Von der Erkenntnis bis hin zur Widerstandsfähigkeit: Wie können Entscheidungsprozesse von Europas Akteuren im Bereich Photovoltaik, Speicher und Wechselrichter angesichts der quantitativen Neuverteilung der Segmente gestärkt werden?

Globus, Pixabay

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Während sich die europäischen Photovoltaik- und Speichermärkte weiterentwickeln, bereiten sich die Akteure auf einen allmählichen Wandel vor: Das Privatkundensegment wird seine Bedeutung auf dem europäischen Markt zwar behalten, gleichzeitig vollzieht sich jedoch ein Wandel von einem dezentralen, von Hausbesitzern getriebenen Zubau, hin zu einem stärkeren Fokus auf gewerbliche und industrielle (C&I) Anlagen sowie Großanlagen. Basierend auf den Marktdaten unserer „Global Energy Transition GET-Matrix“ wird dieses strategische Gleichgewicht von mehreren ineinander greifenden Faktoren angetrieben:

  • Zielanpassung: Nationale Klimaziele treiben das Volumen von Photovoltaik-Projekten in die Höhe. So strebt Deutschland ab dem nächsten Jahr einen jährlichen Zubau von 22 Gigawatt an, wobei je 11 Gigawatt als Freiflächenanlagen und als Dachanlagen installiert werden sollen. Frankreich hat sich zum Ziel gesetzt, die kumulierte Photovoltaik-Leistung bis 2030 von derzeit 25,3 auf 54 Gigawatt zu erhöhen, wovon ein erheblicher Anteil auf mittelgroße und große Anlagen entfallen soll. Italien verzeichnet ähnliche Trends und hat im letzten Jahr über 6,7 Gigawatt installiert, von denen mehr als 70 Prozent aus den Segmenten C&I (20 bis 5.000 Kilowatt) und Großanlagen (>5.000 Kilowatt) stammen. Andere führende europäische Photovoltaik-Märkte wie Spanien und Polen folgen diesem Trend.
  • Arbeitskräftemangel und Größenvorteile: Im Rahmen unseres „PV & EES InstallerMonitor 2024/2025” gaben 27 Prozent der befragten Installateure eine Wartezeit für eine Photovoltaik Anlage von mehr als 4 Monaten ab Erstkontakt mit dem Kunden an. Davon begründeten 54 Prozent die erhöhte Wartezeit damit, dass keine Mitarbeitenden für die angefragten Aufträge zur Verfügung stünden. In Italien war die Situation besser, da nur 9 Prozent der befragten Installateure angaben, dass ihre Kunden vier Monate oder länger auf ihre PV-Installationen warten mussten. Von diesen 9 Prozent gaben jedoch wiederum 69 Prozent an, dass sie nicht genügend Mitarbeitende für die angeforderten Aufträge aufweisen können. Auch wenn das Ausmaß dieser Herausforderung von Markt zu Markt variiert und sich die Situation zuletzt verbessert hat, bleibt das Problem in einigen Ländern bestehen. Vor diesem Hintergrund könnten die Regierungen durch das arbeitsintensivere Privatkundensegment bei der Erreichung ihrer Solarziele ausgebremst werden, während Großprojekte – die vergleichsweise weniger arbeitsintensiv und kostengünstiger sind – eine wichtigere Rolle bei der Erreichung der Photovoltaik-Zubauziele für 2030 spielen könnten.
  • Regulatorische Anpassungen: Einige Märkte, die traditionell vom Privatkundensegment dominiert werden, mussten den Umfang ihrer Photovoltaik-Förderprogramme anpassen. Dies und der erhöhte wirtschaftliche Druck auf die privaten Verbraucher haben zu einem Rückgang der Installationen in Privathaushalten geführt. So wurden in Schweden im Jahr 2023 mehr als ein Gigawatt Photovoltaik-Anlagen auf Wohngebäuden installiert, im Jahr 2024 jedoch nur noch etwa ein halbes Gigawatt. Dieser Rückgang ist vor allem auf die Stabilisierung der Strompreise und die Unsicherheit über die Fortführung von Förderprogrammen zurückzuführen, wie beispielsweise der Vorschlag der schwedischen Regierung, den Steuerabzug für grüne Technologien von 20 auf 15 Prozent zu reduzieren.

Das Ergebnis? Ein Umfeld, in dem Entscheidungen nicht mehr allein auf dem Preis-Leistungs-Verhältnis basieren. Entwickler und Investoren müssen die Widerstandsfähigkeit, die Innovationskraft und die strategische Ausrichtung einer Marke über Jahre – und nicht nur über Quartale – hinweg bewerten. Sie müssen Partner für langfristige Investitionen auswählen, bei denen eine falsche Entscheidung zu Projektverzögerungen, Umsatzeinbußen oder sogar Insolvenzen führen kann.

