Gastkommentar von Eicke R. Weber: Das Ende des glücklichen Gleichgewichts

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Im Anfang war das Wort…! Wort als Energie verstanden, versöhnt die Bibel mit dem Big-Bang. Acht Milliarden Jahre nach dem Urknall bildete sich ein neuer Stern, darum rotierender Staub wurde zu Planeten. Einer hatte die richtige Entfernung zur Sonne, um bei Ausbildung einer stabilen Atmosphäre Wasser zu bilden. Tatsächlich entstand eine schützende Luftschicht, aber die Zusammensetzung zeigte nach weiteren 4500 Millionen Jahren, 500 Millionen Jahren vor unserer Zeitrechnung, einen Anteil an CO2 mehr als dreimal so hoch wie heute. Es gab kein Eis auf der Erde, der Treibhauseffekt speicherte das Sonnenlicht effektiv. Der hohe CO2-Gehalt förderte den Pflanzenwuchs, der in Folge zu einer Speicherung riesiger Mengen von CO2 in fossilen Pflanzen, also Kohle, Öl und Gas führte.

Vor rund 70 Millionen Jahren führte wohl ein Meteoreinschlag zu einem langen Winter – Dinosaurier wichen den Säugetieren. Das Erdklima veränderte sich durch Meteoreinschläge und Vulkanausbrüche. Doch wurden sie seltener, die Erde kam zur Ruhe. Menschenähnliche Affen, die Hominiden, begannen von Afrika aus die Erde zu bevölkern. Selbst vor 100 000 Jahren lebten nur rund 50 000 Menschen auf dem Globus. Vor nur 30 000 Jahren gab es eine Eiszeit mit kilometerdicken Eispanzern dort, wo wir heute leben. Vor rund 10 000 Jahren geschah etwas schier unglaubliches: Die Erde wechselte nicht nur von der letzten Eiszeit in eine angenehme Warmzeit, sondern diese Warmzeit zeigte eine ungeahnte Stabilität. Diese Periode der Klimastabilität, der Holozän, erlaubte den Menschen aus den Höhlen zu kommen. Dörfer, Städte, Staaten entstanden, Kultur und Technik wurden vorangebracht.

In den vergangenen Jahrmillionen bewegten sich die Erdtemperatur und der Gehalt an CO2 der Atmosphäre im Takt. Ein hoher CO2-Gehalt bedeutete: Warmzeit; ein niedriger Gehalt bedeutete: Eiszeit. Dabei schwankte die CO2-Konzentration nur wenig: Von 0,022 Prozent oder 220 ppm (parts per Millionen) in Eiszeiten und zu 280 ppm in Warmzeiten.

Seit 1850 aber werden als Preis für die fortschreitende Industrialisierung immer mehr fossile Stoffe verbrannt. Die Folge: Die Zusammensetzung der Atmosphäre hat den Stabilitätsbereich des Holozän weit überschritten. Heute sind bereits 0,04% (390 ppm) CO2 in der Luft und bald werden wir 500 ppm erreichen – ohne drastische Maßnahmen auch 700 beziehungsweise 1000 ppm. Wir sprechen über die Gefahr einer allmählichen, globalen Erwärmung, die bei jeder Verdopplung des CO2-Gehaltes etwa drei Grad betragen dürfte. Wie sind aber die Folgen dieser drastischen Änderung der Atmosphäre für die Stabilität des Erdklimasystems?

Das bisherige Erdklima entsprach einem glücklichen Gleichgewicht zwischen externen Einflüssen, wie Veränderungen der Erdbahn, und Entwicklungen auf der Erde, wie der Änderung des CO2-Gehalts der Atmosphäre durch fossile Pflanzen. Nun setzen wir die in mehreren hundert Millionen Jahren gespeicherte Menge an CO2 wieder frei. Die Folgen für die Stabilität des Klimasystems könnten noch viel unangenehmer werden als die Folgen durch den langsamen Anstieg der Temperatur.

Klimamodelle sind allerdings noch nicht in der Lage vorherzusagen, was wir an lokalen Klimaereignissen in einer Welt mit 500 ppm CO2 in der Atmosphäre erwarten werden. Ich fürchte, dass die Nachrichten von Rekordtemperaturen und Wetteranomalien die ersten Anzeichen für diese Entwicklung sind. Einzelereignisse sind nicht signifikant, aber in der Gesamtschau geben sie ein immer gefährlicher werdendes Bild. Ein Zeichen könnte die höchste Windgeschwindigkeit von Stürmen sein: Bisher erlebten wir als Obergrenze 200 Stundenkilometer. In den vergangenen Jahren gab es die ersten Meldungen von Stürmen mit 300 Stundenkilometern Spitzengeschwindigkeiten. Das sind Stürme, die keinen Stein auf dem anderen lassen.

Daher sollten wir für das neue Jahr den Vorsatz fassen, alles in unserer Macht stehende zu tun (auch als Stimmbürger), um dieser Gefahr entschieden zu entgegnen. Dazu gehört auch die Energiewende in Deutschland. Da schadet das Gerede von der viel zu erfolgreichen Energiewende nur den bisher erreichten Fortschritten. So warten noch große Aufgaben auf uns, die sicherlich viel Geld kosten. Auf der anderen Seite sind sie auch Konjunkturprogramm für die Wirtschaft. Schließlich ist die Energiewende alternativlos, wenn wir unseren Kindern und Enkeln eine bewohnbare Welt hinterlassen wollen.

– Der Autor ist seit 2006 Direktor des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme (ISE) in Freiburg und Inhaber des Lehrstuhls für Physik / Solarenergie an der Fakultät für Mathematik und Physik und an der Technischen Fakultät der dortigen Albert-Ludwigs-Universität. –

Die Erstveröffentlichung des Kommentars erfolgte in der Badischen Zeitung am 5. Januar.

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