50 Hertz-CEO:  Netzdienlicher Erneuerbaren-Ausbau und mehr Flexibilitäten

Umspannwerk Bad Lauchstädt, Beginn der Südwestkuppelleitung

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An mehr als 1900 Stunden befanden sich im vergangenen Jahr mindestens 100 Prozent erneuerbarer Strom im Netz des Übertragungsnetzbetreibers 50 Hertz. „Dies sind umgerechnet etwa 80 Tage“, wie CEO Stefan Kapferer auf der Jahrespressekonferenz am Montag erklärte. „Bisher konnten sowohl Solarspitzen als auch Dunkelflauten gut bewältigt werden, ohne dass es Risiken für die Systemstabilität oder die Versorgungssicherheit gab“, betont er.

Zugleich weist Kapferer aber auf die hohe Preisvolatilität im Netz hin. So gab es im vergangenen Jahr 457 Stunden mit negativen Börsenstrompreis. Kapferer hat als Beispiel den 11. Mai 2024 mitgebracht. Damals überstieg die Erzeugung aus den Erneuerbaren bei weitem die benötigte Last. Der Preis sank auf -135 Euro pro Megawattstunde (-13,5 Cent pro Kilowattstunde). Das Gegenbeispiel dazu: Am 12. Dezember 2024 herrschte Dunkelflaute, also keine Sonne und kein Wind für eine nennenswerte Erzeugung vorhanden, und der Strompreis stieg temporär bis auf 936 Euro pro Megawattstunde.

Diese Hoch- und Tiefpreisphasen wird es auch künftig geben, vielleicht nicht so häufig in den Extremen, sagt Kapferer weiter. Dennoch müsse darauf regiert werden, zumal der Stromverbrauch viel langsamer wachse, als im aktuellen Netzentwicklungsplan prognostiziert. Dieser müsse auch entsprechend angepasst werden. Doch noch wichtiger ist Kapferer: „Wir brauchen erstmal nicht jedes Jahr nochmal vier Gigawatt Photovoltaik mehr, sondern wir brauchen Flexibilitäten.“

Im Netzgebiet von 50 Hertz erreichten die Erneuerbaren im vergangenen Jahr einen Anteil von 73 Prozent am verbrauchten Strom. Mit 94 Terawattstunden sei der Stromverbrauch aufgrund der schwachen wirtschaftlichen Entwicklung und der geringen Marktdurchdringung von Elektrofahrzeugen und Wärmepumpen so niedrig wie zuletzt vor 20 Jahren gewesen, so der Übertragungsnetzbetreiber. Die Windenergie hatte einen Anteil von 44 Prozent, während die Photovoltaik rund 15 Prozent des Strombedarfs deckte. Zugleich verzeichnete 50 Hertz in seinem Netzgebiet einen „sprunghaften Zubau von fast vier Gigawatt“ Photovoltaik-Leistung im vergangenen Jahr.

Es zeichne sich „zunehmend eine Schieflage zu Lasten von Bezahlbarkeit und Systemstabilität“ ab, erklärte Kapferer weiter. „Daher sollte sich insbesondere der weitere Ausbau der Photovoltaik stärker an realistischen Annahmen zum erwarteten Stromverbrauch, am Ausbau der Stromnetzinfrastruktur und am netzdienlichen Aufbau von Speicherkapazitäten orientieren.“ Das Prinzip „Möglichst viel, möglichst schnell und völlig ungesteuert“ müsse durch das Prinzip der Netzdienlichkeit ersetzt werden. „Der bisherige Ansatz zur Förderung der Erneuerbaren belohnt eine möglichst hohe Strom-Einspeisung. Zukünftig sollten gezielte Anreize für einen netzdienlichen Zubau sowie eine netzdienliche Fahrweise geschaffen werden“, forderte Kapferer. Dies könnte etwa über einen Baukostenzuschuss für Erneuerbaren-Anlagen erfolgen.

In diesem Zusammenhang begrüßte er auch das am Wochenende veröffentlichte Sondierungspapier von CSU/CDU und SPD. Dort seien einige Signale in die richtige Richtung zu erkennen. Dies gelte auch für den raschen Zubau gesicherter Kraftwerksleistung. Ob die anvisierten 20 Gigawatt bis 2030 aber wirklich erreicht werden, da äußerte Kapferer Zweifel. Zugleich sieht er aber gute Chancen, mit einer neuen Regierung das Thema „Freileitungen statt teurer Erdkabel“ wieder zu diskutieren.

Mit dem Ausbau der Erneuerbaren steigt auch der Bedarf an neuen Leitungen. Nach eigenen Angaben hat 50 Hertz 900 Kilometer Freileitungen und Erdkabel in Bau und verzeichnet einen Höchststand bei Fertigstellungen und Genehmigungen. 1800 weitere Kilometer befänden sich im Genehmigungsverfahren. Von 2024 bis 2028 sollen knapp 23 Milliarden Euro in die Netzinfrastruktur investiert werden, fünfmal mehr als in der vorangegangenen fünfjährigen Regulierungsperiode. Wichtigste Finanzierungsquelle dafür bleibe mit rund 60 Prozent Fremdkapital, je 20 Prozent sollen aus dem Eigenkapital der Gesellschafter und aus dem operativen Cashflow kommen. 2024 erzielte 50 Hertz ein Jahresergebnis in Höhe von 310 Millionen Euro, wie Marco Nix, Geschäftsführer Netzausbauprojekte und Finanzen, erklärte.

Finanziell unterstützt wird der Übertragungsnetzbetreiber von seinem Hauptaktionär Elia Group. Diese kündigte am Freitag ein umfassendes Paket zur Stärkung der Eigenkapitalbasis in Höhe von 2,2 Milliarden Euro für dieses Jahr an. Davon sollen zunächst 850 Millionen Euro von einer Gruppe von vier Investoren im Zuge einer Privatplatzierung an der Börse gezeichnet werden. Zur Gruppe gehören der Hauptaktionär der Elia Group, Publi-T/Next Grid Holding, Atlas Infrastructure (zusammen mit The Future Fund), Blackrock und CCP Investments, wie 50 Hertz mitteilte. Unmittelbar nach Abschluss der Privatplatzierung wollen sich diese Unternehmen auch an der Bezugsrechtskapitalerhöhung in Höhe von 1,35 Milliarden Euro zu beteiligen, und zwar anteilig zu ihrem Anteil an der Privatplatzierung. Publi-T/Next Grid Holding soll demnach mit 44,79 Prozent größter Einzelaktionär der Elia Group bleiben. Der Gesamteigenkapitalbedarf der Elia Group belaufe sich auf 4 bis 4,5 Milliarden Euro. Weitere zwei Milliarden Euro müssten somit zwischen 2026 und 2028 noch eingeworben werden.

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