zur Klimaneutralität

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Subventionen, Marktanreize, CO₂-Steuern, Verbote – was funktioniert am besten, wenn die Schweiz ihr Ziel der Klimaneutralität bis 2050 erreichen möchte? Im Projekt POLIZERO haben Forschende des Paul Scherrer Instituts PSI und der Universität Piräus in Griechenland einen systematischen Blick über die Landesgrenzen hinausgeworfen – in die Europäische Union. Die EU und ihre Mitgliedsstaaten haben bereits zahlreiche politische Massnahmen zur Senkung der Kohlendioxid-Emissionen umgesetzt – mit unterschiedlich grossem Erfolg. Ziel von POLIZERO war, den Weg der Schweiz zur Dekarbonisierung des Energiesystems in den europäischen Kontext zu setzen und daraus geeignete Massnahmen für die Schweiz abzuleiten.

«Wir haben zwölf Politikpakete zusammengestellt und getestet, die Subventionen, Steuern, EU-weite Massnahmen und verbindliche Vorgaben umfassen – basierend auf über 2000 EU-Initiativen», sagt Evangelos Panos, Leiter der Gruppe Energieökonomie an den Zentren für Energie- und Umweltwissenschaften sowie für Nukleare Technologien und Wissenschaften des PSI. Dabei kamen Energiesystemmodellierungen – also rechnergestützte Szenarien für den künftigen Energiebedarf und die Energieversorgung –, eine adaptive Pfadanalyse, die verschiedene Entwicklungspfade unter Unsicherheit miteinander vergleicht, sowie ein Stakeholder-Dialog mit Vertretern aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik zum Einsatz. Nun haben die Projektpartner ihre Ergebnisse in einem umfassenden Abschlussbericht veröffentlicht. POLIZERO lief von 2020 bis 2024 und wurde im Forschungsprogramm Energie-Wirtschaft-Gesellschaft vom Bundesamt für Energie (BFE) gefördert.

«Die Harmonisierung mit Massnahmen des EU-Green-Deal – also des Massnahmenpakets der EU zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2050 – hat sich in unseren Simulationen als besonders robust erwiesen – vor allem in geopolitisch unsicheren Zeiten», ergänzt Serafeim Michas, Analyst für Technikökonomie an der Universität Piräus.

Klares Ziel, flexible Umsetzung

Die Forschenden haben in der Analyse drei robuste politische Pfade definiert, die eine hohe Wahrscheinlichkeit haben, Netto-Null-Emissionen bis 2050 zu erreichen: Alle beginnen mit Subventionen und moderater EU-Angleichung bis 2035, gefolgt von stärkerer EU-Integration und regulatorischen Massnahmen, während die Subventionen schrittweise reduziert werden.

«Entscheidend für die Erreichung des Netto-Null-Ziels ist, dass die Schweiz ihre langfristige Strategie jetzt festlegt», betont Evangelos Panos. Zugleich macht er deutlich: «Um das Netto-Null-Ziel zu erreichen, braucht es keinen perfekten Plan, sondern die Fähigkeit, sich anzupassen und zu skalieren – insbesondere, wenn die Zukunft anders verläuft als erwartet.»

Zentrale Erkenntnisse von POLIZERO:

• Die kommenden zehn Jahre dürften entscheidend sein. Die Modellanalysen deuten darauf hin, dass fossile Technologien möglichst rasch durch saubere Alternativen ersetzt werden müssten – etwa durch den Ausbau der Fernwärme, eine Verdreifachung der Solarkapazität und den Umstieg auf Elektromobilität. «Jetzt werden die Weichen gestellt – die Entscheidungen dieses Jahrzehnts bestimmen, wie realistisch Netto-Null bis 2050 erreichbar bleibt», so Panos.
• Ab 2035 rückt die Skalierung in den Mittelpunkt der Szenarien. In den Modellanalysen zeichnet sich ab, dass rund 12 Terawattstunden Wind- und Bioenergie nötig sein könnten, um die Abhängigkeit von Energieimporten im Winter zu verringern – insbesondere im Zusammenhang mit einem Atomausstieg. Zusätzlich weisen die Szenarien auf einen Bedarf von etwa 25 Terawattstunden synthetischer Kraftstoffe hin, die entweder biogen aus Biomasse oder als sogenannte E-Fuels aus erneuerbarem Strom erzeugt werden. Auch die jährliche Abscheidung von 6 bis 10 Millionen Tonnen CO₂ aus Abfall und Industrie wird in vielen Pfaden als wichtiger Beitrag zum Erreichen des Netto-Null-Ziels sichtbar.
• Emissionshandel und gesetzliche Vorgaben gewinnen an Bedeutung. In frühen Phasen leisten Fördermassnahmen wichtige Impulse. Die Modelle legen jedoch nahe, dass nach 2035 zusätzliche Instrumente erforderlich wären: darunter ein stärkerer Emissionshandel mit breiterer Abdeckung der Sektoren, gesetzliche Vorgaben wie der Austausch alter Heizsysteme sowie gezielte Regeln für CO₂-Export und -Nutzung.
• Balance statt extremer Positionen. «Unsere Analyse deutet darauf hin, dass der Übergang in der Schweiz von starken nationalen Massnahmen und der Koordinierung mit Europa abhängt, da unterschiedliche Niveaus der EU-Harmonisierung den Verlauf des Weges zum Netto-Null-Ziel beeinflussen können», sagt Meixi Zhang, Doktorandin in der Gruppe Energieökonomie am PSI. Die Schweiz müsse deshalb eine Balance finden zwischen eigenständigen, glaubwürdigen Massnahmen und gezielter Zusammenarbeit mit der EU. Die zunehmende Integration in den europäischen Energiemarkt könne etwa bei der Versorgungssicherheit Vorteile bringen.