Um dies zu erreichen, ist ein klares Verständnis der Markenleistung aus der Perspektive der europäischen Installateure, Prosumer und C&I/EPC-Stakeholder unerlässlich. Welche Marken sind am häufigsten in den Portfolios der Installateure vertreten? Wie ist die Vertriebsbreite und -tiefe einer Marke? Wie werden die Marken von den Fachleuten vor Ort wahrgenommen? Welche Marken werden empfohlen – und welche werden gemieden? Die Beantwortung dieser Fragen erfordert solide Primär- und Sekundärdaten, die für die Messung des Vertrauens der Stakeholder in eine Marke entscheidend sind.

Um diesem Bedarf nach einer mehrdimensionalen Bewertung gerecht zu werden, haben wir bei EUPD Research das „Brand Leadership & Sustainability Rating – Europe“ entwickelt, das Unternehmen aus den Bereichen Photovoltaik, Wechselrichter und Speicher anhand von vier gewichteten Scorings bewertet:

  1. PV & EES InstallerMonitor“ , „PV C&I/EPCMonitor“  & „SolarProsumerMonitor“
    Basierend auf Befragungen und eingehenden Analysen von mehreren tausend europäischen Stakeholdern pro Jahr spiegelt diese Säule die Distributionsweite und -tiefe der Marken sowie die Markenempfehlungen (Net Promote Score) in 13 europäischen Märkten wider, die in Bezug auf das Installationsvolumen mehr als 80 Prozent des jährlichen Marktes ausmachen. Die wichtigsten Märkte, die in die Erhebungen einbezogen wurden, sind Deutschland, Italien, Frankreich, Spanien, die Niederlande, das Vereinigte Königreich sowie weitere große europäische Länder.
  2. ESG & Innovation
    Umfasst die Analyse von Nachhaltigkeitsberichten auf Basis veröffentlichter Informationen und verfolgt auch Patentanmeldungen, die Intensität von Forschungs- & Entwicklungs-Investitionen sowie die für Innovationen aufgewendeten Ressourcen.
  3. Preis-Leistungs-Verhältnis
    Aggregiert Daten aus Beschaffungsdatenbanken, Peer-Benchmarking und Umfragen unter Installateuren, um die Wertschöpfung nach Segmenten zu quantifizieren.
  4. Finanzielle Belastbarkeit
    Bewertet die finanzielle Stabilität der börsennotierten Unternehmen für das Jahr 2024.

Warum gerade jetzt? In der derzeitigen Marktsituation kann ein Fehltritt bei der Lieferantenauswahl zu kaskadenartigen Verlusten führen – von Kostenüberschreitungen und Leistungsmängeln bis hin zum Garantieverlust durch Insolvenz. Darüber hinaus haben wir das Rating auf der Grundlage eines klaren Mandats von Interessenvertretern der Branche und seines umfangreichen Netzwerks großer C&I-Endkunden eingeführt.

Wer bleibt in Zeiten der Neuverteilung und Ausbalancierung der Segmente zukunftsfähig? Vergleichende Einblicke:

In den letzten Jahren wurden hunderte in Europa agierende Photovoltaik-, Wechselrichter- und Speichermarken analysiert. Die führenden zwei bis drei Prozent dieser Marken wurden anschließend im Rahmen eines umfassenden Ratingprozesses bewertet, wobei die prozentualen Schwellenwerte für die Segmente Wechselrichter und Speicher leicht variieren. Jede Marke wurde auf ihre Leistung in den Bereichen finanzielle Belastbarkeit, Innovation, Marktvertrauen und Glaubwürdigkeit sowie ESG untersucht. Nachfolgend einige ausgewählte Highlights:

Es wurden positive Korrelationen zwischen der finanziellen Performance von Photovoltaik-Marken und einer stärkeren Fokussierung auf das Photovoltaik-Großanlagensegment festgestellt. Der Zielmarkt für solche Marken sind natürlich die europäischen Märkte, in denen das C&I-Segment stark ist und bleiben wird: beispielhaft hierfür stehen Frankreich, Italien, Deutschland, Niederlande, Polen, Tschechische Republik und Ungarn. Darüber hinaus ist ersichtlich, dass in Spanien, dem Vereinigten Königreich, Portugal, Polen und Deutschland aktive Marken verhältnismäßig positive Gesamt-Scorings erzielen konnten. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die im Privatkundensegment tätigen Marken die Hände in den Schoß legen und aufgeben sollten: Die deutschsprachigen Märkte Schweiz, Österreich und Deutschland sowie Belgien und kleinere Nischenmärkte wie Estland, in denen im vergangenen Jahr rund 70 Prozent aller neuen Photovoltaik-Anlagen im Privatkundensegment installiert wurden, sind jene Märkte, in denen das Privatkundensegment noch einen erheblichen Anteil an den jährlichen Gesamtinstallationen ausmacht.

