Enervis: Photovoltaik-Ausbau führt zu grenzüberschreitenden Kannibalisierungseffekten in Europa

Enervis, grenzüberschreitende Kannibalisierung bei Photovoltaik, Marktreport

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Photovoltaik und Windkraft sind europaweit zu den führenden Stromerzeugungsquellen aufgestiegen und haben die fossilen Kraftwerke verdrängt. Welche Auswirkungen dies auf die Strommärkte hat, haben die Analysten von Enervis in ihrem nun veröffentlichten „Renewables Power Market Report 2025: Navigating volatility and cannibalisation“ untersucht. Darin stellen Sie einen Rückgang der durchschnittlichen Börsenstrompreise für das Vorjahr gegenüber 2023 fest. Allerdings blieben sie europaweit gesehen über dem Niveau der Vorkriegsjahre, vor allem wegen der höheren Gaspreise.

Zudem stellten die Analysten durch die stärkere Bedeutung der Erneuerbaren am Strommarkt eine höhere Saisonalität der Entwicklung fest. Hohe Erneuerbaren-Einspeisung im Frühjahr habe so für die niedrigsten Strompreise seit drei Jahren gesorgt. Sogenannte Dunkelflauten-Phasen – die es im November und Dezember 2024 gab – hatten jedoch auch sichtbare Auswirkungen auf die Preise. In diesen Monaten lagen die Strompreise deutlich über dem Niveau des Vorjahres.

Auffällig für nahezu alle Märkte, so die Analysten von Enervis in ihrer Studie, sei der anhaltend beachtliche Rückgang der Capture Rates für Photovoltaik-Anlagen. Besonders stark fiel dieser auch in Deutschland aus, wo Enervis für 2024 eine Capture Rate von nur 59 Prozent ermittelte. Den niedrigsten Wert in ganz Europa.

Die Capture Rate misst in Prozent das Verhältnis zwischen den erzielten Erlösen und dem Baseloadpreis, den ein Projekt in Abhängigkeit von seiner Technologie und den geografisch spezifischen erneuerbaren Energieressourcen in einem bestimmten Zeitraum erzielt. Die höchsten Capture Rates waren nach der Enervis-Analyse in Großbritannien (90 Prozent), Italien (86 bis 89 Prozent) und Finnland (86 Prozent) zu verzeichnen.

In Südosteuropa verzeichneten die Analysten hingegen eine sogenannte cross-border cannibalisation, also eine grenzüberschreitene Kannibalisierung. Ausgehend von Deutschland sind so die Capture Rate für Photovoltaik-Anlagen durch die Stromexperte auch in Österreich, Tschechien, der Slowakei, Ungarn und Rumänien deutlich gesunken und lagen nur noch bei 63 bis 66 Prozent. „In Zeiten hoher Photovoltaik-Erzeugung werden große Mengen an Strom aus Ländern mit hohem Photovoltaik-Anteil in Länder mit niedrigem Photovoltaik-Anteil exportiert“, heißt es in der Analyse. „Dieses zusätzliche Stromangebot senkt die inländische Capture Rates in den Ländern mit niedrigem Photovoltaik-Anteil schneller als der historische Trend in den Vorreitermärkten.“

Auch wenn die Baseload-Preise an der Börse 2024 immer noch höher lagen als in den Vorkrisenjahren führte die Kannibalisierung gerade bei Photovoltaik dazu, dass die Erlöse am Strommarkt sich weiter reduzierten. Für Photovoltaik-Anlagen in Deutschland verzeichnete Enervis einen Capture-Preis von 47 Euro pro Megawattstunde. Dies ist mehr als etwa in den nordischen Ländern oder auch Frankreich, Spanien und Portugal.

Enervis, Marktreport, PV Capture Price 2024

Wenn man die gestiegene Zahl an Stunden mit negativen Börsenstrompreisen betrachtet, betrifft diese auch vor allem die Produktion der Photovoltaik-Anlagen. In ganz Europa 2024 ist die Zahl gegenüber dem Vorjahr enorm gestiegen. So seien in Spanien erstmals negative Preisstunden zu verzeichnen gewesen, heißt es in der Studie. Die meisten gab es 2024 in den Niederlanden und Deutschland. Gerade mit Blick auf den PPA-Markt zeigt sich, dass die Abnehmer vor dem Hintergrund dieser Entwicklung zunehmend die Risiken teilen wollen. Die zu erlösenden PPA-Preise für die Erzeuger geraten somit unter Druck.

Enervis hat die Auswirkungen der negativen Preise für die Photovoltaik-Betreiber in Deutschland untersucht. So seien knapp 20 Prozent der Photovoltaik-Erzeugung 2024 von den negativen Strompreisstunden betroffen gewesen, wenn man sie ab der ersten Stunde wertet. Mit Blick auf die EEG-Förderung griff die Regelung, wonach keine Vergütung bei mindestens drei aufeinanderfolgenden Stunden mit negativen Börsenstrompreisen gezahlt wird. Dies betraf aber immerhin noch rund 16 Prozent der Erzeugung dieser Anlagen. Enervis hat auch dies mit der Windkraft verglichen, wo es nur maximal sechs Prozent des erzeugten Windstroms betrifft.

Kompensiert werden könnte dies mit zusätzlichen Speicherkapazitäten oder Flexibilitäten im Stromnetz. Doch diese wachsen weniger schnell als Photovoltaik und Windkraft zugebaut wird. So erwartet Enervis in seinem Basisszenario einen Zubau von 390 Gigawatt bei Erneuerbaren zwischen 2025 und 2030, aber nur etwa 93 Gigawatt an weiterer Speicherleistung. Damit werde es auf absehbare Zeit schwierig bleiben, die Mittagsspitzen bei der Photovoltaik-Erzeugung abzufedern und negative Preise zu verhindern. „In diesem Zeitraum wird erwartet, dass die Preisvolatilität voraussichtlich auf einem hohen oder höheren absoluten Preisniveaus bleibt sowie auch von einer zunehmenden Häufigkeit von Null- oder Negativpreisstunden und Knappheitspreisen ausgegangen“, heißt es in der Studie. „Anlagen, die dem System Flexibilität verleihen können, werden von hohem wirtschaftlichem Wert sein, insbesondere in dieser mittelfristigen Übergangsphase.“

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