Klimaneutralität 2050 schafft Klarheit und erfordert neue Herangehensweisen

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Zur Entscheidung der Bundesregierung, das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 beim EU-Gipfel diese Woche in Brüssel zu unterstützen, sagt Andreas Kuhlmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Deutschen Energie-Agentur (dena):

„Das ist eine wichtige Richtungsentscheidung der Bundesregierung. Das Ziel ist ambitioniert und schafft Klarheit für die Ausrichtung der Energiewende. Gleichzeitig fordert es uns heraus, über neue Herangehensweisen nachzudenken. Der Fokus in der deutschen Klimaschutzpolitik wird sich verschieben: Bisher ging es vor allem um Kohlenstoffquellen und die Vermeidung von Treibhausgasemissionen. Das bleibt wichtig, aber jetzt geht es auch um Kohlenstoffsenken und das Binden von Kohlenstoff in Produktionszyklen und im Ressourcenmanagement.

Bereits in der Leitstudie Integrierte Energiewende hat die dena deutlich herausgearbeitet, dass das Klimaziel präzisiert werden sollte. Denn je nachdem, welches Ziel Deutschland bis 2050 erreichen soll, ergeben sich bereits für die Entscheidungen in der aktuellen Legislaturperiode und die Entwicklung bis 2030 unterschiedliche Weichenstellungen. Der bisher geltende Zielkorridor von 80 bis 95 Prozent weniger Treibhausgasemissionen bis 2050 im Vergleich zu 1990 war dafür zu breit angelegt.

Klimaneutralität bis 2050 bedeutet für Deutschland, dass die drei Säulen der Energiewende – Energieeffizienz, erneuerbarer Strom und synthetische, erneuerbare Kraft- und Brennstoffe (Powerfuels) – vehement weiterentwickelt und ausgebaut werden müssen. Dafür ist vor allem ein neuer ökonomischer Rahmen notwendig, der das System aus Steuern, Abgaben und Umlagen konsequent auf die Reduzierung von Emissionen ausrichtet und Wettbewerb und Innovationen anstößt. Gleichzeitig bekommt die Akzeptanzfrage noch größeres Gewicht. Ehrgeizigere Klimaziele bedeuten auch mehr Veränderung. Umso mehr brauchen wir eine gesamtgesellschaftliche Diskussion darüber, wie wir die Klimaschutzziele erreichen wollen.

Hinzu kommt, dass wir uns mehr Gedanken über andere Politikfelder wie Agrar- und Forstwirtschaft, Ressourcenmanagement und Kreislaufwirtschaft machen müssen. Die Rolle der Biomasse insgesamt zum Beispiel bedarf einer neuen Bewertung. Zudem gilt: Vor allem für manche Industrieprozesse sind heute noch keine Lösungen auf Basis von erneuerbaren Energien in Sicht. Angesichts von Investitionszyklen von bis zu 30 Jahren, zum Beispiel in der Stahl- und Chemieindustrie, sollte jetzt in die Entwicklung neuer Verfahren investiert werden. Auch über Technologien wie die Abscheidung und Speicherung oder Nutzung von CO2 (Carbon Capture and Storage, Carbon Capture and Usage) müssen wir neu diskutieren, insbesondere über Verfahren, CO2 durch chemische Prozesse direkt aus der Luft zu filtern.

Wichtig ist schließlich, dass wir uns auf Lösungen konzentrieren und Innovationen voranbringen. Es gibt viele Möglichkeiten, das Klima zu schützen. Neben der Energiewende zählen auch Dinge wie Ernährung, Landnutzung, Müllervermeidung und Bildung dazu. Viele junge Unternehmen auf der ganzen Welt arbeiten bereits an neuen Geschäftsmodellen für Energiewende und Klimaschutz. Deutschland kann hier als Technologie- und Industrieland einen starken Beitrag leisten. Die Entscheidung für Klimaneutralität bis 2050 ist dafür ein gutes Zeichen. Sie wird ein neues Kapitel in der deutschen Klimapolitik aufschlagen. Die dena wird diesen Prozess intensiv begleiten.“