Von 1 Milliarde Dollar 2016 über 10 Milliarden 2018 auf 40 Milliarden US-Dollar 2023: das ist die Umsatzentwicklung von Amazon „Business“, also dem B2B-Marktplatz von Amazon. Ende dieses Jahres wird sich das Volumen erneut verdoppelt haben, auf über 80 Milliarden Dollar. Der Handels-Marktplatz existiert in dieser Form erst seit 2015 und kennt seitdem nur eine Richtung: nach oben, mit sehr soliden Wachstumsraten. Die Hälfte des Umsatzes kommt nicht vom Verkauf Amazon-eigener Waren, sondern von Marktplatzteilnehmern, sogenannten Amazon Sellern, also Gewerbebetrieben, die vom Druckerpapier bis zum Stahlnagel ihre Waren zu B2B-Konditionen anbieten und Amazon Business als technologisches Fundament für den Verkauf nutzen. Apropos B2B-Konditionen: nicht nur wächst der B2B-Umsatz von Jahr zu Jahr, auch der relative Anteil von Business-Umsätzen am Amazon Gesamtumsatz nimmt immer weiter zu. Es scheint sich also um eines der Pferde zu handeln, auf das Amazon weiterhin setzen wird.
Nun sind wir hier bekanntlich nicht beim E-Commerce-Magazin, warum schreibe ich also darüber? Zweierlei: Zum einen aus eigenem Interesse; ich war einst COO einer erfolgreichen Amazon-Agentur und beobachte das Phänomen nun gebannt aus der Distanz. Zum anderen, weil man von dieser Entwicklung sehr viel lernen kann. Ich bin tief überzeugt, dass sich die „Gesetzmäßigkeiten“ für B2B-Geschäft und Zusammenarbeit ändern, bedingt durch Digitalisierung, den Generationenwandel und die KI-Erfolgsgeschichte. Amazons Erfolg im B2B veranschaulicht diesen oft übersehenen Wandel, bei dem B2B-Plattformen einen bislang komplexen, undurchsichtigen, ineffizienten und weitgehend offline geprägten Markt digitalisieren.
Zugegeben, Amazon hat es vergleichsweise leicht, denn die Marke war auch schon vor dem Launch 2015 sehr stark und besitzt mehr Anziehungskraft denn je. Der Einkauf von Commodities wie Computermaus, Filtermatte und Schallschutzvorhang auf eben dieser Plattform für Gütereinkauf liegt entsprechend nahe. Amazon ist aber nicht allein. Wer genau hinsieht, wird feststellen: Für immer mehr Angelegenheiten, die Amazon nicht abdeckt oder nicht abdecken kann (Dienstleistungen etwa, oder alles, was nicht in einen Karton passt), gibt es ebenfalls Plattform-Anbieter. Mittlerweile werden, zumindest in den USA, ca. 20 Prozent der B2B-Geschäfte digital über Plattformen abgedeckt.
Fiverr (aus Israel) oder Upwork (aus den USA) für Offshore-Freelance-Dienstleistungen aller Art. Sortlist (aus Belgien) für die Auswahl der richtigen Kreativ- oder Werbe-Agentur. Sennder (aus Deutschland) für Logistik- und Frachtdienstleistungen. Timberhub (aus den Niederlanden) für Holz, Metycle (frisch finanziert, aus Deutschland) für Metalle. Die Liste ließe sich beliebig fortführen, und das aus gutem Grund: Weil Plattformen wie diese deutliche Effizienz- und Sicherheitsvorteile haben, weil sie immer verfügbar und zugänglich sind, weil sie aktiv neue Geschäftsoptionen aufzeigen, weil sie mit Hilfe von Daten die Gesamterfahrung verbessern, weil sie auch nach dem Kauf die Zusammenarbeit verbessern können – um nur ein paar zu nennen. In der Pharmabranche etwa helfen digitale Portale bei der Verwaltung von klinischen Studien und der Einhaltung regulatorischer Anforderungen. Automatisierte Prozesse haben hier dazu beigetragen, die Zulassungszeiten für neue Medikamente um bis zu 20 Prozent zu reduzieren!
Ich bin selbst begeisterter Nutzer dieser Angebote (sofern sie nicht in Verruf geraten) und wenn es nach mir ginge, dürften gerne alle Vertriebsprozesse so funktionieren. Warum, frage ich mich, ist dieser Plattformen-Trend noch nicht in der Energiewirtschaft angekommen? Warum gibt es ihn in der Projektierung und Planung von gewerblichen Energie-Assets nicht? Warum wird bei einem so wichtigen Thema wie der Energiewende derart offline gearbeitet? Warum ist der so wichtige Weg zur Inbetriebnahme von Solarparks, Batteriespeichern, Großwärmepumpen, Windparks oder einer Kombination daraus immer noch ungerichtet?
