Stefan Kapferer zum Agora-Gutachten zum Kohleausstieg

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„Die künftige Bundesregierung tut gut daran, den Konsens mit den betroffenen Regionen, den Gewerkschaften und den Kraftwerksbetreibern zu suchen, denn: Bereits eine erste Analyse des offensichtlich mit heißer Nadel gestrickten Agora-Gutachtens zeigt, mit wie vielen Rechtsunsicherheiten ein Ausstieg ohne Konsens behaftet wäre:

Das Gutachten stützt sich bei der Frage der Amortisationszeit für ein Kraftwerk auf durchschnittliche Herleitungen, wie sie auch für die Verhandlungen zum Atomkonsens herangezogen wurden. Eine solche pauschale Durchschnittsbetrachtung verbietet sich aber, wenn Kraftwerke gegen den Willen der Betreiber stillgelegt werden sollen. In diesem Fall müsste jede Anlage für sich betrachtet werden. Dies gilt umso mehr, als das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung zum Atomausstieg aus dem Jahr 2016 folgendes deutlich gemacht hat: Auch solche Investitionen sind schützenswert, die im Vertrauen auf die bestehende Rechtslage zur Ertüchtigung der Anlagen getätigt wurden. In den letzten Jahren wurden umfangreiche Investitionen in viele Anlagen zur Steigerung der Effizienz und zur Flexibilisierung des Betriebs getätigt.

Auch ein einjähriger Übergangszeitraum von der Ausstiegsentscheidung bis zur Stilllegungsverpflichtung dürfte nicht ausreichend und rechtskonform sein: Für den Betrieb eines Kraftwerks müssen die Betreiber umfangreiche Verpflichtungen eingehen: Hierzu gehören zum Beispiel arbeitsrechtliche Verpflichtungen, Kohlelieferungsverträge, Stromlieferungsverträge oder die Sicherung der Abgabeverpflichtung für CO2-Zertifikate. Vor diesem Hintergrund dürften deutlich längere Übergangszeit erforderlich sein.

Das vorgeschlagene Kohleausstiegsgesetz trägt im Ergebnis im europäischen Kontext auch nicht zu einer Emissionsminderung bei. Im Rahmen des Emissionshandelssystems würden die nicht emittierten CO2-Zertifikate voraussichtlich uneingeschränkt in anderen Anlagen eingesetzt werden. Auch hier sollte man weiter denken.

Ein Kernthema darf in dieser Debatte nicht untergehen: Die jederzeit sichere Energieversorgung. Klimaschutz, Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit müssen gleichberechtigt behandelt werden. Wann welche Kraftwerke vom Netz gehen können, lässt sich nicht am Schreibtisch von Anwaltskanzleien definieren. Hier bedarf es fundierter energiewirtschaftlicher Analysen, die beispielsweise die Netzstabilität in einer bestimmten Region im Blick haben müssen.“

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Jan Ulland
Pressesprecher
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