Energiewende erfasst den Wärmemarkt

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  • Roland Berger-Studie analysiert den Wärmemarkt und seine zukünftige Entwicklung
  • Heute noch über 80 Prozent der Energie für Heizung und Kühlung aus konventionellen Quellen
  • Radikale Umstellung nötig, damit Deutschland seine Verpflichtungen beim Klimaschutz erreicht: minus 80-95 Prozent Treibhausgasemissionen bis 2050
  • Dekarbonisierung, Digitalisierung und neue Technologien, Dezentralisierung und Sektorkopplung sind zentrale Trends

Nachdem die erneuerbaren Energien in den vergangenen Jahren den
Strommarkt revolutioniert haben, ist als nächstes der Wärmesektor
dran: Heute kommt die Energie für Heizen und Kühlen in Deutschland
noch fast vollständig aus konventionellen Quellen (2015: 87%) – zu
viel, um die in Paris eingegangene Verpflichtung zu erfüllen, die
Treibhausgasemissionen bis 2050 um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu
1990 zu reduzieren. Deshalb hat die Bundesregierung in ihrem
nationalen Klimaschutzplan 2050 erstmals für die Sektoren Strom,
Wärme, Industrie und Verkehr jeweils individuelle Zwischenziele für
2030 eingeführt. Außerdem sollen die Sektoren enger miteinander
verzahnt werden, um die Effizienz zu steigern. Auf Wärmeversorger und
-Kunden kommen dadurch erhebliche Veränderungen zu, die sie in ihren
Investitionsentscheidungen frühzeitig berücksichtigen müssen. Um den
Unternehmen dafür die nötigen Planungsgrundlagen an die Hand zu
geben, haben die Energieexperten von Roland Berger in ihrer neuen
Studie „Wärmewende in Sicht“ den aktuellen und zukünftigen Wärmemarkt
sowie die Auswirkungen des Klimaschutzplans 2050 auf die Versorger
analysiert.

„Der Wärmemarkt wird in den kommenden Jahren genauso umgekrempelt,
wie wir es im Strommarkt gesehen haben“, sagt Torsten Henzelmann,
Partner von Roland Berger. „Getrieben durch neue Technologien und die
Vorgaben des Klimaschutzplans 2050 wird das deutsche Wärmesystem
komplett umgebaut: hin zu einer dezentralen Struktur und überwiegend
basierend auf erneuerbaren Energiequellen. Zudem werden die
Wechselwirkungen mit den anderen Sektoren verstärkt.“ Für
Wärmeversorger heißt das, dass sie die technologischen und
strategischen Entwicklungen nicht nur im Wärmesektor selbst, sondern
auch in den anderen Sektoren in ihre Entscheidungen einbeziehen
müssen. Und dies möglichst frühzeitig, mahnt Henzelmann: „Ohne eine
umfassende Wärmestrategie 2030 drohen Fehlinvestitionen in falsche
Technologien, möglicherweise gehen auch ganze Kundensegmente
verloren.“

Bereits heute betroffen sind Energieversorger, die in großen,
konventionellen Heizkraftwerken Wärme produzieren und ihre Kunden
über ein zentrales Fernwärmenetz beliefern. „Diese Wärme war anfangs
ein Nebenprodukt der Stromerzeugung, später dann eine sichere
Erlösquelle, als die Stromgroßhandelspreise sanken“, sagt Ingmar
Kohl, Partner von Roland Berger. „Mit dem weiteren Ausbau von Wind-
und Solarkraftwerken sinken die Preise aber noch weiter und werden
zunehmend volatiler. Deshalb laufen ältere, unflexible Anlagen immer
öfter im „Wärme-Must-Run“, das heißt, sie müssen Wärme produzieren,
verlieren aber auf der Stromseite Geld.“

Vier zentrale Trends prägen den Wärmemarkt der Zukunft
In ihrer Studie haben die Roland Berger-Experten die zukünftigen
Entwicklungen im Wärmesektor detailliert untersucht. Entscheidend
sind dabei vier Trends, die sich gegenseitig beeinflussen und
verstärken: Der erste ist die Dekarbonisierung als Grundvoraussetzung
für das Erreichen der Emissionsziele. Dazu kommen Digitalisierung und
neue Technologien, die das Energiesystem insgesamt effizienter und
intelligenter steuerbar machen und so die Dekarbonisierung überhaupt
erst ermöglichen. Drittens wird es eine deutliche Dezentralisierung
geben, bedingt durch den weiteren Ausbau der – meist dezentralen –
erneuerbaren Energien.

