Neben den rein techno-ökonomischen wurden auch sozio-ökonomische Kriterien berücksichtigt, wie die Einbindung der lokalen Bevölkerung oder bestehende Schutzgebiete. Die Studie ist seit heute online verfügbar.
Die Untersuchung ist wesentlicher Teil eines Dialogprojektes zwischen der kolumbianischen und der deutschen Industrie, das die Bundesregierung über die Entwicklungsorganisation Sequa gefördert hat. »Deutschland kann seinen Bedarf an CO2-freien Molekülen nur mit internationalen Partnern bedienen. Kolumbien bietet dafür ein hervorragendes Potenzial. Umgekehrt gibt es ein großes Interesse der kolumbianischen Regierung, industrielle Partnerschaften mit Deutschland zu Energiewendetechnologien zu unterstützen. Damit sind die Voraussetzungen für eine engere industrielle Zusammenarbeit sehr gut«, erklärt Carsten Rolle, Geschäftsführer des Weltenergierat-Deutschland und Leiter der Abteilung Energie- und Klimapolitik des BDI.
Kolumbien verfügt über ein enormes Potenzial an erneuerbaren Energien: Wasserkraft, Biomasse, Solar- und Windenergie, sowohl auf dem Festland als auch vor der Küste. In einer techno-ökonomischen Studie des Fraunhofer ISE, die 2023 im Auftrag der H2Global-Stiftung die Produktions- und Transportkosten von Power-to-X-Produkten für das Jahr 2030 in 39 Regionen weltweit untersuchte, stachen unter anderem Gebiete in Nordkolumbien hervor.
Die nun im Auftrag von BDI und WEC erstellte Studie »Power-to-X Colombia« baut darauf auf und identifiziert mit einer vom Fraunhofer ISE entwickelten Methodik potenzielle Standorte für erneuerbare Energien und großskalige Power-to-X-Produktion. Flächen, die sich für große Wind- und Solarparks eignen, wurden Standorte für potenzielle Wasserstoff- und PtX-Hubs gegenübergestellt, die über CO2-Quellen, Wasser sowie nötige Infrastruktur (Stromnetze, Straßen, Häfen) verfügen. Neben den technologischen Kriterien wurden auch umwelt- und gesellschaftsrelevante Merkmale berücksichtigt, wie bestehende Schutzgebiete oder indigene Gemeinschaften. Im Ergebnis wurden drei potenzielle PtX-Standorte ausgewählt, an denen Grünstrom besonders effizient in Wasserstoff und seine Derivate umgewandelt werden kann: Cartagena/Barranquilla, Valle del Cauca und La Guajira. Die Ergebnisse der Studie dienen dem Kolumbianisch-Deutschem Wasserstoffdialog und der Einschätzung des Exportpotenzials der kolumbianischen Wasserstoffindustrie.
Lokale Besonderheiten berücksichtigen
»Jede dieser Regionen bietet ihre eigenen Vorteile und erfordert jeweils eine spezifische Herangehensweise bei der Errichtung einer lokalen Wasserstoffinfrastruktur«, erklärt Dr. Christoph Hank, einer der Autoren der Studie. »Wir liefern mit unserer techno-ökonomischen Studie eine umfassende Wasserstoff-Kostenanalyse für die identifizierten Regionen als potenzielle Power-to-X-Hubs. Die Studie wird einen wichtigen Beitrag leisten bei der weiteren Entwicklung von nachhaltigen Wasserstoffprojekten in Kolumbien, welche neben den rein techno-ökonomischen Kriterien auch sozio-ökonomische Kriterien berücksichtigen und die lokale Bevölkerung in diese zukünftige nachhaltige Wertschöpfungskette einbinden.«
Die Region um Cartagena/Barranquilla zeichnet sich durch gute Infrastrukturbedingungen und Synergien mit bestehenden Industrien aus. Laut Studie ist sie für die Produktion von grünem Methanol geeignet. Basis dafür ist Kohlendioxid, das über direkte Luftabscheidung und über das Abscheiden von konzentriertem CO2, beispielsweise aus einem Zementwerk, gewonnen werden kann.
La Guajira ist gekennzeichnet durch ihr hervorragendes technisches Potenzial für Wind- und Solarenergie, das sich günstig auf die Produktionskosten auswirkt. Die Produktionsrouten für grünen Ammoniak und flüssigen Wasserstoff zeichnen sich hier als die günstigsten ab. Derzeit fehlt es allerdings in dieser teils abgelegenen Region an Infrastruktur, hinzu kommen Dürren und verzögerte erneuerbare Energien-Projekte. Die Studienautoren gehen jedoch davon aus, dass das außergewöhnliche Produktionspotenzial der Region einen sozial akzeptablen grünen Wandel ermöglichen kann, indem z.B. benachbarte Siedlungen mit bezahlbarem Süßwasser versorgt werden. Die lokale Bevölkerung sollte frühzeitig in die Projekte eingebunden und im besten Fall durch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in die zukunftsträchtige Wertschöpfungskette integriert werden.
Die Region Valle del Cauca weist ein gutes Photovoltaik-Potenzial in Kombination mit verfügbaren CO2-Quellen auf. Hier wäre die Produktion von Methanol, Dimethylether oder nachhaltigen Flugkraftstoffen möglich. Für wettbewerbsfähige Produktionskosten sind jedoch fortschrittliche Produktionskonzepte erforderlich, einschließlich der Nutzung von Wasserkraft zur Erhöhung der Volllaststunden der Anlagen und eventuell nachhaltiger Biomassepotenziale zur Erzeugung von Synthesegas und anschließender Kohlenwasserstoffsynthese.
Insgesamt können mittel- bis langfristig größere Power-to-X-Hubs realisiert werden, die zu 100 Prozent mit erneuerbarem Strom betrieben werden, insbesondere bei konsequentem Ausbau des Offshore-Windpotenzials. »Kolumbien hat bereits eine Wasserstoff-Roadmap vorgelegt: Den darin beschriebenen Weg zu verfolgen, die erforderlichen Rahmenbedingungen festzulegen, Risikokapital einzuwerben und die Maßnahmen sozial verantwortungsvoll umzusetzen, sind nun die zentralen Meilensteine für den weiteren Erfolg«, fasst Hank zusammen.
Technoökonomische Analyse von Wasserstoff-Importen und -regionen
Das Fraunhofer ISE identifiziert das Erzeugungspotenzial für erneuerbare Energien, grünen Wasserstoff und Wasserstoffderivate in ausgewählten Regionen oder ganzen Ländern und führt standortbezogene Produktions- und Transportkostenanalysen der gesamten Wasserstoff- und Power-to-X -Wertschöpfungskette durch.
Mehr Informationen dazu gibt es auf unserer Webseite.
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