Darüber hinaus haben wir in den letzten drei Jahren Tausende von Analysen und Interviews mit Kunden aus der Industrie und dem Dienstleistungssektor durchgeführt. Eine wichtige Erkenntnis aus diesen Befragungen ist klar: Jede glaubwürdige Bewertung muss eine Vielzahl an Perspektiven und Interessensgruppen integrieren, um eine umfassende und strategische Beurteilung zu ermöglichen. Nahezu alle Marken auf den vorderen Plätzen zeichneten sich durch ein hohes Markenvertrauen, eine gute ESG-Performance bei gleichzeitig wettbewerbsfähigen Preisen und hoher Produktqualität aus.

Die aktuell besten Akteure auf dem europäischen Markt konnten mit „AA+/Sehr gut“ bewertet werden, während einige Marken, die bisher nicht in Europa aktiv waren, an Dynamik gewinnen und ein starkes Aufwärtspotenzial aufweisen.

Beispielhaft für eine sehr gute AA+ Bewertung stehen in der Kategorie Photovoltaik Marken wie Jinkosolar und Canadian Solar. In der Kategorie Wechselrichter konnte sich Sungrow in allen Parametern in gleicher sehr guter Klassifizierung behaupten. Auch BYD konnte sich als einer der Speicher-Hersteller in der Klassifizierung AA+ einordnen.

Gleichzeitig ist eine spannende Entwicklung bei vergleichsweise neuen Herstellern auf dem europäischen Markt mit zukunftsfähigen Aussichten zu beobachten. So auch das gute A+ Rating von Tongwei Solar in der Kategorie Photovoltaik.

Wie nutzen Stakeholder das Rating?

Projektentwickler und EPC-Unternehmen können das Rating nutzen, um Risiken nach der Installation zu reduzieren, etwa unzureichende Leistung oder Ausfall von Komponenten außerhalb des Betriebs- und Wartungsfensters. Installateure und Händler können das Rating in ihre Einkaufsstrategien und Kundenberatungen einbeziehen, insbesondere bei der Teilnahme an Ausschreibungen für Industrie- und Gewerbekunden. Energieversorger und Energiedienstleistungsunternehmen können das Rating in Bewertungsmodellen für Ausschreibungen nutzen, um ein Gleichgewicht zwischen Preis und Systemrisiko herzustellen.

Jenseits von Ratings: Ein Marktsignal

Die offiziellen Ergebnisse werden wir Mitte Juni 2025 veröffentlicht. Sobald diese veröffentlicht sind, dienen sie als Indikator für die Zukunftsfähigkeit. Dies ist besonders relevant in einem Marktumfeld, in dem in den vergangenen 24 Monaten zahlreiche Wechselrichter- und Modulhersteller entweder aus dem Markt ausgeschieden sind oder durch Übernahmen konsolidiert wurden. Es hilft den Akteuren, Marken zu identifizieren, die sich an langfristigen Energiestrategien und nicht nur am kurzfristigen Preiswettbewerb orientieren.

Während sich die europäische Energielandschaft weiterentwickelt, verlagert sich die Diskussion von einer einfachen Produktauswahl, hin zur notwendigen Entwicklung strategischer Ausrichtungsprozesse – von der Erkenntnis des Wandels, hin zur Strategieentwicklung zur nachhaltigen Widerstandsfähigkeit. Bei unserem „EUPD Brand Leadership & Sustainability Rating“ geht es nicht nur darum, die Gewinner von heute zu identifizieren – es geht darum, die Partner von morgen zu identifizieren.

In einem komplexen Markt schafft das Rating Klarheit. Und in einer Branche, die zunehmend von langfristiger Wertschöpfung geprägt ist, ist es nicht nur ein Benchmark, sondern eine Roadmap.

Über die Autoren:

Markus Hoehner ist Gründer, Präsident und Vorstandsvorsitzender der Hoehner Research & Consulting Group und EUPD Research. Er ist seit mehr als drei Jahrzehnten in der Spitzenforschung und Beratung mit den Schwerpunkten Cleantech, erneuerbare Energien und nachhaltiges Management tätig. Sie können ihn unter m.hoehner@eupd-research.com erreichen.

Ali Arfa ist Senior Data Manager bei EUPD Research. Er ist Absolvent der Universität Bonn und hat einen Hintergrund in europäischer und nordamerikanischer Politik. Sein Fachwissen umfasst Marktforschung, Politikentwicklung und Stakeholder-Analyse. Sein besonderer Fokus liegt auf der Solarenergie, der Energiespeicherung und der strategischen Beratung. Er ist erreichbar unter a.arfa@eupd-research.com.

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