Der vierte Trend ist die engere Verzahnung der Sektoren, die nicht
nur durch den Klimaschutzplan 2050 forciert wird, sondern vor allem
durch neue Technologien getrieben wird. Beispiele dafür sind
Power-to-Heat-Anlagen (P2H), die Wärme idealerweise aus
überschüssigem erneuerbaren Strom erzeugen, oder auch
Power-to-Gas-Anlagen (P2G), die den Strom zur Erzeugung von Gas
nutzen, das langfristig im Gasnetz gespeichert werden kann. Zur
kurzfristigen Speicherung von überschüssigem Strom kommen zunehmend
dezentrale Stromspeicher in Elektroautos oder Gebäuden zum Einsatz.
Sektor-übergreifend ist auch die Nutzung von Abwärme aus
Industrieanlagen für die Wärmeversorgung.

„Mit dem langfristig angelegten Klimaschutzplan 2050 versucht die
Bundesregierung, den Systemwandel in geordnete Bahnen zu lenken und
größere Umbrüche zu vermeiden“, sagt Roland Berger-Experte Kohl.
„Trotzdem kann es zu disruptiven Veränderungen im Wärmemarkt kommen,
zum Beispiel wenn große Kohle-Heizkraftwerke wegen mangelnder
Rentabilität auf der Stromseite stillgelegt werden und damit
schlagartig als zentrale (Haupt-)Wärmequellen wegfallen.“ Die
zunehmende Flexibilität im Energiesystem wirkt sich auch auf den
Strommarkt aus: Je besser Wind- und Solarstrom durch Sektorkopplung,
netztechnische Maßnahmen und Lastmanagement integriert werden und je
mehr Stromspeicher zukünftig installiert werden, desto geringer
werden Preisniveau und -fluktuation an der Strombörse. Genau das wird
aber wiederum zum Problem für die neuen, auf Flexibilität ausgelegten
Gas-Kraftwärmekopplungsanlagen, die aktuell in Planung oder bereits
im Bau sind. “ fasst Kohl zusammen.

Strategien in unsicheren Zeiten
Die Roland Berger-Experten sehen daher Versorger und Netzbetreiber
vor allem in der Pflicht, mit der hohen Komplexität der
Energiesysteme umgehen zu lernen: „Nur dann können sie die durch neue
Technologien und Sektor-übergreifendes Denken entstehende
Flexibilität in einer dezentralen Erzeugungs- und Verbrauchsstruktur
optimal nutzen“, sagt Henzelmann. Außerdem sei es dann nicht mehr
sinnvoll, Strom-, Gas- und Wärmenetze weiter parallel auszubauen.
„Viel wichtiger ist, die verschiedenen Versorgungsinfrastrukturen im
Sinne eines Gesamtoptimums aufeinander abzustimmen. Dazu muss auch
die lokale Verbraucherstruktur berücksichtigt werden und für jede
Kommune eine eigene optimale Lösung gefunden werden.“

Je nachdem, wie schnell die Transformation der deutschen
Energiewirtschaft erfolgt, wird die Zeit bis 2030 von tiefgreifenden,
potenziell disruptiven Veränderungen geprägt sein. Da der Aufbau
eines Portfolios von dezentralen Lösungen viel Zeit und Ressourcen
benötigt, sollten Wärmeversorger bereits heute beginnen, sich auf die
Umstellung des Energiesystems vorzubereiten. „Aufgrund der jeweils
spezifischen lokalen Situation der Versorger gibt es dafür keine
allgemeine Blaupause, an der man sich orientieren könnte“, sagt
Henzelmann. „Jedes Unternehmen muss möglichst frühzeitig seine eigene
‚Wärmestrategie 2030‘ formulieren.“

Die Studie können Sie herunterladen unter:
www.rolandberger.de/pressemitteilungen

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gemeinsam entwickeln und verwirklichen wir flexible Strategien, die
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Pressekontakt:
Claudia Russo
Roland Berger
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Tel.: +49 89 9230-8190
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www.rolandberger.com