Dabei hat dieser Sektor ein riesiges Strukturierungspotenzial: Bei solchen Projekten sind viele Akteure eingebunden, die nicht zwingend voneinander wissen oder sich womöglich gar nicht kennen. Projektentwickler, Hersteller, Netzbetreiber, Zertifizierungsstellen, diverse weitere Dienstleister und zeitweilig sogar Behörden müssen sich aufeinander abstimmen. Die Koordination zwischen diesen Parteien ist allerdings oft sehr zeit- und ressourcenintensiv. Und mit holpriger Kooperation nicht genug: Während Planung und Genehmigung fallen Daten und Dokumente in einem Umfang an, der manche Heldensage zumindest hinsichtlich der Seitenzahl alt aussehen lässt. Es werden PDFs ausgedruckt und Schleifen gedreht, dass einem schwindelig wird. Das Informationschaos verlangt in seiner Bewältigung nach den richtigen Akteuren, vor allem aber nach den richtigen Werkzeugen.
Und noch während man sich wundert, wie lange es dauert, solche ungerichteten Prozesse mit althergebrachten Werkzeugen zu einem Ergebnis zu führen, schaut man fragend gen Reich der Mitte: Allein im Jahr 2024 hat China seine installierte Solarleistung um 45,2 Prozent und die Windkraftkapazität um 18 Prozent gesteigert. Wie schafft das Land das?
Auch wir haben uns gefragt, wie wir mit der Entwicklung und Planung von Assets in Europa auf eine ähnliche Geschwindigkeit kommen können. Wir haben das richtige Werkzeug gesucht, es aber nicht gefunden. Wir haben mit der Politik gesprochen, mit Akteuren, die täglich unter diesen Umständen arbeiten. Wir haben uns angehört, wie man mit den „Das haben wir schon immer so gemacht“-Einwänden umgehen könnte. Nun haben wir mehr als genug Informationen gesammelt und stellen die Hypothese in den Raum, dass es mit (dem richtigen!) Plattformansatz für beschleunigte Genehmigungsverfahren funktionieren kann. Seitdem bauen wir conductr.io, weil wir sicher sind: Wir können das, was Amazon und andere Plattformen so erfolgreich macht, auf die Energiewende hierzulande übertragen. Wer jetzt seine Arbeitsweise umstellt, sichert sich nicht nur Effizienzvorteile, sondern auch einen klaren Wettbewerbsvorsprung. Zeit, alte Gewohnheiten zu hinterfragen, oder?
— Gratian Permien entwickelt seit Ende seines Wirtschaftsingenieurstudiums Software, meistens SaaS-Produkte für Nischenanwendungen und Verschlankung und Digitalisierung von Geschäftsprozessen. Er war nach verschiedenen Stationen in der Energiewirtschaft primär im Business Development und in der Geschäftsführung von E-Commerce-Agenturen, Managementberatung, Softwareanbietern. Derzeit beschäftigt er sich mit der Beschleunigung der Projektierung von Energieinfrastrukturen durch Digitalisierung der Planungs- und Genehmigungsprozesse. —
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@Gratian Permien,
„Ich bin selbst begeisterter Nutzer dieser Angebote (sofern sie nicht in Verruf geraten) und wenn es nach mir ginge, dürften gerne alle Vertriebsprozesse so funktionieren. Warum, frage ich mich, ist dieser Plattformen-Trend noch nicht in der Energiewirtschaft angekommen? Warum gibt es ihn in der Projektierung und Planung von gewerblichen Energie-Assets nicht? Warum wird bei einem so wichtigen Thema wie der Energiewende derart offline gearbeitet? Warum ist der so wichtige Weg zur Inbetriebnahme von Solarparks, Batteriespeichern, Großwärmepumpen, Windparks oder einer Kombination daraus immer noch ungerichtet?“
Gratian Permien,
ich empfehle Dir den Film #systemerror oder einfach mal das Buch ( https://de.m.wikipedia.org/wiki/Das_Kapital) in die Hand zu nehmen .
😉
Hallo Herr Dyroff,
etwas unverständlich, Ihr Hinweis. Die Idee von Herrn Permien ist ja wohl die Energiewende zu berschleunigen und zu vereinfachen.
„Weiter so“ oder noch besser „rückwärts“ ?
Hallo Herr Dyroff,
zunächst vielen Dank für den Kommentar, sowohl Film und Buch als auch die innewohnende Message sind mir bekannt – und Sie dürfen mir glauben, ich bin genauso kritisch gegenüber der vermeintlichen Entkopplung von Ressourcenverbrauch und Wachstum, sehe die Gefahr darin genauso, wie Sie das tun. Was das allerdings mit besseren Werkzeugen für eine Beschleunigung der Energiewende zu tun haben soll, ist mir nicht ganz klar. Schreiben Sie mir gern eine Email, wenn Sie mögen.
Herzliche Grüße
Gratian Permien
Spannender Artikel! B2B-Plattformen wachsen rasant, und klar – Amazon hat’s vorgemacht. Aber auch abseits von Bürobedarf und Schrauben tut sich einiges. Solartraders.com macht die Beschaffung von Solar-Komponenten digital, damit Installateure schneller und einfacher an die besten Deals kommen – ohne endlose Preisvergleiche oder Telefon-Marathons.
Auch die Projektplanung in der Energiewirtschaft wird jetzt digitaler – ein Schritt in die richtige Richtung! Wie können solche Plattformen helfen, die Umsetzung der Energiewende weiter zu beschleunigen?